HR Barcamp 2015

HR Barcamp 2015

Das HR Barcamp 2015 ist leider schon wieder Geschichte. Und doch „für lange Zeit“ lebendig. Denn es lebt weiter in einem jeden von uns, der diesen großartigen Event besucht hat … ok, ist zu pathetisch, geb ich zu. Aber das kennen Sie doch von mir. Aber im Ernst, für alle die nicht dabei waren, gibt es trotzdem Infos. Es lebe das Netz. Und Sie werden merken: Auch innovative Formate bringen reichlich Pragmatismus ans Tageslicht.

HR Barcamp 2015 – zwischen Gegenwart und Vergangenheit

So Formate wie das HR Barcamp haben den immensen Vorteil, von reichlich „netzaffinen“ Menschen besucht zu werden. Die fleißig twittern, posten und bloggen. Da lässt sich über #hrbc2015 bzw. #hrbc15 seeeehr viel nachträglich mitverfolgen und nachlesen. Und Ralf Junge hat mit seinem Team JEDE Session dokumentiert und stellt die Mitschriften hier für alle zur Verfügung. DANKE, Ralf! Die ganz emsigen Teilnehmer, wie Svenja Hofert zum Beispiel, haben schon gleich am ersten Abend eine kleine Zusammenfassung geschrieben. Respekt. Und sie haut nebenbei auch gleich eine starke These raus: Transformation ist die einzige Existenzberechtigung von HR! Naja, wo sie Recht hat … Sie sieht in der Durchführung des Barcamps aber durchaus auch Licht & Schatten. Die Qualität einiger Session gilt es in Zukunft sicherlich nochmal zu steigern / sicherzustellen. Immerhin: Wem es nicht gefällt, wechselt einfach die Session. So einfach ist das.

Was war für mich dabei? Nun, die bestätigte Erkenntnis, dass HR Arbeit „people business“ ist und darum, zumindest im Recruiting, wir keine Standards brauchen, wie Wolfgang Brickwedde gefragt hat. Vielmehr brauchen wir kluge, mitdenkende und mit gesundem Menschenverstand handelnde HR’ler und Fachbereiche. Wunderbar auch die aus der Praxis erworbene Erkenntnis von Judith Oldekop von der Swisscom, dass eine EVP völlig überbewertet wird. Weil wir nie nie nie in einem Unternehmen ein und die selbe Kultur oder eben EVP leben werden. Das ist völlig unrealistisch. Da schlage ich allen jungen, idealistischen HR KollegInnen vor: Vertraut dem aus langjähriger Erfahrung gewonnenem Pragmatismus von so Haudegen wie Marcus Fischer, Bernd Konschak oder eben Judith Oldekop! Die sehen das Thema deutlich entspannter, als einem so manche „Employer Branding“ Agentur vorgaukeln möchte. Die Diskussion über das „interne Employer Branding“ brachte uns u.a. zu der Frage, ob der „Welcome Day“ für Neustarter in vielen Unternehmen nicht eher ein brainwashing ist. Oder eine Chance, wirklich die echte Unternehmenskultur zu verkünden. Die dann im täglichen Arbeiten auch erlebbar wird. Womit wir bei der Bedeutung der Führungskräfte sind. DIE sollten wissen, nach welchen Regel und Wertevorstellungen im Unternehmen gearbeitet und geführt werden soll. Ist das Aufgabe von HR, dieses Wissen weiterzugeben? Ich denke schon. Einer muss es ja machen, wenn nicht direkt das Top Management, wie uns Anne Engelshowe von ihrem Arbeitgeber CareFlex berichtete.

Womit wir beim nächsten Stichwort sind. Top Management. Wir halten fest: Einen Kulturwandel erreicht kein Unternehmen durch die Erarbeitung einer EVP. Sondern wer ist einzig und allein in der Lage, die Unternehmenskultur zu prägen oder zu ändern? Na? Richtig, Sie ahnen es … die Führungskräfte bzw. das Top Management. Und damit waren wir bei einem meiner Lieblingsthemen. Ich halte die Mehrheit der Personaler ja für basisdemokratisch und einfach „nett“, darum kommt von denen auch nie jemand ins Top Management. Und meine Erfahrung (die mir immer wieder bestätigt wird) ist, dass Geschäftsführer, Gründer und Unternehmer in der Regel vieles vieles wollen: Aber mit Sicherheit nicht ihre Mitarbeiter glücklich machen! Dafür hat niemand ein Unternehmen gegründet. Typen wie Götz Werner von dm gibt es halt zu wenig. Die meisten sind gewinnfokussiert. „Damit sichern wir die Arbeitsplätze“ … ja klar, Auge. Und jetzt wurde es richtig spannend. Denn Monika Kraus-Wildegger von GOODplace ist sich ziemlich sicher, dass Unternehmen mit diesen Führungskräften in den nächsten Jahren scheitern werden. Weil sie nicht vorbereitet sind auf die Marktveränderungen durch disruptive Innovationen. Ich bin da wesentlich desillusionierter und behaupte: Die werden noch lange lange überleben, ohne was ändern zu müssen. Weil das Produkt z. B. gut ist, der Markt läuft und – was wir nicht vergessen dürfen – diese Unternehmen haben in der Regel in der Vergangenheit Gewinn ohne Ende eingefahren. Und den nicht ausgegeben. Die kaufen einfach ein innovatives Unternehmen mit besserem Produkt, verleiben sich das Produktwissen ein und gut war es wieder für die nächsten 20 Jahre. Da muss sich doch niemand ändern. Oder reduzieren im Zweifel die Mitarbei … äh Kosten und leben noch so lange, dass die Gründer oder Geschäftsführer gut leben können. Freunde, das juckt das Top Management doch gar nicht, wenn der Laden den Bach runtergeht! Die haben ihre Kohle gemacht. Ich muss aufhören, ich werde sonst noch als sozialistisch abgestempelt. Naja, PR Profi Helge Weinberg war so nett, mir mit seinen Erfahrungswerten zur Seite zu springen. Auch er ist, sagen wir mal, skeptisch. Nun, das wird eine Wette auf die Zukunft. Ich bin gespannt.

HR Barcamp 2015 – zwischen Gegenwart und Zukunft

Auf der Rückreise sprach ich mit zwei Teilnehmern und wir hielten fest: Viele tolle, innovative Gedanken mitgenommen! Aber die wandern jetzt erstmal in die Schublade, denn bis die im Unternehmen umsetzbar sind … da fließt noch viel Wasser die Weser runter und Bremen wird nochmal Meister! Von daher hat das HR Barcamp fast etwas deprimierendes … Nein, hat es natürlich nicht! Es ist einfach inspirirend mit so manchen „Meistern ihres Fachs“ zu sprechen und zu sehen und zu hören, was alles so geht. Im „online advertising“ zum Beispiel, von Volker Seubert angeregt. Was Technik und Expertise aus Google, Facebook & Co. rausholen können, um potentielle Bewerber zu erreichen und den Bewerbungsprozess genau zu verfolgen … RESPEKT! Da können Stepstone & Co. eigentlich einpacken. Dass die Jobbörse mit ihrem fixen Preismodell und unflexiblen Leistungen trotzdem noch so gut leben, ist ein Paradebeispiel für die Gesamtsituation von HR: Vieles ließe sich ändern, es fehlen aber Wissen, Zeit, Wollen (auch vom Top Management) und Ressourcen. Oder wie Bernd es auf den Punkt brachte: Ich kann doch nicht ein bisher funktionierendes (oder „scheinbar funktionierendes“) System wie Jobbörsen canceln und etwas Neues auszuprobieren, von dem ich noch nicht weiß, ob es funktioniert! Das genehmigt kein Management! Was braucht HR also? Spielgeld! Zum Ausprobieren. Aber wo gibt es das, wenn nicht im Keller? Naja, es gibt ja pragmatische Ansätze, die nicht gleich das ganze System auf den Kopf stellen. Stellenanzeigen mit „pay per click“ Modellen. Damit machen wir bei feelgood@work für unsere Kunden sehr gute Erfahrungen. Bewerbungen für den Bruchteil der üblichen Anzeigenkosten. Ohne Mehraufwand. Ach so, und haben Sie sich schon mal die Frage gestellt: Was darf eigentlich eine Bewerbung kosten? Wenn Sie da nen benchmark für uns hätten … wobei, wir arbeiten da gerade an ersten Lösungsansätzen.

Aber Bewerbungen ist nochmal so ein Stichwort. Judith und ich hatten eingeladen. Zur Session „Mitarbeiter als Recruitingbotschafter“. Eins meiner weiteren Lieblingsthema, aber, sorry, das wissen Sie ja längst. Lief auch ganz gut, denke ich. Wir hatten drei Themen: Der Fachbereich als Talent Relationship Manager. Der Fachbereich als Multiplikator. Und der Fachbereich im eigentlichen Auswahlprozess. Die drei Gruppen haben tolle Aspekte, Vorteile und Risiken ausgearbeiten. Vielen Dank nochmal dafür. Fazit war: Ja, der Fachbereich darf viel viel stärker einbezogen werden. Aber es sollte immer ein Zusammenspiel von HR und Fachbereich sein. Ob HR allerdings seine Aufgaben in so starkem Maße abgeben will wie möglich wäre … ich weiß es nicht. Es wäre eine Arbeitserleichterung. Mit der gewonnen Zeit könnte HR sich z. B. weiterbilden. War auch ein Thema beim Barcamp. Wie hält HR sich eigentlich auf dem Laufenden? Das wird ein ewiges Geheimnis bleiben, denn ganz ehrlich: Die auf einem HR Barcamp anwesenenden Personaler sind glaube ich nicht repräsentativ … Aber irgendwann kennt vielleicht auch die Mehrheit von HR die relevanten blogs 🙂

Also, Sie merken schon, es gab viel zu diskutieren. Wie messe ich Recruitingerfolge? Welche tools braucht HR? Wie sollte eine Stellenanzeige aussehen … Aber ich mach jetzt Schluss. Bin bald zu Hause. Und dann ist Wochenende. Genießen Sie es – ich mach das jetzt auch mal. Vorher sage ich aber den beiden Organisatoren Christoph Athanas und Jannis Tsalikis ein ganz DICKES Dankeschön für die Orga vor und während des Barcamps. Ihr ward wieder Spitze!

Ach so, und bleiben Sie dran! In den nächsten Tagen werden mit Sicherheit zahlreiche blogartikel zum HR Barcamp 2015 erscheinen. Einfach mal googlen. Das kennen Sie doch 🙂 Und achten Sie auf den Fight zwischen Martin Gaedt und Tim Oliver Pröhm zur Frage: „Gibt es den Fachkräftemangel nun oder nicht“.

Und (danach ist wirklich Schluß): Gönnen Sie sich einen Absacker mit diesem echt faszinierenden Event/Kampagne von keinem geringeren als dem frechmutigen Jörg Buckmann und seinen „unsichtbaren, kunstvoll inszinierten Talenten“.

Herzlichen Gruß,

Ihr Henrik Zaborowski