Ich habe in meinem letzten Artikel zur Entwicklung des Social Media Recruitings schon angedeutet, dass Erfolg im Recruiting nicht eine Frage der Technik, sondern des richtigen Verständnisses ist. Das möchte ich jetzt weiter ausführen. Auch weil ich auf zwei interessante Beiträge gestossen bin, die mich skeptisch und neugierig zugleich machen. Es tut sich etwas. Meines Erachtens können wir (zwar noch weit weit entfernt, aber immerhin) schon jetzt das Aufziehen eines neuen (alten?) Recruitingverständnisses am Horizont erkennen.

Die Zukunft des Recruitings – ohne Recruiter?

Zum Einen stellt „der-HR-blog.de“ die These in den Raum, dass es in 20 Jahre keine Personaler mehr geben wird.
Ich sehe die Gründe nicht ganz so wie der Autor, aber die Tendenz ist definitiv richtig. HR hat seine Berechtigung mit dem Konzept „HR als Business Partner“ versucht aufrecht zu halten, ist m. E. aber damit gescheitert. In Konzernen mögen manche Personalfunktionen aufgrund der Größe und Unüberschaubarkeit der Unternehmen noch ihre Berechtigung behalten. Aber ein Business Partner wird da nicht mehr draus. Eher ein Projektmanager.

Auf diese These gab es auch gleich die Empfehlung, einmal hier vorbei zuschauen, bei einer Open Space Konferenz zum Thema „Fachkräfte von morgen planen ihre Arbeitswelt“, die mit Studenten der Hochschule Pforzheim durchgeführt wurde. Jetzt möchte ich mit meinen 40 Jahren wirklich nicht bieder erscheinen, aber ich erinnere mich, welche Vorstellungen ich so als Student (mit Berufsausbildung) vom Arbeitsleben hatte – und messe dem heute aus Erfahrung nicht mehr zu viel Bedeutung zu. Aber wie immer bei Ausblicken in die Zukunft gilt auch hier: Irgendetwas davon wird sich auch als richtig erweisen. Wir dürfen gespannt sein.

Fakt ist: Nicht nur ich sehe nötige Veränderungen kommen. Aber wie sieht denn jetzt meine Vorstellung für die Recruitingwelt aus? Erinnern Sie sich noch daran, dass es „früher“ überhaupt keine Personalabteilungen gab? Erst so gegen 1960-1970 wurden eigene Personalabteilungen für administrative Aufgaben geschaffen, die dann im Laufe der Jahre immer erweitert wurden. Vor allem, um die im operativen Geschäft steckenden Führungskräft zu entlasten oder für das gesamte Unternehmen einheitliche Maßnahmen zu schaffen. Im Recruiting ging es z. B. darum, unternehmensübergreifende Personalmarketingkonzepte zu entwickeln oder durch Vorselektion den FKs die Massen von Bewerbern vom Hals zu halten. Bei Personalengpässen am Arbeitsmarkt durften die Personaler kreativ werden und richtig Geld für Werbemaßnahmen ausgeben. Erinnern Sie sich noch an die Auswüchse zur Zeit des Neuen Marktes? Gruselig. Die Führungskräfte entfernten sich dagegen immer mehr von dem, was zur Führung dazugehört: Der erste Schritt der Führung überhaupt möglich macht, ist die Personalbeschaffung. Und bekamen bald gar nicht mehr mit, was am Markt so passiert. Warum das das schlimmste ist, was Ihnen als Führungskraft passieren kann, habe ich hier erläutert.

Die Zukunft des Recruitings – nur mit den richtigen Hiring Managern

Wenn ich nun ein neues Recruitingverständnis fordere, dann bedeutet das vor allem, dass die Hiring Manager/ Führungskräfte wieder ihre ursprüngliche Aufgabe, das Recruiting, selber in die Hand nehmen müssen. Fairerweise müssen wir dann auch akzeptierten, dass viele der heutigen FKs die Bezeichnung nicht verdienen bzw. schlicht damit überfordert sind. Weil häufig der im operativen Geschäft Beste zur Führungskraft wird. Und weiter für das operative Geschäft verantwortlich bleibt. Der operativ Beste zu sein heisst aber nicht, auch die beste Führungskraft zu sein, oder? Und wer kann schon richtig führen, wenn er selber noch bis zu den Ellbogen im Tagesgeschäft steckt? Eben! Wir werden also auch um eine Diskussion über die Rolle einer Führungskraft in Zeiten knapper Arbeitskräfte nicht herum kommen. Aber bis dahin gibt es ja noch weiter Recruiter und Personalentwickler. Aber eigentlich sollte es die gar nicht geben. Zumindest nicht mit diesem Umfang an Aufgaben. Personaler sind faktisch nichts anderes als Koordinatoren, Informanten und Sparringspartner. Aber hat schon mal je ein Personaler oder Recruiter jemanden gegen den Willen des eigentlichen Hiring Managers, der Führungskraft, eingestellt? Nein. Und so wird es auch bleiben.

Und wenn die FKs nicht erst ins Spiel kommen, wenn die ersten top ausgewählten Bewerber zur Verfügung stehen, sondern wenn sie ganz von Anfang an „am Markt“ mitwühlen müssen, erst dann werden die FKs wirklich fundierte Entscheidungen treffen können. Und dann werden vielleicht Recruitingprozesse auf einmal viel schneller und schlanker, weil die Führungskraft dann aus eigener Erfahrung weiß, dass sie nicht lange zögern kann. Oder mehr Geld bieten muss. Oder Abstriche bei den Anforderungen machen muss. Das hatte der Recruiter bisher ja auch behauptet, aber der hat ja nun keine Ahnung von „meinem business“, richtig?

Die Betroffenen müssen wieder zu Beteiligten werden. Das ist das Recruitingverständnis der Zukunft.

Und warum das vor allem ein Thema des Top Managements ist, das gibt es vielleicht demnächst hier auch zu lesen.