Wollen Sie gerne erfolgreich rekrutieren? Endlich mal den Fachbereich glücklich machen? Zumindest bei 85% der offenen Positionen? Dann verrate ich Ihnen heute das Geheimnis erfolgreichen Recruitings. Es sind nur drei Faktoren, nur drei Hebel, aber wenn Sie die betätigen, dann verspreche ich Ihnen, wird Ihr Recruiting auf ein ganz neues und vor allem höheres Niveau gehoben. Letztens schrieb ich „Recruiting ist ne Wurst – die müssen Sie essen“. Ich bekam leichten Widerspruch. Von Lesern, die eher der Personalmarketing/Employer Branding Ecke zuzuordnen sind. Das war denen wohl doch zu banal und nicht intellektuell genug. Und es gab zwei absolute Zustimmungen. Die kamen von zwei Vollblutrecruiter. Witzig, oder? Wenn Sie diese drei Hebel kennen, wissen Sie warum ich Recruiting mit Wurstessen verglichen habe. Also hier kommen die Hebel, die zu 80% für Ihren Recruitingerfolg verantwortlich sind. Halten Sie sich lieber fest, die Wahrheit ist mal wieder grausam …

Wie Sie wirklich, wirklich erfolgreich rekrutieren

Die ersten beiden Hebel, die zu 80% für den Erfolg oder Mißerfolg Ihres Recruitings verantwortlich sind, stelle ich Ihnen in diesem Artikel vor. Hebel Nr. 3 folgt in ein paar Tagen. Sonst würde der Artikel mal wieder viel zu lang werden. Also (Trommelwirbel) die ersten zwei Hebel sind:

Fokus und Ressourcen

Als mein treuer Leser überrascht Sie das nicht wirklich, oder? Hoffe, Sie sind nicht enttäuscht. Wieder mal muss ich sagen: Willkommen im Leben! Es ist so banal, dass es wehtut. Trotzdem habe ich in meinen bald 15 Jahren Recruitingerfahrung nur wenige Unternehmen gesehen, die diese zwei Faktoren ernst nehmen. Dabei sind Unternehmen durchaus in der Lage, diese Hebel in anderen Bereichen einzusetzen (auch nicht immer und überall, aber oft). Im Vertrieb zum Beispiel. Das ist ja auch eine sehr sehr wichtige Funktion, oder? Vertriebsmitarbeiter einstellen und das Marketingbudget erhöhen sind die ersten zwei Maßnahmen, die in allen Unternehmen umgesetzt werden, wenn der Umsatz nicht die gewünschte Höhe hat. Aber wie oft haben Sie das schon mal im Recruiting erlebt? Ich sehr selten. Dabei müsste doch inzwischen auch beim letzten verschlafenen (oder sollte ich „verpeilten“ sagen?) Topmanager angekommen sein, dass Recruiting in Zukunft eine DER zentralen Schlüsselfunktionen für die erfolgreiche Behauptung des Unternehmens am Markt ist.

Gut, lassen wir das. Top Manager lesen wohl kaum meinen blog. Aber Sie! Bei der Gelegenheit: Danke dafür! Das ist echt nett!

Falls Sie auf zwei andere Schlüsselfaktoren spekuliert haben, wie z. B. Candidate Experience, Employer Branding und Mobile Recruiting (oder suchen Sie sich Ihre Lieblingsbuzzwords aus) und jetzt widersprechen möchten …. warten Sie noch. Ich schreibe noch kurz zu Ende – und dann dürfen Sie. Ok? Fangen wir an mit

Recruiting Hebel Nr. 1: Fokus

Wenn Sie Recruiting nebenher betreiben, brauchen Sie sich nicht wundern, dass es nicht läuft.

Weder mit dem Nachbarn noch mit den Bewerbern. Ihr Ehepartner/Freund möchte doch auch nicht eine/r von vielen für Sie sein, oder? Ach so, wenn ich „Recruiting“ schreibe, dann meine ich in einer idealen Welt die Summe aus

  • einem konstanten Active Sourcing
  • die Verbreitung relevanten Contents im Netz über sich als Arbeitgeber
  • zielgruppenspezifischen Stellenanzeigen in relevanten Kanälen (deren Wirksamkeit gemessen wird)
  • einem durchdachten Mitarbeiterempfehlungsprogramm
  • einem schlanken Bewerbungsprozess
  • verfügbaren Ansprechpartnern auf Seite von HR und Fachbereich
  • einem reibungslos laufenden administrativen Prozess hinsichtlich Vertragsgestaltung und –verhandlung
  • und als Krönung noch Kapazität zum Ausprobieren neuer Kanäle.

DAS ist richtiges Recruiting. Und Sie merken hoffentlich: Das ist ganz schön viel. Genau! Das machen Sie eben NICHT nebenbei!

Finden Sie das zuviel? Brauchen Sie eine Ausrede? Lasse ich Ihnen nicht durchgehen. Aber ich komme Ihnen entgegen. Vergessen Sie den Idealzustand. Ich nenne Ihnen zwei Dinge, die für den Anfang völlig reichen:

Das absolute (und bis zu einem gewissen Grad auch völlig ausreichende) Minimum ist ein Recruiter, der Active Sourcing betreibt, sich um die „Kandidaten“ wirklich kümmert und den Fachbereich im Griff hat.

Glauben Sie mir nicht? Na, dann fragen Sie sich doch mal, wie die Personalberater die Stellen besetzen? Indem sie passende Kandidaten identifizieren, ansprechen und durch den Prozess beim Kunden bringen. Ganz „einfach“. Kandidatenkommunikation in ihrer direktesten Art. Die machen für ihre Kunden kein Employer Branding! Und die finden auch dann Kandidaten, wenn der Kunden keine oder eine nichtssagende EVP hat. Und warum findet ein Personalberater gute Kandidaten? Weil er nichts anderes macht! Fokus! Personalberater (oder besser: ihre Researcher) machen den ganzen Tag nichts anderes, als Kandidaten zu suchen, anzusprechen und mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Und weil das ihr Kerngeschäft ist, investieren sie auch entsprechend in unterstützende Tools und Maßnahmen (aber das kommt gleich). Und was machen die Recruiter/HR Business Partner/Personalreferenten in den meisten Unternehmen? Vieles … was mit dem oben von mir definierten Recruiting nichts zu tun hat.

  • Sie führen neben Telefoninterviews auch die persönlichen Interviews mit jedem Kandidaten (anstatt das dem Fachbereich zu überlassen, der das eigentlich viel besser kann, wie ich beim „1. Blind HR Battle“ schon ausgeführt habe)
  • Sie schlagen sich mit Personalvermittlern rum, die ungefragt anonyme „Bewerberprofile“ an die Fachbereiche verschicken, welche die Bewerber dann auch mal sehen wollen.
  • Sie diskutieren mit Managern, die immer noch meinen, eine kurze Station im Lebenslauf des Bewerbers oder 7 Punkte im Abi in Mathe seinen ein Ausschlusskritierium (weswegen es kaum Bewerber in ein Vorstellungsgespräch schaffen).
  • Sie erklären Bewerbern, die ein Vertragsangebot bekommen, die kryptischen Klauseln im Vertrag, die eigentlich nie zur Geltung kommen aber nun halt doch drin stehen und das Angebot und das ganze Unternehmen alles andere als arbeitnehmerfreundlich erscheinen lassen.
  • Sie erstellen Vertragsangebote, obwohl sie wissen, dass der Bewerber ablehnen wird, weil das Angebot 5T Euro unter dem liegt, was er haben will. Der Fachbereich aber meint, „mehr geht nicht“.
  • Und natürlich koordinieren sie Termine für Vorstellungsgespräche, was ein ziemlich mühseliges Unterfangen ist, weil am Gespräch ja sie, der Bewerber, die Führungskraft und ein Mitarbeiter teilnehmen sollen. Und ein freier Termin erst in vier Wochen verfügbar ist.

Das alles hält Sie, liebe Leser, zwar ganz schön auf Trab und lässt sich wichtig und geschäftig aussehen – aber mit dem eigentlichen Recruiting hat das herzlich wenig zu tun. Mein ganz einfacher Tipp: Fokussieren Sie sich! Schaffen Sie das nötige Umfeld für ein aktives Recruiting!

Das ist der erste Schritt für Ihren Erfolg. Und der geht einher mit

Recruiting Schlüssel Nr. 2: Ressourcen

Hihi, ich habe echt überlegt, ob ich dieses Unwort wirklich verwenden will/soll. „Unsere Mitarbeiter sind unsere wichtigste Ressource“ hängt mir zum Hals raus. Dass das nicht stimmt, zeigt genau dieser zweite Punkt. Dem Recruiting der meisten Unternehmen fehlen nämlich ganz einfach die Ressourcen! In Form von Geld/Budget und Menschen. Und da muss ich schlicht und ergreifend sagen: Wie dumm! Aber auch wie alltäglich. Wenn Ihr Recruitingbudget für den Rahmenvertrag mit Ihrer Haus- und Hofjobbörse und den Einsatz von Personalberatern drauf geht – dann ist das zwar traurige Realität in den meisten Personalabteilungen in Deutschland – aber eben auch einer von drei Gründen, warum Ihr Recruiting nicht läuft. Punkt! Und es ist z. B. auch ein Grund, warum sich so wenig Innovationen im Recruitingmarkt durchsetzen. Denn das Geld fließt in die Kanäle, die bisher gut funktioniert haben (oder sollte ich sagen: in Kanäle, die „über Jahre gelernt sind“?) Ob sie heute und in naher Zukunft noch funktionieren, oder ob es nicht bessere Alternativen gibt, tut nichts zur Sache. Diese alten Kanäle leben von ihrem über viele Jahre aufgebautem Marktanteil und Image und neue Player brauchen viel viel Geld und Geduld, um sich über einen Zeitraum von 3-5 Jahren in die Köpfe der Personaler und Bewerber zu bringen und sich Marktanteile zu erkämpfen. Bis dahin kommt die nächste Krise, die Budgets werden gestrichen und die „Alten“ überleben aufgrund ihres finanziellen Polsters.

Aber Budget fehlt auch für das Einstellen neuer Recruitingmitarbeiter. Da Recruiting zu Unrecht nach wie vor als reine Kostenstelle und nicht als Wertschöpfer gesehen wird (anders als z. B. bei BFFT), wird die Mitarbeiterzahl hier konstant klein gehalten. Recruiterstellen werden gerne mit Berufseinsteiger oder in Teilzeit besetzt. Oder der erfahrene Personaler darf ran, der macht dann aber bitteschön auch alles andere als nur Recruiting (kein Fokus). Und dann wird halt weiter mit Personalberatern gearbeitet. Ich kenne kaum ein größeres Unternehmen, das nicht eine Millionen Euro oder mehr im Jahr für Personalberater ausgibt. Auch für Stellen, für die es eigentlich nicht nötig ist, wenn das interne Recruiting vernünftig aufgestellt wäre. Aber der Vorteil von Personalberatern? Die stehen auf keiner Payroll! Die stehen nicht als FTE in Ihrer Personalplanung. Das ist ein durchlaufender Posten. Belastet oft noch nicht mal das HR Budget, sondern das vom Fachbereich. Und das schöne ist, wenn der Recruitingbedarf sinkt, dann setze ich halt keine Personalberater ein und spare Geld. Festangestellte Recruiter werde ich nicht so schnell los. Die drehen dann (gut???) bezahlt Däumchen. Das will natürlich kein Management.

Aber was könnten Sie für eine halbe Million (oder auch 200T Euro) für eine geile Recruitingabteilung aufbauen? Die selber am Markt aktiv ist … und damit langfristig endlich mal Image und Reputation am Markt aufbaut … dann werden Sie auch bekannter … dann kommt endlich auch mal ein Top Kandidat von sich aus auf Sie zu … und gespart haben Sie auch noch …. und Personalberater setzen Sie dann wirklich nur noch gezielt ein …. dann können Sie auch die etwas teureren nehmen, die auch einen vernünftigen Job machen. Ach, die Recruitingwelt könnte so schön sein.

Und wissen Sie, wo sowohl Ressourcen fehlen als auch der Fokus nicht stimmt? Beim Einsatz von Recruitingtechnologien! Ich will gar nicht davon reden, dass z. B. E-Recruitingsoftwareanbieter natürlich sowieso alles versprechen, was sie am Ende nicht halten. Aber dann ist das System implementiert und das dann gleich wieder ablösen…? Da war die ganze Mühe ja umsonst! Und was das wieder an Zeit und Aufwand kostet!! Und ob der neue Anbieter wirklich besser ist? Nein, jetzt bleiben wir dabei! Sollen sich die Recruiter mal nicht so anstellen. Kommt Ihnen bekannt vor? Klar, willkommem im Club!

Also, mal abgesehen davon, dass wir in einer unvollkommenen Welt leben, werden Entscheidungen für oder gegen E-Recruitingsysteme ja nicht immer aus guten (Recruiting)gründen getroffen. Sondern z. B. weil der Vertrieb und das Marketing von Anbieter A einfach besser sind als von Anbieter B (obwohl B das bessere Produkt hat). Oder weil Anbieter C günstiger ist. Oder weil Anbieter D eine Schnittstelle zum HR Stammdatensystem hat. Wodurch der gerade eingestellte Bewerber „haste nicht gesehen“ auch systemseitig zum Mitarbeiter wird (zumindest nach Aussage des Anbieters …). Die Frage, ob die anderen Anbieter nicht auch diese Schnittstelle bauen können (doch, können sie in der Regel gegen einen Aufpreis) oder wie wichtig diese einfache Integration am Ende wirklich ist und ob ein schlankes Bewerbungsformular und die mobil optimierte integrierte Karriereseite beim Anbieter X nicht viel besser zum eigentlich Bedarf passt – diese Fragen werden ignoriert. Sehr schön auch die oft gehörte Erfahrung: Ihr Arbeitgeber sucht ein tool für die Personalentwicklung (oder was auch immer im HR) und natürlich natürlich hat der ausgewählte Anbieter auch ein Recruitingmodul am Start, dass er Ihnen „mal eben“ und für einen „Schnapperpreis“ mit verkauft und installiert. Ach, wie sich das Management da freut. Nur die Recruitingabteilung meistens nicht. Die leben dann entweder mit einem schlechten oder einfach nur schlecht angepassten E-Recruitingsystem und bekommen nach fünf Jahren Stöhnen ein kleines Budget, um nötige Anpassungen von Beratern durchführen zu lassen. DAS kostet.

Robindro Ullah hat gerade zu diesem Thema „Auswahl eines E-Recruitingsystems“ einen interessanten Artikel veröffentlicht „Top 5 Auswahlkriterien für Bewerbermanagementsystems„. Die Reaktionen der Praktiker ließ auf XING nicht lange auf sich warten. Und zeigt, dass die HR Welt doch mächtig komplex ist.

Also, Sie sehen: Fokus und Ressourcen spielen im Recruitingalltag der meisten Unternehmen eine untergeordnete Rolle. Ändern Sie das – und Sie werden Recruiting in seiner pursten Form umsetzen können. Und ein neues Erfolgslevel erreichen. Ich verspreche es Ihnen! Aber um es wirklich perfekt zu machen, müssen Sie noch Recruiting Hebel Nr. 3 betätigen. Aber darüber schreibe ich Ihnen in einem neuen Artikel. Der hier ist eh schon zu lang.

Aber eine letzte Anmerkung noch: Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Es hat Gründe, warum die wenigsten Unternehmen diese beiden Hebel richtig nutzen. Und diese Gründe werden Sie, liebe/r Leser/in (sofern Sie nicht im Top Management sitzen) nicht mal so eben ändern. Schauen Sie sich nochmal den Kommentar von Bernd Konschak an (s.o.). Da sind viele Variablen, die HR nur bedingt beeinflussen kann. Das tut mir wirklich leid für Sie hochmotivierten Personaler/Recruiter. Das ist weiterhin ein hartes Stück Arbeit. Aber ich finde Sie sollten wissen, das es nicht unbedingt an Ihnen liegen muss, wenn das Recruiting nicht läuft. Kann sein, muss aber nicht :-). Wenn sich Ihr Management das nächste Mal also wieder über das schlechte Recruiting beschwert, sagen Sie ihm einen schönen Gruß vom Zaborowski. Der hätte da ein paar Vorschläge ….

Und machen Sie sich klar: Sie sind nicht alleine! Woanders ist es in der Regel auch nicht anders.

Herzlichen Gruß,

Ihr Henrik Zaborowski