one enactus Weekend Workshop 2

Ich habe ca. 20 Vertreter der Generation Y am Wochenende in meinem Workshop zum Thema „Neue Arbeitswelt – Kompetenzen der Zukunft“ life erlebt und weiß jetzt wieder neu, warum ich die Jugend so liebe. Wollen Sie die Gründe wissen? Kondratieff war übrigens auch mit seinem Geist dabei.

In diesem kleinen Workshop ging es um einen Austausch, wie sich unsere Arbeitswelt verändert – und was das für die Generation Y und uns alle bedeutet. Dabei hat mich natürlich interessiert, wie die so in die Zukunft blickt. Und war doch erst überrascht, dann positiv erfreut. „Man“ liest ja soooo viel schier Unglaubliches über diese Generation und fast war ich versucht zu dichten:

„Ihr Übermenschen und Lichtgestalten,
welch Arbeitgeber kann Euch je halten?
Work-Life Balance und Tralala,
Freizeit ist für alle da!
Nett im Ton, schlau in der Birne,
die GenY hat nur Superhirne.
Vernetzt und ohne Machtgetue,
schlüpfen sie ihn große Schuhe
ihrer Elterngeneration.
Glaube nur – die machen‘s schon.“

Ha, aber weit gefehlt. Vor mir saß eine größtenteils desillusionierte, sehr pragmatische und damit unglaublich sympathische Generation Y (vielleicht muss ich dazu sagen, dass alle Studenten in der weltweiten Organisation enactus engagiert sind und ihre gesellschaftliche und soziale Verantwortung sehr wohl sehen und ernst nehmen). Und mit dieser Erkenntnis bin ich nicht alleine. Ähnliches hat auch eine Studie von Egon Zehnder ergeben. Eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse findet sich in diesem Artikel „Generation Y: Der große Irrtum“.

Generation Y und der Mythos der Work-Life Balance

Gerade habe ich wieder einen Artikel zu einer Studie der Linzer Keppler Universität gelesen. Zitat aus dem Artikel „An oberster Stelle bei der Frage nach dem Ziel der beruflichen Karriere landete „eine ausgewogene Work-Life-Balance“. Das erklärten zwei Drittel der Befragten. 48 Prozent wollen in der Arbeit „intellektuell herausgefordert“ sein, fast 37 Prozent „einem sicheren und beständigen Job nachgehen“. Erst dahinter und mit Anteilen von unter 25 Prozent deutlich abgeschlagen werden als Ziele „Führungskraft mit leitender Position“, „selbstständig oder unabhängig“, „Fachexperte“ sowie „unternehmerisch oder kreativ/innovativ sein“ genannt.“

Dieses böse Wort Work Life Balance kam naone enactus Weekend Workshop 1türlich auch bei mir und ich hakte nach. “Was meint ihr denn eigentlich genau damit?“ Und schnell wurde deutlich: Es geht nicht darum, einfach weniger zu arbeiten. Sondern in Umfang und zu Zeiten zu arbeiten, wie es die Tätigkeit / das Projekt erfordert. Arbeit muss nach Leistung, nicht nach Zeit bewertet werden. Wer seinen Job in der Hälfte der Zeit schafft, soll dann auch was anderes machen dürfen. Statt weiter im Büro hängen zu müssen. Überhaupt gilt, die Arbeit kann vielfach von überall und zu unterschiedlichen Zeiten erledigt werden. Es geht nicht grundsätzlich darum, weniger zu arbeiten. Die Generation Y weiß, was Arbeit ist. Ihre Eltern haben es ihr vorgemacht. Aber warum sollte ich für die Arbeit von 8-18 Uhr im Büro hocken? Warum kann ich die Arbeit nicht in Absprache mit meinem Team, Kunden, Dienstleister erledigen, wann und wo ich will. Technisch ist das kein Problem mehr. Gibt es dafür einen handfesten Grund?

Generation Y als Propheten des 6. Kondratieffs

Und mit dieser überaus rhetorischen Frage, lieber Leser, kommen wir zu unserem eigentlichen Problem, dem Kern unserer zukünftigen Arbeitswelt, der Schicksalsfrage unserer gemeinsamen Zukunft, durchstoßen wir den Nebel wabernder Fragmente, deren Zusammensetzung wirre Geister entfernt eine Zahl zwischen 41-43 erkennen lassen könnte … (sorry, kleiner habe ich es nicht).

Wir steuern in unserer Arbeitswelt immer konkreter auf den Durchbruch zum 6. Kondratieffs hin, in dem neue Technologien alte Jobs wie Anwälte, Ärzte, Head Hunter, Lehrer oder Reisebüromitarbeiter verdrängen, während sozial hoch kompetente, kommunikationsstarke, virtuell vernetzte Wissensarbeiter Jobs ausführen, von denen die alte Industriewelt noch nicht zu träumen wagt. Weil es für die Industriewelt ein Albtraum wird. Hören Sie doch mal Ex-IBM-CTO Gunter Dueck, z. B. in seinem Vortrag zu „Future Skills“ (ab Minute 51:30, vorher lohnt sich aber auch!!!) Zitat: „Die einfachen Arbeiten werden aus ihrem Leben verschwinden … nur noch der Mist bleibt über … und die Leute, die vorher das einfache Zeug gemacht haben, die kann man nicht mehr gebrauchen …“

Die einfachen Dinge wird immer mehr und besser der Computer übernehmen. Und damit verschwinden die einfachen Jobs ins Ausland oder sogar ganz. Interessierten empfehle ich übrigens den blog „Wissensarbeiter“ mit einer sehr guten Artikelsammlung zu dem Thema Zukunft der Arbeit.

Generation Y und die Unsicherheit der Zukunft

Und damit kommen wir wieder zur Generation Y. Denn die merkt sehr genau, dass „das alte“ nicht mehr funktioniert. Und die „das alte“ auch gar nicht mehr will. Z. B. den Vater, der kaum zu Hause ist, weil er im Büro arbeiten muss. Lange. Weil es erwartet wird. Weil es schon immer so wahr. Weil Leistung durch Anwesenheit gezeigt wird. Der vielleicht ein schönes Haus finanziert, aber seine Kinder nicht mehr kennt. Etliche der Generation Y kennen das aus eigener Erfahrung – fragen nach dem Sinn dahinter und wollen es anders machen. Vor allem, weil sie sehen, dass es nichts mehr bringt. Noch trauriger: Schauen wir in den Niedriglohnsektor, dann sehen wir sehr viele Eltern, die viel arbeiten, ohne ihren Lebensstandard nennenswert steigern zu können.
Mit dem 6. Kondratieff verlieren die bekannten Attribute der alten Industriegesellschaft wie „Prozesse optimieren, Kosten senken, länger arbeiten, mehr arbeiten, Kontrolle ausüben, Ellenbogen einsetzen, mehr Schein als Sein, Hierarchien einhalten oder die Arbeitserbringung an einem festen Ort“ an Bedeutung. Oder richtiger: Diese alten Attribute behindern sogar den Durchbruch des 6. Kondratieff in die Wissensarbeit (das Thema ist natürlich etwas komplexer. Ich empfehle dazu Erik Händeler „Die Geschichte der Zukunft“). Wenn die Automobilbranche z. B. die Zukunft gestalten will, dann kann sie das nicht durch eine noch effektivere Produktion, sondern durch die Entwicklung und Umsetzung ganz neuer Mobilitätskonzepte. Wie z. B. www.moovel.com. Dafür mussten nicht nur verschiedene Disziplinen bei Daimler miteinander arbeiten, sondern es werden sogar Konkurrenzdienstleister mit eingebunden. Weil es sonst nicht funktioniert. Für die Umsetzung dieser komplexen Ideen braucht es intelligente, kreative, kooperative, sozial kompetente, sich selbst organisierende Menschen, wie sie jetzt langsam in Form der Generation Y hochkommen.

Aber die Industriegesellschaft ist noch nicht bereit dazu. Wir „Alten“ sind noch nicht bereit dazu. Wir spüren den Druck der permanenten Krise – genauso wie die Generation Y. Aber während diese andere Fragen stellt und den Ausweg in ganz neuen Ansätzen sucht, machen wir das gleiche wie vorher – nur heftiger. Und erwarten das Gleiche von der jungen Generation. Uns fehlen die Lösungsansätze für eine sich verändernde Arbeitswelt. Weil wir Kreativität unterdrückt, Selbstbestimmung verhindert, Querdenken verboten und Kooperation belächelt haben.

Generation Y und die fehlende Geburtshelfer

Wir „Alten“ sind gefordert. Wir müssen den Wandel gestalten.

Die Generation Y ist zu jung dafür. Viele wissen, dass sie zu wenig wissen. Natürlich gibt es auch hier die High Flyer, die „Hans Dampf in allen Gassen“, die Karrieretypen. Aber mein Eindruck ist, sie sind in der Minderheit. Die „Jungen“ stehen im Zwiespalt zwischen sich anpassen (denn die reale Arbeitswelt funktioniert noch nach den alten Prinzipien) und aufbegehren. Aber wer so klug ist zu wissen, dass am Ende das Brot irgendwie auf den Tisch kommen muss, der passt sich im Zweifel erst einmal an. Die Generation Y wird als „Puffer-Generation“ in die Geschichte eingehen. Sie baut jetzt mühsam und langsam die Wege, die die nächste oder übernächste Generation dann leichter gehen wird. Keine dankbare Aufgabe.

Wir müssen unsere Verantwortung ernst nehmen und Geburtshelfer der neuen Generation werden. Auch für uns selbst. Wir brauchen die „Jungen“ genauso wie sie uns „Alte“. Wir sind alle gefordert.
Oder was meinen Sie?

Ihr Henrik Zaborowski