Employer Branding – manche Unternehmen versuchen sich ja durchaus darin. Die einen recht erfolgreich, andere eher weniger. Und manche noch gar nicht. Ist aber auch egal. Employer Branding dient zur Zeit für vieles: Für manche tatsächlich als Unterstützung im Recruiting. Für die meisten aber vor allem als ein weiteres, inhaltsleeres Buzzword, für Agenturen und Berater als eine schöne Einnahmequelle und für Sendungsbewusste als dankbar genommener Oberbegriff, um Aufmerksamkeit in blogartikeln und Vorträgen zu bekommen (wie ich selber gerade beweise). Denn EB ist in aller Munde. Doch wie entscheidend für das Recruiting ist Employer Branding denn wirklich? Das Ergebnis wird Sie vielleicht überraschen.

Employer Branding – entscheidend für den Recruitingerfolg! Oder?

Aus meinem Verständnis soll (externes) Employer Branding dabei helfen, die richtigen neuen Mitarbeiter für einen Arbeitgeber zu gewinnen. Ein Unternehmen, das ein gutes Image als Arbeitgeber hat, wird es im Recruiting deutlich leichter haben. So die Theorie. Folgerung aller Berater: Unternehmen, die aufgrund eines fehlenden Employer Brandings völlig unbekannt sind, bekommen in Zukunft ein Recruitingproblem. Und Unternehmen mit einem offensichtlichen, auf den bekannten Portalen nachlesbaren, richtig schlechtem Arbeitgeberimage …? Was ist mit denen? Die können sich quasi schon begraben. Oder müssen richtig Kohle in die Hand nehmen, um „dagegen an zu imagen“. Ein aus meiner ganz persönlichen Sicht sehr gutes Beispiel für „völlig vorbei am Thema Employer Branding“ ist die Kampagne von Sky. Insbesondere der dafür gedrehte Film. Über das eigentliche Arbeiten bei Sky erfahren Sie im Film quasi gar nichts. Das ist vor allem eine Produktwerbung. Und der war mit Sicherheit nicht billig. Was Sie zwischen den Zeilen lernen ist, dass beim Thema Employer Branding offensichtlich viele Unternehmen bereit sind, sehr viel Geld und Zeit zu investieren. Hauptsache das Ergebnis ist teuer (weil teuer = gut), sieht gut aus und man kann sich selbst auf die Schulter klopfen (und nen Preis gewinnen). Wer diesen Weg scheut, dem bleibt noch die Variante „Prostitution und Täuschungskultur“, wie Stephan Grabmeier es in seinem Artikel „Employees first“ treffend zum Ausdruck gebracht hat. Alternativ sage ich nur „Wir machen jetzt auch Employer Branding“

Aber ich muss abkürzen, sonst verzettel ich mich wieder. Wenn Sie tiefergehende Gedanken statt den oberflächlichen Mainstream lesen wollen , dann empfehle ich Ihnen das Kapitel von Jürgen Sorg in „Einstellungssache: Personalgewinnung mit Frechmut und Können“. Oder Sie verfolgen meine eigenen Gedanken dazu weiter im Artikel „Über Employer Branding Scheinriesen – und was die Zwerge von Schneewittchen wissen wollen„. Und ich mache hier weiter mit dem Beweis, dass

Arbeitgeberimage (fast) keinen Einfluss auf den Recruitingerfolg hat

Warum Beweis? Weil ich im letzten Quartal 2014 als Interim Recruiter für ein sehr bekanntes Unternehmen tätig war, das ein sehr schlechtes Arbeitgeberimage hat. Ob zu Recht oder Unrecht ist hier nicht das Thema. Thema ist: Ich konnte trotzdem 15 IT Spezialisten in drei Monaten einstellen. Was alle überrascht hat. Das gab es schon lange nicht mehr. Wie ich das gemacht habe, schreibe ich in weiteren Artikeln. So viel schon mal vorab: Es war kein Hexenwerk, sondern eher ein weiterer Beweis, dass Recruiting ziemlich banal sein kann.

Für mich (und Sie?) ist es sehr interessant festzustellen, wie die einzelnen Bewerber mit dem Arbeitgeberimage des Unternehmens umgingen. Denn da wird ja in der Öffentlichkeit gerne sehr schwarz/weiß gemalt. Der gesunde Menschenverstand weiß hingegen: Das Leben bietet eine große Vielfalt und darum auch Bewerber,

  • die bei Ansprache durch mich oder Personalberater gleich abgewunken haben. „Unternehmen X? Vergessen Sie es“
  • denen das schlechte Image nicht bekannt war (ja, es gibt auch noch viele Menschen, die kununu nicht kennen!)
  • die vor allem von der Marke und der Erfolgsgeschichte des Unternehmens fasziniert sind und dabei sein wollen.
  • die sich denken „Die, die sich bei kununu auskotzen, sind alles Weicheier. Schlechte Arbeitsbedinungen? Ach was, ich bin ein harter Hund. Das wollen wir doch mal sehen“
  • die wissen dass sie so gut sind, dass sie im Zweifel einfach wieder kündigen und sofort einen neuen Job haben. Das Risiko ist überschaubar, der Reiz es zu Probieren groß.
  • die nach dem ersten Gespräch und der deutlichen Schilderung der Rahmenbedingungen gesagt haben „Vielen Dank für die offenen Worte, dann passen wir wohl nicht zusammen“
  • die nach dem ersten Gespräch und der deutlichen Schilderung der Rahmenbedingungen gesagt haben „Wie geil ist das denn, genau das such ich“
  • die einfach dringend einen Job brauchen. „Arbeitgeberimage? WTF! Ich muss meine Familie versorgen. Ich will arbeiten und nicht meinen Chef heiraten“
  • denen die Arbeitsbedingungen völlig egal sind. Weil die Aufgabe für sie extrem spannend klingt und die Kollegen / Vorgesetzten aus den Fachbereichen den Eindruck machen, eigentlich ziemlich normal (oder sogar nett) zu sein.

Sie sehen, die Menschen ticken sehr unterschiedlich. Natürlich waren einige Absagen aufgrund des Images ärgerlich. Da waren echt sehr gute (potentielle) Bewerber dabei. Aber besser vorher absagen, als hinterher wieder zu kündigen. Natürlich macht es das Recruiting mühsamer. Aber wie Sie sehen, bleiben auch immer noch welche über. Und das war keine B-Ware, das dürfen Sie mir glauben. Eher im Gegenteil. Aber dazu vereinzelt in weiteren Artikeln mehr.

 

Arbeitgeberimage? Es gibt bessere Gründe, um einen Job anzunehmen

Wenn ich die Reaktionen und Gründe von den Bewerbern zusammendampfe, die am Ende das Jobangebot angenommen haben, dann kristallisieren sich vier wesentliche Gründe für die Zusagen heraus. Und die haben nichts mit dem Arbeitgeberimage zu tun.

  1. Die Aufgabe/der Job ist spannend und herausfordernd.
  2. Die Kollegen und Vorgesetzten erwiesen sich in den Vorstellungsgesprächen als fachlich sehr kompetent und menschlich kompatibel zu einem selbst.
  3. Das als „dynamisch“ beschriebene Umfeld mit vielen Veränderungen ist genau das Umfeld, in dem sich diese Bewerber wohlfühlen. (die anderen suchten ein stetigeres Umfeld)
  4. Der zügige und jederzeit faire und verlässliche Umgang miteinander im Recruitingprozess hat den Eindruck hinterlassen, dass hier professionell gearbeitet wird (der moderne Personaler würde sagen: „Das war eine sehr gute Candiate Experience“ …)

Kurz: Das Arbeitgeberimage spielte bei den Bewerbern, die sich erst einmal auf den Prozess eingelassen haben, eine sehr geringe Rolle. Ob zu Recht oder Unrecht ist eine andere Frage. Und natürlich haben wir hier eine große große Baustelle. Denn wir Stephan Grabmeier bei „Employees first“ richtig schreibt, ist ein professionelles, wertschätzendes Verhalten im Recruitingprozess leider kein Beweis dafür, dass im Unternehmen auch mit den Mitarbeitern so umgegangen wird. Auch ich habe das schon bei den „Employer Branding Scheinriesen“ thematisiert.

Ich will Ihnen hier nur zeigen: Es gibt ganz andere Gründe, warum sich ein Bewerber für Ihr Unternehmen entscheidet als das Arbeitgeberimage: Aufgabe, Kollegen/Vorgesetzte, Umfeld und Respekt. Und das, liebe Leser, können Sie deutlich besser, direkter und günstiger beeinflussen als das öffentliche Image Ihres gesamten Unternehmens. Oder?

Also, ran! Und wenn Sie sich inspirieren lassen wollen, wie Sie als Recruiter den Umgang mit Bewerbern weiter verbessern können, dann achten Sie doch in den Sozialen Medien auf blogartikel zum Thema „2015 – das Jahr der Kandidaten. Zu dieser Blogger Challange hat nämlich Jo Dierks von Cyquest aufgerufen und gleich mal toll vorgelegt.

Viel Erfolg für 2015 und herzlichen Gruß,

Ihr Henrik Zaborowski