Über Karriereplanung habe ich glaube ich noch nie geschrieben! Komisch, oder? Dabei liegen Karriereplanung und Recruiting doch gaaaanz dicht beisammen. Die sind sozusagen „die dicksten Freunde“. Wussten Sie nicht? Na, dann wird es Zeit, ein wenig Lichts ins Dunkel zu bringen. Aber Vorsicht, ist ganz schön schaurig, das „Dunkel“. Vielleicht pfeifen Sie sich ein Liedchen zur Ablenkung? Was heiteres, beschwingtes? „Die Forelle“ von Franz Schubert? Hier in einer Version vom großartigen Dietrich Fischer-Diskau. Ich mach dann in der Zeit schonmal weiter.

Karriereplanung – wie und wo denn bitte?

2015 ist ja das „Jahr der Kandidaten“. Wissen Sie doch noch, oder? Es gab schon eine Menge Beiträge zur blogparade. Hier finden Sie nochmal zur Auffrischung ALLE bisherigen Artikel aufgelistet (ganz unten von Jo’s Artikel). Ich hatte schon ein grobes Thema im Kopf, da erreichte mich eine mail der „Deutsche Universität für Weiterbildung“ mit den Ergebnissen des „2. DUW Monitor Karriereplanung„. Hier gibt es übrigens die Zusammenfassung. Ehrlich gesagt sind Studien nicht so meins (zu viele Zahlen oft mit Erkenntnissen, die „man schon immer geahnt hat“), aber das war/ist der perfekte Aufhänger, um deutlich zu machen, wieso die Karriereplanung einen großen Einfluss auf das Recruiting hat. Und dabei denke ich nicht ans Employer Branding. Das Thema ist viel wendiger. Wie eine Forelle.

Meinen Gedankengang starten muss ich mit dem Fachkräftemangel (er wurde übrigens zuletzt am Hafen gesehen. Gerüchte sagen, er fährt zur See). Im Recruiting suchen wir ja immer die „Fertigen“. Also z. B. einen Softwareentwickler mit „ruby on rails“ Profikenntnissen, einen SAP FI/CO Experten mit vertieften Kenntnissen von mindestens zwei weiteren Modulen oder einen Sales Manager mit mindestens fünf Jahren Erfahrung im Vertrieb von HR Software im Konzernumfeld in den Branchen X, Y & Z (aber nicht mehr). Und weil wir genau solche Profile suchen, ist das Recruiting so schwer. Denn von diesen „fertigen Spezien“ gibt es nicht so viele. Und die haben alle einen Job. Richtig (un)lustig wird es, wenn Fachbereiche Mitarbeiter mit Kompetenzen suchen, die noch relativ neu am Markt sind. Suchen Sie mal einen Mobile Developer mit mehrjähriger Erfahrung in den einschlägigen Technologien. Die gibt es nicht. Weil die „mobilen Technologien“, die heute Standard sind, noch gar nicht so alt sind. Glücklicherweise wissen das die guten Fachbereiche im Mobile-Umfeld (das ist in anderen Fachbereichen aber leider oft nicht der Fall). Weiterbildung im Sinne der Mitarbeiterentwicklung und Karriereplanung der Mitarbeiter könnte diese Lücke schließen. Einfach die Mitarbeiter, die wir haben, in dem fit machen, was wir brauchen.

Da ist also z. B. der Java Entwickler, der sich ganz auf „mobile“ fokussieren und sich die nötigen Kenntnisse aneignen will. In der Regel machen das die Entwickler per „learning by doing“. Die meisten IT’ler (knapp 50%) sind nämlich eher autodidaktisch unterwegs, wie eine Studie von stackoverflow herausgefunden hat. Gero Hesse hat dazu ein kleines Interview veröffentlicht. Warum machen die Entwickler aber eigentlich diesen Schritt? Vielleicht einfach, weil sie Spaß daran haben. Manche machen das aber ganz bewusst für ihre „Karriere“. Denn wenn sie immer am „hottest shit“ der technologischen Entwicklung dran sind, brauchen sie sich über (sehr) gute Jobangebote keine Gedanken machen. Das ist gut für die Nerven, das Portemonaie und den Familienfrieden. Ein Hoch auf die Karriereplanung!

Und jetzt würden wir doch alle sagen: Gute Arbeitgeber unterstützen ihre Mitarbeiter natürlich bei dieser Karriereplanung / Weiterbildung. Um die Fachkräftelücke zu füllen. Oder? Sind Sie ganz sicher, dass die das tun? Oh, das Leben kann so grausam sein. Die Vernunft ist ein launischer Weggefährte. Wie die Forelle (da ist sie wieder) in ihrem rauschenden Bächlein. Haste nicht aufgepasst, schwupps, ist sie weg. Wie sehr würde ich mir wünschen, sie wäre mehr wie die Krähe, dieses wunderliche Tier, das mich nicht verlassen will.

Schauen wir doch mal in den „2. DUW Monitor Karriereplanung“. Der sagt: Jeder 3. Arbeitnehmer fühlt sich von seinem Arbeitgeber nicht unterstützt, wenn es um die Karriereplanung geht.

DUW Infografik

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Überrascht Sie das? Nicht wirklich, oder? Denn seien wir mal ganz ehrlich: Welcher Arbeitgeber hat denn Interesse daran, seine Mitarbeiter zu fördern? Die sollen doch den Job machen, den sie machen. Den können sie gut. Wenn die sich entwickeln wollen, entsteht auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz eine Lücke – und den neuen Job können sie noch nicht so gut, weil sie in den ja erst „reinwachsen“ müssen. Also zwei Nachteile für den Arbeitgeber. Und wo sollen die sich denn alle hin entwickeln? Es kann nicht jeder Führungskraft werden und außerdem – die meisten Unternehmen haben ein grundsolides, teilweise über Jahre bewährtes Geschäftsmodell und Produkte. Da ist nicht viel mit Innovationen. Außer in der R&D Abteilung. Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Berater eines DER ganz großen Softwareanbieter, der wechseln wollte. Weil er immer nur mit alten Technologien zu tun hatte. Denn die Kunden machen auch nicht jede Innovation mit. Da wird der alte Standard gepflegt, bis es nicht mehr geht.

Und Vertrieb bleibt Vertrieb, Controlling Controlling, Marketing Marketing. Ok, bei manchen Aufgaben können Sie jetzt ein „Online“ vorsetzen. ABER entweder wird für dieses „Online“ jemand neu eingestellt oder die bisherigen Stelleninhaber machen das so nebenbei mit. „Ist doch alles kein Hexenwerk, was Zaborowski?! So nen bißchen Online. Sie sind doch auch privat mal auf Facebook, oder? Na also.“

Stellen Sie sich vor, Sie würden jetzt Ihren bisherigen Personalreferententausendsassaaufgabenbereich aufgeben wollen und sich ganz aufs Active Sourcing & Social Recruiting konzentrieren. Und nur noch das machen. Dann müssten Sie ja erstmal nen Training (vielleicht bei Barbara Braehmer?) absolvieren, Bücher lesen, sich vom Zaborowski mal coachen lassen oder zwei Wochen bei den Jungs der grünen3 / BFFT Praktikum machen. Was das kostet!!! Und Ihr Chef muss ja dann auch noch einen Ersatz für Ihren bisherigen Aufgabenbereich finden. WARUM sollte er dann nicht lieber gleich jemanden einstellen, der das schon kann, was Sie machen wollen – und Sie „bewährte Kraft“ auf Ihren alten Job lassen? Na?

(Falls Sie widersprechen möchten … bitte bitte, das dürfen Sie jederzeit in den Kommentaren! Ich habe wahrscheinlich eine etwas einseitig abgewrackte Sicht der Dinge. Sorry. Aber die Welt ist voll von Illusionen, da brauchen Sie hier nicht auch noch Zuckerwatte lesen.)

Da wundert es doch überhaupt nicht, wenn die beliebtesten Maßnahmen, die Arbeitgebern ihren Mitarbeiter zur Weiterbildung bieten, der „Erfahrungsaustausch mit Kollegen“, „interne Weiterbildung“ und „Personalgespräche“ sind. Erstens kosten die kaum was und zweitens wird bei solchen Formaten vor allem Wissen vermittelt, das intern und unternehmenspezifisch ist. Eine echte Weiterbildung für die Karriereplanung wird da kaum dabei sein.

Karriereplanung und das Recruiting

DUW Infografik

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So, und jetzt schlage ich mal die Brücke zum Recruiting. Bevor ich mich hier wieder ganz verliere. Was machen Sie also, wenn Sie intern nicht in Ihrer Karriereplanung gefördert werden? Genau, Sie schauen sich mal auf dem Arbeitsmarkt um. Da soll ja was gehen, aktuell. Und dann suchen Sie nicht Ihren alten Job in Grün, sondern einen, in dem Sie noch was lernen können. Sich eben weiterentwickeln. Aber was müssen Sie feststellen? Ich hatte es oben schon skizziert: Sie denken, da ist Ihr Traumjob. Endlich Active Sourcing machen. Bei Ihrer bisherigen Erfahrung bringen Sie doch allerbeste Grundlagen mit. Und Sie sind ja nicht dämlich. Das erlernen Sie schnell. Wenn Sie nur endlich die Gelegenheit bekommen. Und was passiert? Sie bekommen eine Absage. War doch eigentlich vorauszusehen. Weil Ihr Gegenüber den „perfect match“ sucht. Alles muss 100% passen. Das Unternehmen sucht jemanden, der schon kann, was zu tun ist. Nix „learning by doing“. So jemanden wie Sie hat das Unternehmen schon. Einen, der das nicht kann, was er/sie machen soll … Tja, damit machen die Arbeitgeber aber in Zukunft einen großen Fehler.

Sie wissen ja, ich halte aus eigener (Winter)Reise nichts von gradlinigen Karrieren. Da steh ich lieber wackelig und mit eisigen Finger als Leiermann von den Toren der Stadt. Und das „Brüche die neuen Gerade sind„, habe ich schon vor einiger Zeit behauptet. Der Artikel hat sogar einen Platz im blog des großartig frechmutigen Jörg Buckmann bekommen. Jetzt sind Leiermänner sicherlich keine Vorbilder für das Management und auch Jörg Buckmann mag mal irren … Aber Schützenhilfe für meine Theorie, das häufigere Job- / Arbeitgeberwechsel für beide Seiten gut sind, habe ich vom Zukunftsforscher Sven Gabor Janzky und seinem Buch „Das Recruiting-Dilemma“ bekommen. Eine seiner Thesen: Da gute Mitarbeiter sich immer weiterentwickeln wollen, ein Arbeitgeber aber nicht permanent individuelle nächste Karriereschritte anbieten kann (das liegt einfach in der Natur der Sache), wird der Mitarbeiter (m/w, versteht sich) früher oder später (so 3-5 Jahre) wechseln. Als guter Arbeitgeber helfe ich ihm dabei. Ich vermittel ihn durch mein eigenes Netzwerk in den nächsten spannenden, passenden Job. In der Hoffnung, dass er dann bei passender Gelegenheit wieder zurück kommt. Und seine gemachten Erfahrungen bei mir mit einbringt. Dann haben wir wirklich „Das Jahrzehnt der Kandidaten“ 🙂

Tja, mit diesem Ansatz stehen Janszky und ich mit noch ein paar anderen wohl noch ziemlich allein da. Aber so wird es laufen (hoffentlich). Und wenn Sie als Arbeitgeber das wissen, dann fangen Sie zum eigenen Schutz an, Ihre Mitarbeiter in ihrer Karriereplanung zu unterstützen. Das sehen übrigens auch die befragten Experten im „2. DUW-Monitor Karriereplanung“ so. Denn sonst passiert folgendes: Ihre Mitarbeiter (und damit auch das Unternehmen) verpasst den Anschluss an die Trends und Entwicklungen. Böse Geschichte. Und das Unternehmen gilt in der Community sehr schnell als Arbeitgeber, bei dem man nichts neues mehr lernt und besser gar nicht erst hingehen sollte (also doch noch ein wenig EB hier). Sie schmoren also nur im eigenen Saft mit Mitarbeiter, die sich seit Jahr(zehnt)en nicht mehr weitergebildet haben. Und Sie vermitteln auch niemanden irgendwo hin, der dann wieder zurück kommt. Mit mehr Wissen und Können als vorher. Das dürfte in der heutigen Zeit tödlich werden.

Naja, so schlimm wird es auch nicht. Schauen Sie, Banken und Versicherungen z. B., die haben auch noch jahrzehntealte IT Systeme laufen. Und leben auch noch.

Also, das war ein langer Artikel. Aber nur einer von einer langen blogparaden Reise zum „Jahr der Kandidaten“. Den Wanderstab übergebe ich jetzt „Mr. pm2null“ Henner Knabenreich. Aber was machen wir jetzt mit Ihrer Karriereplanung? Schreiben Sie doch einfach mal, wie das in Ihrem Unternehmen so läuft. Vielleicht können wir daraus ja auch eine blogparade mit der DUW gemeinsam machen? Und ich hoffe natürlich sehr, dass Sie ganz anderer Meinung sind als ich. Das würde die leichte Melancholie der langen Reise lindern. So wie Schuberts „Gute Nacht“. Damit sage ich dann auch mal –

herzlichen Dank fürs Lesen – und bloggen oder kommentieren Sie mit!

Ihr

Henrik Zaborowski

Beiträge zur Blogparade:

Talente bewegen – Karriereplanung im Unternehmen“ (Führungskräfte müssen Karrierecoach werden! Top!)