Arbeitswelt Wirtschaft – eine Welt der Illusion

Glauben

Sie, dass das, was in unserer Wirtschaftswelt so abläuft, einer gesunden Logik folgt? Dass die „unsichtbare Hand des Marktes“ alles richtig regelt? Dass erfolgreiche Manager immer auch gute Führungskräfte sind und Unternehmer deswegen erfolgreich sind, weil sie klug und umsichtig handeln? Dass Entscheidungen nach gründlicher Prüfung getroffen werden und einmal gemachte Aussage verlässlich gelten? Und das wir alle nur das objektiv beste für alle wollen – im Sinn der Nachhaltigkeit?

Dann herzlich willkommen in der Welt der Illusion!

Arbeitswelt Wirtschaft – „willkommen“ im menschlichen Zirkus

Gerade in Gesprächen mit Studenten fällt mir immer wieder auf, welch eigentlich richtige, aber in der Praxis doch naive Vorstellungen viele von ihrer zukünftigen Arbeitswelt haben: „Entscheidungen werden im Konsens und nach offener Diskussion getroffen“. „Die Auswahlkritieren der Unternehmen für einen Job werden schon ihre Berechtigung haben“. „Wer Leistung bringt, wird gefördert“. „Manche Umstände kann ein Mitarbeiter nicht beeinflussen, dass sieht doch sicher auch die Führungskraft so“.

Ältere Arbeitnehmer und zum Teil auch erfahrene Unternehmer sind da deutlich abgeklärter. Vor allem die, schon mal irgendwie „gescheitert“ sind. Sie wissen: Die Idee des rational denkenden und doch „human“ handelnden Menschen, der als Kollege, Führungskraft und/oder Unternehmer fair, nachhaltig und langfristig strategisch die Weichen im Sinne aller für die Zukunft stellt, ist in den meisten Fällen eine Illusion. Die uns aber immer noch verkauft wird. Wirtschaft wird von Menschen „gemacht“ – und ist damit vieles – aber mit Sicherheit nicht rational und logisch. Oder glauben Sie immer noch an die Mär vom „homo oeconomicus„? Der Karrierecoach Martin Wehrle bringt es in seinem vielbeachteten Buch „Ich arbeite in einem Irrenhaus“ auf den Punkt. Zitat: „Die Firmen sind nicht mit den Märkten, sondern mit sich selbst beschäftigt. Konzerne gleichen Kindergärten. Mittelständler pflegen Mittelmaß. Familienbetriebe bräuchten Familientherapie.“

Die Wirtschaft erinnert mich an einen großen Zirkus. Alle halten sich für wichtig, es gibt Stars im Rampenlicht und einfache Helfer im Schatten. Der eine kann nicht ohne den anderen, auch wenn der Star sicherlich die bessere Position hat. Wenn der Vorhang aufgeht, spielen wir alle eine Rolle und zeigen eine perfekte Show. Aber was ist, wenn der Vorhang fällt? Wer und was bin ich dann? Und welche Bedeutung haben die Helfer, wenn der Star sie (angeblich) nicht mehr braucht?

Arbeitswelt Wirtschaft – ein Spiegel unseres Menschenbildes

Als Recruiter arbeite ich seit Jahren vor allem mit Menschen. Und wenn Sie mich fragen, wo das größte Optimierungspotential im Recruiting liegt, dann sage ich Ihnen: Bei den direkt und indirekt beteiligten Menschen. Warum indirekt: Nun, der Fisch stinkt vom Kopf, nicht wahr? Letzte Woche kam es aufgrund meines sicherlich etwas krassen Artikels „Recruiting, wenn es mal wieder länger dauert (denn kein Sex ist auch keine Lösung)“ zu einem kleinen Twitter-Dialog zwischen zwei Lesern. Der eine war begeistert, die andere fand den Artikel eher anzüglich und sah darin „das Image einer tumben Branche“ bestätigt (sie meinte die Recruitingbranche). Ich habe ihr spontan zugestimmt, aber dann fiel mir der Gedankenfehler auf.  Denn meine Beschreibung der Realität (!!) bezieht sich nicht auf die Recruitingbranche speziell – sondern auf unsere gesamte Wirtschaft!  Mit diesem blog habe ich angefangen, der gängigen Recruiting- und Personalmarketingpraxis in allen Branchen einen Spiegel vorzuhalten (sicherlich nicht immer sehr moderat, aber für den mainstream sind andere da. Und wie Sie gerade sehen: Ich kann auch seriös).

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir uns eingestehen: Unsere Recruitingmethoden sagen sehr viel über das Menschenbild, das in der Wirtschaft vorherrscht. Lassen Sie mich es aussprechen: Der Mitarbeiter als Mensch interessiert nicht – und der Mitarbeiter als Arbeitskraft ist nur so lange die „wichtigste Ressource“, solange er funktioniert. Und ob er richtig und ausreichend funktioniert, entscheidet er nicht mal selber. Das wäre grundsätzlich ok, wenn die Unternehmen (bzw. das Management) das offen zugeben würden. Das wäre wenigstens ehrlich. Es wäre auch dann noch ok, wenn Menschen Jobs ausführen, die auch Maschinen übernehmen können. Die Industrialisierung hat gezeigt, dass der Austausch von Menschen durch Maschinen durchaus zum Wohle aller führen und ganzen Nationen zu Reichtum verhelfen kann.

Arbeitswelt Wirtschaft – mit zukunftsfähigem Menschenbild?

In der Zeit der Industrialisierung mag es zwar nicht nett, aber ökonomisch sinnvoll und richtig gewesen sein, Menschen wie Maschinen zu behandeln. Aber jetzt entwickelt sich unsere Wirtschaft  mal wieder rasant weiter. Neue Technologien lassen alte Märkte und Berufe verschwinden, völlig neue Märkte entstehen. Und der Mensch wird immer weniger „Abarbeiter“ sein müssen, sondern vor allem Denker, Schlichter, Projektmanager, Kreativer. Wie ich darauf komme? Na, hören Sie sich doch u.a. mal diverse Reden von Gunter Dueck, Ex-CTO von IBM, an. Zum Beispiel seine Rede über „Professionelle Intelligenz“ Oder lesen Sie Eric Haendelers „Geschichte der Zukunft“ (hier ein kleiner Einblick).

Denken, kreativ sein, etwas schöpferisches Schaffen geht nur, wenn der Mitarbeiter ganz Mensch sein darf – und keine verkorkste Maschine (Sie können natürlich auch einfach von Ernie und Bert lernen). Wer aber bitte darf heute in der Wirtschaft Mensch sein? Oder anders: Wer kann es denn überhaupt noch und hat es nicht verlernt? Viele, die ihren Interessen und Neigungen nachgehen und „brotlose Fächer“ studieren, finden keinen oder nur schlecht bezahlte Jobs. Können wir uns das leisten, im angeblichen War for Talents?  Und muss der BWL Student der Elite Uni Mannheim drei Praktika und den Abschluss mit 1,5 haben, damit er eine Chance auf seinen Traumjob hat? Welche Chance hat dann der nicht-deutschstämmige Student von der FH Pusemuckel mit Abschlussnote 3,2? Dürfen wir noch Mensch sein? Aber noch viel wichtiger: Müssen wir nicht wieder viel stärker Mensch sein, anstatt „den perfekten Bewerber“ zu mimen? Um die unbeständige Zukunft zu meistern? Muss das nicht oberstes, unternehmerisches Gebot sein?

Arbeitswelt Wirtschaft – der Mensch muss wieder im Vordergrund stehen

Halten Sie mich bitte jetzt nicht für einen Spinner. Ich mag ein Idealist sein – aber als überzeugter Christ sind mir die menschlichen Abgründe und Schwächen theoretisch und praktisch nur zu vertraut. Ich kenne aber auch ein paar grundlegende Wahrheiten, die die Ökonomie ausradiert hat. Ob das so intelligent war/ist, stellt auch so ein kluger Kopf wie Tomás Sedlácek in seinem Buch „Die Ökonomie von Gut und Böse“ in Frage.

Öffnen Sie Ihre Augen und sehen Sie hinter das Offensichtliche: Wir alle haben eine tiefe Sehnsucht nach Wahrheit, Liebe und Gerechtigkeit. Und die meisten von uns würden diese Sehnsucht auch gerne im Job stillen! Aber wir scheitern immer wieder daran, wahr, liebevoll und gerecht zu leben. Weil wir es nicht können. Erst Recht nicht unter dem Druck der ständigen Gewinnmaximierung, der „alternativlosen“ Globalisierung und dem Diktat, dass fehlender Fortschritt Stillstand heißt. Wir Menschen haben ein System „Wirtschaft“ erschaffen, das eine eigene Dynamik entwickelt hat. Und das wir mittlerweile als „gottgegeben“ (sozusagen) akzeptiert haben. Unternehmen machen mittlerweile Politik und diktieren, wie was zu funktionieren hat. Aber bringt es uns weiter, dieses System immer noch zu füttern? So wie die Revolution ihre Kinder frisst, frisst nicht genau so das System Wirtschaft uns, seine Schöpfer? Oder warum lesen wir immer häufiger von Burn Out, Mobbing und innerer Kündigung? Sie denken, ich dramatisiere und laufe einem idealistischen „Gutmenschen-Bild“ hinterher? Keineswegs, ich glaube nicht an „Gutmenschen“. Dazu bin ich zu erfahren. Ich werde Ihnen in der Zukunft noch genug „Beweise“ liefern, dass ich Recht habe. Bleiben Sie dran.

Arbeitswelt Wirtschaft – der Mensch als ökonomischer Schlüssel zum Erfolg

Das große, menschliche Dilemma der unvollkommenen Liebe und ungestillter Sehnsucht werde ich nicht lösen können. Dafür ist jemand anderes da. Und ob ich das System Wirtschaft werde ändern können? Ich weiß nicht. Ich bin ein bescheidener Mensch. Mein Ziel ist es, neue und bessere Methoden und „Glaubenssätze“ für das Recruiting zu finden und in der Wirtschaft zu etablieren. Und an dem Menschenbild zu arbeiten, das in den Köpfen vieler Führungskräfte noch rumgeistert. Das ist schon groß genug. Aber nur so werden wir zukunftsfähig bleiben.

Dafür habe ich mich mit „humancircus“ selbständig gemacht. Ich bin auf dem Weg und mache den ersten Schritt. Gehen Sie mit? Lassen Sie uns die Arbeitswelt Wirtschaft ein Stück menschlicher machen – und damit zukunftssicher. Sie werden sehen: Davon wird auch Ihr Unternehmen profitieren.

Denn Wirtschaft besteht aus Menschen – und Menschen spielen eine Rolle! In allen Bedeutungen dieser Formulierung.

Welche Rolle wollen Sie spielen – und welche lassen Sie zu?

Herzlichen Gruß,

Ihr
Henrik Zaborowski