Bestcruiter? Noch nie gehört? Ging mir auch so. Aber das lässt sich ja ändern, oder? Wenn jemand antritt, Licht in die Untiefen der Personalvermittlerbranche zu bringen, schaue ich mir das gerne genauer an. Ein paar Ansätze dafür gab oder gibt es ja schon. Aber so richtig viel Licht ist dabei noch nicht entstanden. Mal sehen, ob das jetzt besser wird.

Bestcruiter – ein Startup für und über die Personalvermittlerbranche

Letzte Woche telefonierte ich mit Piotr Jakobczyk, dem Gründer von Bestcruiter.com und ließ mir mal das Konzept ein wenig erklären. Seine Idee ist relativ simpel: Er möchte Bestcruiter zum Branchenbuch mit Empfehlungsfunktion der Personalvermittlungsbranche machen. „Empfehlung“? Moment! Kommt Ihnen bekannt vor? Richtig, kennen wir von kununu. Mitarbeiter und Bewerber empfehlen (oder eben auch nicht) ihren Arbeitgeber bzw. die Unternehmen, bei denen sie im Bewerbungsprozess sind/waren. Das Ziel ist es, Außenstehenden einen Einblick zu geben, wie das Unternehmen als Arbeitgeber so ist und tickt. Gleiches möchte Bestcruiter auch machen. Allerdings ausschließlich für die Personalvermittlungsbranche.

Bestcruiter – wie das Modell funktioniert

Die Idee ist simpel. Jeder Personalvermittler der möchte, kann sich bei Bestcruiter kostenlos registrieren und ein Profil einstellen. So wie diese (interessanterweise ausschließlich Herren es bereits gemacht haben).

Bestcruiter

Das Profil gibt dann im Detail Auskunft, in welcher Region der Vermittler arbeitet, in welchen Jobbereichen und Branchen er/sie spezialisiert ist und welche Art von Arbeitsverhältnissen er vermittelt (Fest, Interim, ANÜ etc.)

Bestcruiter Profil

 

Und jetzt kann jeder, der einen Personalvermittler sucht (Kandidaten auf Jobsuche, Unternehmen), über die Suchmaske anhand einiger weniger Parameter den/die passenden Personalvermittler raussuchen, die Empfehlungen anschauen und den Vermittler kontaktieren.

Bestcruiter Suchmaske

So einfach, so gut. Es stellen sich aber noch ein paar Fragen.

Wie funktioniert das mit den Empfehlungen?

Grundsätzlich kann jeder einen Personalvermittler empfehlen / bewerten. Aber ganz so einfach wie bei kununu ist es dann doch nicht. Es gibt im Prinzip zwei Möglichkeiten: Der Vermittler lädt seinen Unternehmenskunden oder seinen Kandidaten per link dazu ein, ihn zu bewerten. Oder ein Kunde oder Kandidat möchte den Vermittler von sich aus bewerten. Dafür muss er Bestcruiter eine mail schicken und nachweisen, dass er mit dem Vermittler wirklich gearbeitet hat. Also z. B. durch den Screenshot einer emailkommunikation mit dem Vermittler. Damit möchte Bestcruiter „Fake-Bewertungen“ vermeiden.

Was auf den ersten Blick umständlich oder als „gut für den Vermittler“ aussieht, ist aus meiner Sicht ein Weg, die Skepsis gegenüber anonymen Bewertungen wie bei kununu zu nehmen. Mein erster Gedanke war: Na toll, Vermittler werden ja logischerweise nur diejenigen um eine Bewertung bitten, von denen sie gute Bewertungen erwarten. Von daher werden auf Bestcruiter tendenziell nur Vermittler mit Top Bewertungen zu finden sind. Denn negative Bewertungen zu schreiben, ist viel umständlicher. Das kommt den Vermittlern natürlich entgegen, keine Frage. Allerdings wirkt Bestcruiters damit dem Hang entgegen, bei Frust aus dem Affekt „mal eben“ eine Bewertung rauszuhauen, die mit etwas Abstand vielleicht doch reflektierter ausgefallen wäre.

Dieser „Bewertungsungleichgewicht“ erklärt sich vielleicht eben genau daraus, dass Bestcruiter eben keine Empfehlungsplattform, sondern ein Branchenbuch mit Empfehlungsfunktion sein will. Konsequent durchgezogen ergibt würde Bestcruiter DIE Quelle für ausschließlich seriös arbeitende Personalvermittler, die auch nach detaillierten Suchkriterien zu finden sind. Wer dort zu finden ist, dem kann ich als Unternehmen oder Kandidat vertrauen.

Bevor ich mir ein abschließendes Fazit erlaube, noch ein paar Worte zu den Vorteilen der unterschiedlichen Zielgruppen.

Bestcruiter und die Vorteile nach Zielgruppen

Zielgruppe Unternehmenskunden:

Wer kennt als Recruiter / Personaler nicht die zig Anrufe jeden Tag von mehr oder weniger bekannten Personalvermittlern/-beratern, die ihre Dienste anbieten möchten. In der Regel werden diese Anfragen abgelehnt. Warum? Man arbeitet meistens schon mit einigen Dienstleistern zusammen und bei den Neuen weiß man ja nie, wie seriös die sind, was die wirklich können und ob sich eine Zusammenarbeit lohnt. Richtig? Richtig! Manchmal probiert man einen neuen Anbieter aus und ist damit zufrieden. Sehr viel häufiger (so bekomme ich das zumindest aus meinen Gesprächen mit) wurde aber dann doch wieder zu viel versprochen und am Ende hatte der Personaler nur mehr Arbeit, aber keinen Nutzen.

Welche Möglichkeit haben Personaler also, wenn sie einen neuen Anbieter ausprobieren möchten? Sie fragen nach Referenzen durch bestehende Kunden. Ich werde z. B. häufiger von Personalvermittlern, mit denen ich während meiner Interimprojekte zusammengearbeitet habe, um eine Referenz gebeten. Diesen Gedanken greift Bestcruiter auf. Einfach nach dem Vermittler auf Bestcruiter suchen, Empfehlungen ansehen und entscheiden. Einfacher geht es nicht.

Und wer als Arbeitgeber proaktiv nach dem richtigen Personalvermittler suchen möchte, kann sich an Anbieter wie persofaktum wenden, oder eben bei Bestcruiter nachschauen. Keine schlechte Sache, finde ich.

Zielgruppe Kandidaten / Jobsucher:

Falls Sie ab und an auf Jobsuche sind oder immer mal wieder in den Business Netzwerken von Vermittlern auf einen Jobwechsel angesprochen werden, kennen Sie das vermutlich. Der Vermittler ist Ihnen unbekannt und Sie fragen sich, „wie seriös ist der Junge / das Mädel? Gebe ich meine Daten einer Krake, die meinen CV ungefragt durchs Internet schickt? Arbeitet er /sie eigentlich mit einem konkreten Mandat?“ Die Lösung: Einfach mal bei Bestcruiter schauen. Oder Sie sind auf Jobsuche und fragen sich, welcher Personalvermittler wohl die passenden Jobs / Kontakte für Sie haben könnte? Einfach die Spezialisierung auswählen, die Sie brauchen und schon haben Sie die richtigen Vermittler an der Hand. Und können sogar die Jobangebote der Vermittler sehen.

Zielgruppe Personalvermittler:

Für Personalvermittler ist Bestcruiter vor allem eine zentrale Plattform, um gefunden zu werden und sich mit guten Bewertungen zu präsentieren. Gerade kleine Agenturen und Einzelpersonen, die noch dazu mangels Budget oder Kompetenz auch in Google Trefferlisten nicht oder unter ferner liefen auftauchen. Bei Google dürfte/sollte Bestcruiter über kurz oder lang weit oben in den Suchergebnissen auftauchen, sollte jemand nach „Personalberater IT Berlin“ oder so suchen. Auch Vermittler, die sich über so manche „schwarze Schafen“ der Branche ärgern und darüber, dass unter dem Gebaren einiger weniger (hoffentlich) das Ansehen der ganzen Branche leidet, müssten sich über Bestcruiter freuen. Die guten können sich hier entsprechend präsentieren.

Der Haken an der Sache liegt in der Zukunft. Angenommen, Bestcruiter läuft so gut, dass es tatsächlich zu der Nr. 1 für die Suche nach Personalvermittlern wird. Dann werden irgendwann die Personalvermittler, die nicht auf Bestcruiter sind, von ihren Kunden gefragt, warum sie dort nicht sind. Oder sie haben Angst, von potentiellen Kunden nicht gefunden und kontaktiert zu werden und registrieren sich deswegen bei Bestcruiter. Dann würde Bestcruiter das gelingen, was mir momentan noch schleierhaft ist: Nämlich Geld zu verdienen.

Bestcruiter – mein Fazit

Alles in allem finde ich die Idee (sehr) gut. Die Plattform ist schlank, der Aufwand gering, der Nutzen dagegen für die meisten groß. Bestcruiter verliert sich nicht in Gimmicks, die keiner braucht oder fummelt mit Extras rum, die Geld bringen sollen, aber deren Sinn niemand wirklich versteht. Von daher ist die Plattform für mich ein schönes, schlankes, faires „Ding“, um die Recruitingwelt ein wenig besser zu machen 😉

Wie immer bei vielen Startups habe ich meine Probleme mit dem Geschäftsmodell. Denn Bestcruiter ist (momentan) für alle Beteiligten kostenlos. Und soll es wohl auch erstmal bleiben. Aber das ist ja das Spiel der meisten digitalen Geschäftsmodelle: Erstmal geht es durch kostenlose Angebote darum, eine relevante Größe und Marktanteile zu erreichen. Wenn das gelungen ist, lässt sich über das Geldverdienen nachdenken. So läuft das Geschäft. Viele Anbieter überleben nicht lange genug. Aber vergessen wir nicht: Einige bekannte Namen am (HR) Markt haben sich inzwischen etabliert / wurden gekauft, ohne vorher nennenswert Geld zu verdienen. Bestcruiter spreche ich allein aufgrund der Idee und der schlanken Umsetzung eine sehr gute Chance zu, so eine Erfolgsstory ebenfalls zu schreiben. Und wünsche dem Gründungsteam ganz viel Erfolg für die Zukunft. Bei deren Online Marketing Erfahrung sollte das machbar sein 😉

Einen ersten Schritt dorthin haben die Gründer Piotr Jakobczyk und Kristin Wolter anscheinend schon gemacht. Sie wurden vom Veranstalter der Rethink! HR Tech Konferenz am 13./14. März eingeladen, über die Herausforderungen des Headhunting-Marktes zu sprechen. Bei dem Thema „Recruiting und Personalberatung“ verweise ich gerne auf meine Folien auf slideshare.

Zum Schluss habe ich mal eben ein kleines „Erklärvideo“ gedreht. Wer sich also einen ersten Eindruck verschaffen möchte, bitteschön:

 

Ich bin gespannt, wie es mit Bestcruiter weitergeht und freue mich über Ihre Kommentare / Meinungen und Ansichten!

Herzlichen Gruß,

Ihr Henrik Zaborowski