Recruiting-Controlling – mir scheint, dass ist eine der häufigsten Aufgaben von Recruitern. Zumindest höre ich immer wieder in Gesprächen davon. Letztens wieder erzählte mir ein erfahrener Recruiter, dass die Recruitingabteilung für den aktuellen Bedarf völlig unterbesetzt ist – und er als Schlüsselfigur statt operativ zu recrutieren 70% seiner Zeit mit Reporting verbringt. Ähm, hat er nichts besseres zu tun? Aber Moment! Ah! Sie haben aufgepasst! Controlling – Reporting – scheint ähnlich (ist es auch), sind aber eben doch zwei Paar Schuhe! Ich mag mich täuschen, aber mein Eindruck ist, es wird zuviel Zeit für mittelmässige Reportings (fürs Management) verdaddelt. Mittelmässig, weil die meisten Standardzahlen nicht weiterhelfen. Und weil ich mir nicht sicher bin, welche Erkenntnisse überhaupt daraus gezogen werden. Aber was brauchen Sie wirklich für Ihr Recruiting?

Recruiting-Controlling – wenn zu kurz gesprungen wird

Wer mich kennt, weiß: Der Zaborowski mag vieles sein, aber definitiv kein Controller. Richtig. (Aber für den Preisvergleich im Supermarkt reicht es tatsächlich noch. Sie müssen auf die „Preis/kg“ Angabe schauen, um richtig zu vergleichen …). Ich muß aber auch kein Controller sein, denn ich werde Sie unten auf einen Top Artikel von Christoph Athanas zu 20 wichtigen Recruiting Kennzahlen hinweisen. Der kann Zahlen offensichtlich besser als ich. Ich komme Ihnen jetzt erst mal mit meinem mehr oder weniger gesunden Menschenverstand.

Meiner Erfahrung nach beschränken sich die meisten Reportings ans Management auf die basics wie „time to fill“, „Anzahl Bewerbungen je Kanal“, „Anzahl Besetzungen“ „Kosten je Kanal/Besetzung“ (die ganz professionellen Konzern-Recruitingabteilungen nehme ich aus dieser Verallgemeinerung mal aus). In der Regel sind die Zahlen, die das Management fordert Zahlen, die die Recruitingabteilungen und ihre Leistungen a) kontrollieren und b) unter Druck setzen. Die Recruitingabteilung auf Rechtfertigungskurs, warum die Besetzungen nicht so purzeln. Aber wer will sich da beschweren? So ist das Leben „draußen“. Vertriebler kennen das ja auch. In vielen Vertriebsjobs gibt es eine vorgegebene Anzahl neuer Leads, zu tätigen Akquiseanrufe, Akquisegespräche beim Kunden vor Ort pro Woche (viele Personalvermittlungsbuden arbeiten auch so). Und das Verhalten, wenn es nicht läuft, ist auch immer das Gleiche: Die Quoten werden im System gefaked. Kein Vertriebler, der die Tricks nicht kennt (und kein Vertriebsleiter, der das nicht weiß). Aber „sorry“, wie kann ich nur prozessorientierte, administrative HR’ler mit „Rampensau“ Vertrieblern vergleichen? Also kommen wir zum Recruiting zurück.

Das Ergebnis des Reportings (d. h. die Einschätzung vom Management) sieht oft wie folgt aus: Die Recruitingabteilung „leistet“ zu wenig Besetzungen im Verhältnis zu den produzierten Kosten. Also wird die Abteilung eher klein gehalten oder mit jungen, „billigen“ Kräften besetzt. Da Personalvermittler in der Regel einen großen Batzen im Bugdet ausmachen, werden die Honorare vom Einkauf pauschal festgelegt. Natürlich möglichst niedrig. Maßnahmen, die erst in zwei oder drei Jahren wirken (weil sie z. B. in die Arbeitgebermarke einzahlen), werden erst gar nicht genehmigt oder nach einem Jahr wieder abgesetzt, weil sich kein kurzfristiger Erfolg messen lässt. Und der/dienige, die das Recruiting verantwortet, beschäftigt sich die meiste Zeit eben mit diesen Reportings, anstatt operativ mitarbeiten zu können. Alles nicht sehr sinnvoll, oder? Ich meine, wenn ich davon ausgehe, dass ich wirklich fähige, engagierte Recruiter habe! Umgekehrt: Wenn ich weiß, dass meine für das Recruiting verantwortlichen Personaler im 20. Jahrhundert stehen geblieben sind, brauche ich auch kein Reporting. Das ändert ja auch nichts. Dann sollte ich die Abteilung auf Vordermann bringen und im Zweifel handelnde Personen austauschen! Das wäre wenigstens konsequent.

 

Recruiting-Controlling – vom Schein zum Sein

Hoppla, warum nehme ich hier die Recruitingabteilung in Schutz? Das kennen Sie doch gar nicht von mir … Naja, lassen Sie uns eine Wahrheit ganz einfach aussprechen: Die Recruitingabteilung ist die Abteilung im Unternehmen mit der geringsten Beeinflussbarkeit ihrer Ergebnisse! „Hä? Zaborowski! Was soll das denn“? denken Sie vielleicht. Naja, ich will den Eigenanteil der Recruiter nicht klein reden. Da wäre ich ja schön blöd. Und ich weiß, dass viele gute Recruiter jetzt protestieren werden. Aber das ist ja eh unser aller Problem, dass wir unsere Erfolge uns zurechnen, die Misserfolge aber an den Umständen liegen. Darum überlegen Sie bitte kurz mit. Was macht denn ein Recruiter? Der Recruiter legt nicht fest, wie der Jobs, den er besetzen soll, inhaltlich aussieht. Wie gut er bezahlt wird. Welche Perspektiven er bietet. Wer der Chef ist, etc. Und der Recruiter kann nicht beeinflussen, wie der Hiring Manager auf den Bewerber wirkt (er kann eine gute Vorauswahltreffen, welcher Bewerber zum Chef passen würde, aber umgekehrt nicht). Er kann den Standort des Unternehmens nicht ändern. Genauso wenig wie das Image (er kann auf nötige Veränderungen hinweisen, ja. Aber viel mehr nicht). Genauso wenig die regionale Vorliebe des Bewerbers. Er kann nicht beeinflussen, ob der Lebenspartner des Bewerbers „mitzieht“. Er kann nicht verhindern, dass der Top Kandidat ein Gegenangebot bekommt. Der Recruiter hat eigentlich ziemlich wenig selber in der Hand (was für uns alle für unser eigenes Leben übrigens auch gilt, aber das ist ein anderes Thema und wer hört das schon gerne?). Selbst wenn der Recruiter alles richtig macht, gibt es immer noch zwei Risikofaktoren: Der Mensch „Bewerber“ und der Mensch „Hiring Manager“ (die beide einen freien Willen haben!). Der Recruiter verkauft kein Produkt, dass sich nicht wehren kann. Er „handelt mit Menschen für Menschen“ (wenn Sie mir den Ausdruck verzeihen). Er hat zwar Einfluss darauf, wie und wo er die passenden Bewerber sucht und kann so mit ihnen kommunzieren, dass die Bewerber unbedingt ein Vorstellungsgespräch haben wollen – aber dann hört es bald auch schon auf. Und ganz ehrlich: Bis zur Einstellung ist es ab da noch ein weiter, weiter Weg.

(Kleiner Einwurf, lieber Leser: Das alles gilt natürlich grundsätzlich auch für die „Recruiter“ im Unternehmen, die weiter nur Anzeigen schalten und auf Bewerbungen warten. Aber die möchte ich hier nicht in Schutz nehmen. Ich beziehe mich auf die engagierten Recruiter, die Ahnung von Netzwerken, Active Sourcing, Social Media Recruiting, Candidate Experience, Steuerung von Personaldienstleistern und das nötige standing vor dem Hiring Manager haben. Die meine ich!)

Kommen wir also zum „Sein“ des Recruitings. Ich gebe Ihnen mal ein paar Kennzahlen, die vor allem auch für die zweite Hälfte des Recruitingprozesses interessant sind. Z. B. „wie schnell schaut sich der Hiring Manager die vorausgewählten Kandidaten an und gibt Feedback“, „wie schnell vergibt der Hiring Manager Interviewtermine“, „wie oft verschiebt er sie wieder“, „wieviele Kandidaten am Markt verdienen mehr als die ausgeschriebene Position dotiert ist (und wieviel)“, „wie viele Kandidaten (aus der Direktansprache) haben kein Interesse wenn sie Position und Unternehmen hören (und warum)“, „wieviele Kandidaten haben nach dem ersten persönlichen Gespräch mit dem Hiring Manager kein Interesse mehr (und warum)“, „wieviele Angebote für eine bestimmte offene Position wurden abgelehnt (und warum)“.

Muss ich weitermachen? Naja, wenn Sie das alles haben, dann wird es richtig interessant: „Bei welchem Hiring Manager gibt es die größen Einstellungsprobleme? Und warum?“ Wenn Sie sich dann die Gründe mal ansehen kann es sein, dass es am Hiring Manager selber und an seinen Jobangeboten liegen könnte. Oder es könnte sein, dass es am komplett miserablen Image des Unternehmens am Arbeitsmarkt liegt. Im Rheinland gibt es drei Unternehmen, die in ihrer jeweiligen „Fachszene“ als miserabler Arbeitgeber „verschrien“ sind. Da wird es selbst für Top Recruiter schwer … Und das sind dann doch mal richtig interessante Infos für das Management! Ich will keinen in die Pfanne hauen, aber, „Hey – Sie müssen ein Recruitingproblem lösen! Und es könnte doch sein, dass das Problem „ausnahmsweise“ mal nicht beim Recruiter liegt. Könnte!

 

Recruiting-Controlling – Grundlage für echte Maßnahmen

Diese ganzen Informationen liefern Ihnen die Grundlage, Ihr Recruiting langfristig auf die richtigen Beine zu stellen.

Denn natürlich kann es sein, dass Sie als Recruiter einfach einen schlechten Job machen. Aber aus meiner (nicht ganz kurzen) Erfahrung liegt es auch sehr häufig daran, dass ganz andere interne Faktoren eine Besetzung verhindern. Mit diesen Daten bekommen Sie mehr als nur eine Ahnung, welche Faktoren das sind. Und können damit zum Management gehen. Und wirklich handeln! Sie wissen doch: Sie sind HR, Ihnen glaubt kaum ein Hiring Manager. Sie müssen mit harten Daten kommen, die versteht das Management (darum will das ja auch immer ein Reporting von Ihnen). Ein bestechendes Beispiel, welche krassen Maßnahmen eine gezielte (im Sinne von: auf das eigentliche Problem abzielende) Datenerhebung bringt, lieferte ein bekannter Markenklamottenhersteller, der „im letzten Kaff“ seine Zentrale hat und keine Designer fand. Weil die alle in den hippen Metropolen lebten und auch bewusst leben wollten. Um Inspiration für ihre Ideen zu bekommen. Das fand das Management aber erst heraus, als die Designer durch einen externen Dienstleister selber gefragt wurden. Ergebnis: Das Unternehmen eröffnete gegen seine bisherigen Philosophie eine Niederlassung extra für Designer in einer Metropolregion. Das Problem war gelöst. Und haben Sie was gemerkt? Das Problem lag nicht bei den Recruitern (naja, vielleicht taugten die auch nix, aber das hätte in diesem Fall auch nichts geändert).

Dieses Beispiel ist übrigens noch eine Lehrstunde dafür wie wichtig es ist, „sauber“ in den Markt zu gehen! Also nicht 20 Personalvermittler loszujagen und zu warten, was passiert. Sondern einen, der die Zielgruppe sauber anspricht, von ihr Feedback bekommt und dieses weitergibt! Sie können auch einfach „nur“ einen freiberuflichen Researcher damit beauftragen. Das ist günstiger als ein Personalberater und liefert Ihnen das gleiche Ergebnis. Gute Researcher dürfen Sie gerne bei mir nachfragen. Ich kenne genug.

Gut, ich habe Ihnen ein wenig Recruitingphilosophie vermittelt. Jetzt kommen für die echten Personaler die harten Fakten. Und damit übergebe ich an meinen geschätzen Blogger-Kollegen und HR Experten Christoph Athanas und seinen Artikel „HR-Controlling: 20 wichtige Recruitingkennzahlen im Überblick“.

Viel Spaß beim Lesen – und Erfolg beim Umsetzen,

Ihr Henrik Zaborowski