Erfolgreiches RecruitingSocial Recruiting ist „the next big thing“ der Arbeitswelt! Es wird über HR hinwegfegen und nichts so lassen, wie es war!! Vor meinem geistigen Auge sehe ich verzweifelte Personaler orientierungslos umher irren. Auf der Suche nach Halt und ihren geliebten Routinen. Und ich sehe noch etwas: Führungskräfte, die sich desorientiert fragen, warum sie sich auf einmal mit Menschen beschäftigen müssen. Da mussten sie doch noch nie! Dafür gab es doch immer HR … Sie glauben mir nicht, oder? Aber ich garantiere es Ihnen! Und ich erkläre es Ihnen auch. Jetzt. Hier.

Social Recruiting ist nicht „noch mehr Recruiting“

Vielleicht glauben Sie, im Zuge des immer enger werdenden Fachkräftmarktes müssen Sie ein wenig „mehr“ machen? Sie schalten also nicht nur eine Anzeige in Ihrer Lieblingsjobbörse, sondern posten die auch auf XING? Oder bauen eine schicke Facebook Seite? Oder starten einen Unternehmensblog? Und setzen endlich mal Ihre hart erarbeitete EVP in Bild und Wort um? Und kommunizieren die? Mit Videomitarbeiterbotschaften? Kurz: Sie machen das, was Ihnen die Experten (und auch ich) empfehlen. Und freuen sich, dass Sie nun nicht mehr nur Recruiting machen, sondern auch das große, schöne Buzzwort „Social Media Recruiting“ für sich verbuchen dürfen. Und denken, das ist alles, was Sie tun müssen. Aber Sie irren sich. Denn Social Media Recruiting ist besser als „post & pray“ aber springt zu kurz. Und ist nur ein kleiner Teil von Social Recruiting.  Auch wenn Ihnen die ganzen Theoretiker, Berater und Agenturen das immer als ein und dasselbe verkaufen wollen. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig, so wie „damals“, als ich 2012 schon zu den Anfängen des Social Media Recruitings auf die Überforderung der Erziehungsberechtigten hinwies.

Kleiner Tip von mir am Rande: Gehen Sie nicht zum Raumausstatter, wenn Sie eine Ameisenplage im Haus haben. Jemand, der die Wohnung „schön macht“ reicht dann nicht. Sie müssen sich erstmal um die Ameisen kümmern!

Und auch wenn ich Ihnen demnächst ein schönes Bespiel wirklich erfolgreichen Social Media Recruitings präsentieren kann (einen kleinen Ausblick gibt es bereits unter „Candidate Experience – leicht & locker„) – Social Recruiting ist viel mehr. Und die einzig mögliche Antwort auf die Herausforderungen des Recruitings der Zukunft. Sie werden wahrscheinlich den Kopf schütteln und sagen: „Zaborowski, was soll sich denn ändern? Recruiting haben wir doch immer schon so gemacht – und aus gutem Grund!“ Aber dass das Internet irgendwann wieder weggeht, das glauben Sie inzwischen nicht mehr, oder? Und genau so wird es Ihnen in ein paar Jahren mit Social Recruiting gehen. Wenn Sie genau hinsehen, können Sie es nämlich schon ganz deutlich erkennen. Und wenn nicht: Ich zeig es Ihnen gleich!

Recruiting – oder: Wir wir uns selbst verarschen!

Fangen wir doch mit dem Witz der Geschichte an: Social Recruiting ist uralt!!! Echtes, funktionierendes Recruiting ist nämlich nichts anderes als Kommunikation und Interaktion. Kluge Köpfe könnten es auch „Beziehungsarbeit“ nennen. Und die gab es schon immer, seit es Menschen gibt. Das Problem ist, dass wir das, was am wenigsten zu automatisieren und standardisieren ist, nämlich die Beziehungsarbeit von Menschen, automatisiert und standardisiert haben. Die Industrialisierung lässt grüßen. Die starke Industrie und ihre Managementmethoden haben es uns vorgemacht. „Tataata! Seht her! So geht Wirtschaft, mit diesen drei Schritten geht es zum Erfolg!“ Und HR hat es nachgemacht. „So muss eine Bewerbung aussehen, das muss ins Anschreiben, 7-10 Sekunden braucht ein guter Personaler für das Sichten von Bewerbungsunterlagen ….“ Abarbeiten, nach Schema F, genormt und standardisiert, so finden wir die perfekt passenden Bewerber heraus. Und wir haben so an dieses „perfekte“ System geglaubt, dass uns gar nicht auffiel, wie schwachsinnig die Sprüche auf unseren Karriereseiten in Kombination dieses Recruitingsystems sind! „Bei uns steht der Mensch im Vordergrund“ und „We hire for attitude and train for skills“! BRÜLLER!!! Ernsthaft? Der Personaler fliegt in 7-10 Sekunden über den auf zwei genormten Seiten Lebenslauf und entdeckt die Persönlichkeit eines Menschen? Im Leben nicht. Und wenn, fliegen die ganzen Persönlichkeiten doch alle vorher schon raus! Denn wir wollen Standards, Fleiß, Disziplin, Loyalität, Gehorsam, ja Unterwürfigkeit in den Bewerbungsunterlagen sehen („Und warum haben Sie sich bei UNS beworben?“. So findet man keine Persönlichkeiten. So nicht. Auch nur supoptimal die mit dem nötigen fachlichen Skills. Aber ich verlier mich mal wieder. Wer sich mit der Schwachsinnigkeit unseres Bewerbungssystems auseinander setzen möchte, den verweise ich auf meine kleine Reihe: „Warum unsere Personalauswahl nichts taugt„. Oder Sie lesen den blogartikel vom Henner Knabenreich, in dem er auf das Buch „Die Auswahl“ (und was bei ihr alles schiefläuft) hinweist.

Recruiting ist Käse – Social Recruiting ist Speck!

Kommen wir zurück zur Industrialisierung und ihren Managementmethoden. Die gerade alle langsam aber sicher gegen die Wand fahren. Weil die Digitalisierung mit ihren disruptiven Innovationen keine Vorhersagen und damit keine Standards mehr möglich macht. Ich empfehle Ihnen dazu u.a. Niels Pfläging. Und wer wissen möchte, warum keiner Innovationen mag (und warum die Automobilindustrie in einigen Jahren ihre Koffer packen kann), dem empfehle ich von Herzen diesen absolut fantastischen Vortrag von Dr. Gunther Dueck bei Daimler. Das werden Ihre best investierten und unterhaltsamsten 70 Minuten seit langem. Dueck sagt übrigens auch: „Nachdenken ist sowas wie chillen“. Also, abends den Wein und Kopf auf und zuhören 🙂

Vieles von dem, was Dueck erzählt, können Sie auch auf die Veränderungen im Recruiting übertragen. Wir wollen Bewerber – aber mit den alten Methoden!!! Wir machen das, was wir schon immer gemacht haben. Nur mit mehr Einsatz! Denn wie heißt es so schön im Management? „Sie müssen sich nur mehr anstrengen, raus aus der Komfortzone, gehen Sie die Extra-Meile“. Blödsinn!!!! (sagt Dueck) Machen Sie was anderes. Die ganzen Fachbereiche und Personaler, die mehr, bessere oder andere Bewerber wollen, die wollen alle Käse. Aber in Zukunft gibt es nur noch Speck!!!! (um das zu verstehen, schauen Sie sich Dueck an. Es lohnt sich wirklich!!!!). Sie laufen auf der Suche nach Käse am Speck vorbei und ignorieren den. Nein, Sie mögen ihn wahrscheinlich nicht einmal. Aber die Zukunft ist Speck! Und der ist lecker!! Also, nehmen Sie den Speck. Er liegt direkt vor Ihnen. Social Recruiting ist Speck. Und glauben Sie mir, privat liebe ich Käse – aber beruflich ist dieser Speck der Hammer! Selten hat das Recruiting so viel Spaß gemacht.

Social Recruiting – also, was ist es wirklich?

Wir Deutschen lieben ja Definitionen. Und Studien. Und Statistiken. Wahrscheinlich, damit wir uns an etwas „genormten“ langhangeln können. An „Beweisen“, wenn der gesunde Menschenverstand zu erschöpft oder verbraucht zum eigenen Denken ist. Also gibt es auch eine Definition von Social Recruiting. Ich zeige Ihnen jetzt mal eine Definition aus Wikipedia, die so ziemlich dem entspricht, was in Deutschland landauf, landab durch die Veranstaltungshallen, blogs und Social Media Gruppen gelallt wird. Wohl wissend, dass es keine einheitliche Definition gibt. Das schreiben die Autoren auf Wikipedia dankenswerterweise selber. Aber trotzdem, nach dem Lesen löschen Sie diese Definition bitte bitte ganz ganz schnell und für immer aus Ihrem Gedächtnis, ok? Bereit? Den Daumen auf dem „Reset“ Knopf? Ok.

„In der Regel wird Social Recruiting als das Verwenden von Daten aus sozialen Netzwerken zur zielgerichteten Platzierung von Werbemaßnahmen durch Arbeitgeber und Personalvermittler bezeichnet.“ (Quelle: Wikipedia)

Ähm … nein! Das ist Social Media Recruiting. (hatte ich schon erwähnt, dass das nicht dasselbe wie Social Recruiting ist? Ja, ich glaube ja). Weiter unten in dem Wikipedia Artikel wird dann noch erwähnt, dass auch Active Sourcing zum Social Recruiting gehört. Richtig, aber auch das ist noch zu kurz gedacht. Sie denken jetzt wahrscheinlich „Zaborowski, jetzt ist gut. Hack nicht immer darauf rum und komm auf den Punkt“! Sie haben Recht. Ich versuche mich mal selber an einer Definition. Für Sie.

Social Recruiting ist die Bereitschaft und Fähigkeit zwei Individuen, sich unabhängig von ihrer vom Kontext zugewiesenen Rolle (z. B. „Arbeitgeber“ und „Bewerber“) und im Bewusstsein der Komplexität des Lebens auf die Prüfung einer sich für beide Seiten lohnenden beruflichen Beziehung einzulassen. Dabei ist der Weg, die Intensität und das letztendliche Ergebnis der Kontaktaufnahme sekundär und in der Praxis auf vielfältige Art und Weise möglich.

Tja, wenn ich so drüber nachdenke, dann können Sie diese Definition auch auf die Anbahnung einer Liebesbeziehungen anwenden. Oder auch einer oberflächlichen Freundschaft. Auf jeden Fall einer wie auch immer gearteten Beziehung. Warum ist das so? Weil es im Recruiting nicht um Formalien, nicht um Wissenschaft, nicht um Standards, nicht um Profit, nicht um „richtig oder falsch“, sondern um Menschen und damit um Beziehungen geht. Und Beziehungen entstehen durch Kommunikation und Interaktion miteinander. Nicht durch Prozesse! Recruiting ist KEIN Prozess! Aber wir haben in den letzten Jahrzehnten alles dafür getan, um einen Prozess draus zu machen und „den Menschen“ und die Interaktion aussen vor zu lassen. Oder was meinen Sie, welchen Sinn es sonst macht, keine Kontaktdaten vom Recruiter in der Stellenanzeige zu veröffentlichen? Oder statt die Führungskräfte der Fachabteilungen nur die Personalreferenten auf der Karriereseite vorzustellen (wenn überhaupt!)? Oder halt Zeugnisse und formalisierte Lebensläufe (Papier = sachlich) zu verlangen (und zu glauben, an Hand denen könnte man die richtigen Personen auswählen)? Und mit dem abstrakten Konstrukt des Arbeitgebers als Unternehmen zu werben (wir sind die tollsten, besten, schönsten ….)? Anstatt mit den Menschen / Führungskräften, für und mit denen gearbeitet werden soll. Dabei kennen wir doch alle diesen richtigen Spruch: „Man verlässt kein Unternehmen, man verlässt eine Führungskraft“. Oder wie Marcus Reif gerade twitterte:

tweet Marcus Reif

Aber bisher gilt im Recruiting: Hauptsache, der Mensch bleibt außen vor. Und das, lieber Leser, wird sich durch Social Recruiting ändern. Und damit wird es aufwändig. Aber was passiert? Da Sie nicht mehr wie hysterisch nach Käse suchen, nehmen Sie auf einmal den Speck wahr, der vor Ihren Augen liegt. Und dieser Speck, das sind alle Bewerber, die Sie bisher so munter aussortiert haben. Weil zu viele Fehler im Anschreiben waren, weil kein echter Bezug zu Ihnen als Arbeitgeber erkennbar war, weil scheinbar die nötigen Fähigkeiten fehlten oder oder oder.

Social Recruiting – das wird sich ändern!

Eigentlich sollten jetzt drei sehr konkrete Praxisbeispiele kommen. Sie waren eigentlich überhaupt der Grund für diesen Artikel. Tja, eigentlich. Denn dann habe ich mich wohl irgendwie … verloren. In Kleinigkeiten. Definitionen und so. Rechthaberei. Ach, jetzt habe ich Ihre ganze Zeit verschwendet. Sorry, das wollte ich nicht. Aber den Artikel löschen? Nein, das bringe ich nicht übers Herz. Da muss ich Sie jetzt wohl vertrösten. Denn wenn ich noch die drei Praxisbeispiele bringe, dann liest den Artikel doch überhaupt keiner mehr. Der ist doch schon viel zu lang. Das verstehen Sie doch, oder?

Dann schreibe ich Ihnen noch kurz, was sich durch Social Recruiting ändern wird. Damit Sie verstehen, warum es Ihre Arbeitswelt auf den Kopf stellen wird:

  1. Unsere alten Auswahlkriterien (Noten, Anschreiben, Lebenslauf, „Mühe geben“ etc.) nützen nichts mehr (haben nie was getaugt, aber egal)
  2. JEDER wird ein Recruiter. Denn jeder Mitarbeiter / Mensch ist in der Lage, Beziehungen aufzubauen. Und aus Beziehungen entstehen Einstellungen. Damit darf HR sich schon mal überlegen, was sie in Zukunft machen wollen.
  3. Führungskräfte sind ihre eigenen Recruiter! Sie müssen einen Namen und ein Netzwerk in ihrer Szene aufbauen, um die nötigen Spezialisten zu bekommen. Anders wird es nicht mehr gehen.
  4. Recruiting wird aufwändiger, ohne zwingend effektiver zu werden. Denn Kommunikation braucht Zeit und Einsatz, aber ein positives Ergebnis kann nicht garantiert werden.
  5. Die Digitalisierung wird den Netzwerk-/Beziehungsaufbau und  die Pflege erheblich vereinfachen. Allerdings müssen sich die Menschen darauf einlassen.

So, wieder ein zu langer Artikel. Aber wissen Sie was? Wir machen das so: Ich verspreche, dass ich Ihnen garantiert die drei Beispiele demnächst nachliefere. Und damit Sie nicht zu traurig sind, schauen Sie sich einfach nochmal meinen Slambeitrag vom Recruiterslam 2015 an. Und wenn Sie aufmerksam hinhören (das können Sie, das weiß ich!!!), dann hören Sie zwischen Zeilen leise zwei Worte wispern …

 

Also, bis zum nächsten Mal! Und viel Spaß mit dem Speck 🙂

Ihr

Henrik Zaborowski