In meinem letzten Artikel „Recruiting ohne alles“ erwähnte ich eine „geheime Zutat„, die maßgeblich für die erfolgreiche Stellenbesetzung der Leitungsposition war. Und die, das kann ich aus 16 Jahren operativer Recruitingarbeit sagen, für ALLE Stellenbesetzung erfolgsentscheidend ist.Wenn Sie einen Hebel suchen, der Ihr Recruiting signifikant erfolgreicher und auch effizienter macht, dann ist es diese „geheime Zutat“. Sie ist, soviel verrate ich jetzt schon, eigentlich gar nicht geheim. Sondern sogar sehr offensichtlich und in jedem Recruitingprojekt enthalten. Interessanterweise kenne ich kaum Unternehmen, die daran arbeiten, dass diese Zutat in der richtigen Dosierung und Qualität vorhanden ist. Wahrscheinlich, weil diese Zutat so individuell und kostbar ist. Wie ist es bei Ihnen?

Einstellung – Mut zur Lücke

Interessanterweise hatte Sebastian Hollmann intuitiv den richtigen Riecher. Kein Wunder, als Organisationsberater und Führungskräftecoach.

geheime Zutat Recruiting

Recruiting ist Einstellungssache! Oder konkreter: Erfolgreiches Recruiting ist eine Frage der persönlichen Einstellung. Liest sich banal, macht die Praxis aber oft unnötig schwer. Ich habe dazu schon einiges geschrieben. Wenn Sie zweifeln und hadern, warum Ihr Recruiting nicht so richtig läuft, schauen Sie unbedingt noch mal in die beiden Artikel zu den größten Hebeln im Recruiting rein. „Garantiert erfolgreiches Recruiting“ und „DER Schlüssel für erfolgreiches Recruiting„. Dieser Artikel jetzt ist eine Ergänzung/Fortsetzung, sicherlich mit Überschneidungen.

Einstellung – zerstört oder ermöglicht alles im Recruiting

Vor ein paar Wochen hatte ich das Vergnügen, bei der Kundenveranstaltung von Meffert Software einen Vortrag zur Entwicklung des Recruitings halten zu dürfen. Die Folien zu dem Vortrag Das Recruiting der Zukunft ist social – und was das für die Personalberatung bedeutet“ finden Sie hier auf slideshare. Meffert Software entwickelt Software speziell für Personalberatungen und integriert permanent neue Tools (wie z. B. Textkernels Search Lösung). Inzwischen gibt es aber mit der Meffert Career Suite auch eine Bewerbermanagementsoftware für Unternehmen.

Auf jeden Fall war es mal wieder nett, Personalberatern gegenüber zu stehen und mit Ihnen über technologische Entwicklungen der Branche zu sprechen. Und zu sehen, dass viele noch ganz „old school“ mit Anzeigen und Telefonident unterwegs- und erfolgreich sind. Über den Sinn kann man sicherlich streiten – erfolgreich sind sie aber trotzdem. Wenn, ja, wenn der liebe Kunde nicht wäre. Oder sollte ich sagen: Die Einstellung des Kunden! Jeder Personalberater (und auch viele Recruiter, keine Frage) kann Ihnen abendfüllend Geschichten zum Haareraufen erzählen. Über zerschossene Projekte, weil der Kunden „zu dämlich“ war.

Eine Beraterin erzählte von einem Kunden, der zwei Jahre lang vergeblich versucht hat, eine bestimmte Stelle zu besetzen. Sie schaffte es dann, drei Kandidaten zu präsentieren, von denen einer eigentlich auch perfekt passte. Da waren sich alle Beteiligten einig. Nur leider war der Manager persönlich beleidigt (so formuliere ich es jetzt mal), dass der Kandidat einen vom Manager bevorzugten Interviewtermin nicht wahrnehmen konnte / wollte. Und lehnte deswegen ein Vertragsangebot ab. Die Stelle ist bis heute nicht besetzt.

Sicherlich ein Extrembeispiel. Andere Fachbereiche (und Personaler) lassen es erst gar nicht so weit kommen und schmeißen die Bewerber schon vorher aus seltsamen Gründen aus dem Prozess. Die meisten dieser Gründe sind banal und entspringen Unwissen, Glauben, Vermutungen oder persönlichen Befindlichkeiten. Kleiner Nebenverweis: Auch wenn es in diesem Artikel nicht um Personalauswahl geht, möchte ich Ihnen ganz ganz herzlich diesen Vortrag von Prof. Dr. Kanning ans Herz legen. Rouven Schäfer war so nett, mich nach meinem letzten Artikel „Personalauswahl mit Intelligenz – oder eben auch nicht“ auf ihn hinzuweisen. Es ist ein Traum, wie Dr. Kanning ganz entspannt unsere gängige Personalauswahlpraxis zerlegt. Und wissenschaftlich belegt, was ich als Feldwaldundwiesenberater aus meiner praktischen Erfahrung behaupte. Am Ende in der Fragenrunde geht Kanning auch darauf ein, wie er denn vorgehen würde. Schauen Sie rein, es lohnt sich.

Einstellung – einfach mal sich nicht so wichtig nehmen

Und jetzt erzähle ich Ihnen, warum ich relativ schnell und mit wenig Aufwand die Stelle des IT Leiters bei meinem Kunden besetzen konnte. Das Finden potentieller Kandidaten war hier nicht das Problem. Problematisch wird es immer nach dem Finden. Dann wird es nämlich richtig menschlich. Nicht umsonst behaupten viele Personalberater, ihr Honorar ist Schmerzensgeld. Und das Schwierigste sei das Erwartungsmanagement des Kunden.

Ich habe nur die eine Hälfte der Arbeit gemacht. Der Rest lag bei den beiden Parteien Unternehmen/Bewerber. Und da kann ALLES passieren. Und auch in diesem Projekt gab es ein paar Momente, die das ganze Projekt hätten boykottieren können.

  • Ich hatte den Auftrag bekommen, da trudelte ein paar Tage später eine mail vom Personalleiter rein. Sie hätten noch mal über das Anforderungsprofil gesprochen. Der Kandidat müsse ein Informatikstudium haben. Liest sich vernünftig, oder? IT Leiter = Informatikstudium. Wenn Sie als Recruiter noch unerfahren sind oder das Fachthema der Position nicht kennen, hätten Sie hier jetzt ein hartes Auswahlkriterium. Aber leider ein falsches! Die wenigsten IT Leiter haben ein Informatikstudium! Brauchen sie auch nicht. Genau das schrieb ich auch dem Kunden. Und „ignorierte“ diese Anweisung. Meine Minimalanforderung war ein Studium (was aber auch nicht zwingend nötig ist). Hätte ich auf den Kunden gehört, es wäre eine mühsamere Suche geworden. Der Knackpunkt war jetzt aber: „Hört“ der Kunde auf mich? Oder bleibt er bei seiner Vorgabe? Ersteres war glücklicherweise der Fall. Wer sich einen Experten holt, um eine Aufgabe zu erledigen (hier: ein auf IT spezialisierter Recruiter), der sollte dann auch auf den Experten hören, oder? Passiert nur leider auch nicht immer.
    Ich kenne aber auch Recruiter, die erkennen nicht, wenn eine Anforderung vom Fachbereich Quatsch ist. Und suchen dann nach Profilen, die es womöglich gar nicht oder kaum gibt, während sie an den passenden Kandidaten vorbeilaufen. Oder der Recruiter kommuniziert zwar seine Bedenken, der Fachbereich bleibt aber bei seiner Meinung. Das ist ein wesentlicher Grund, warum Projekte zu Dauerläufern werden. Aber das ist keine Frage von Können, sondern das ist eine Einstellungssache! Mehr dazu noch weiter unten.
  • Mit dem einen Bewerber traf ich mich in Düsseldorf. Wir hatten vorher telefoniert, ich durfte ihm das Unternehmen noch nicht nennen und das Gehalt lag auch unter dem, was er zuletzt hatte. Keine perfekte Voraussetzung. Er kam ganz leger im Pulli und meinte in etwa zu mir: „Herr Zaborowski, ganz ehrlich, wir sitzen hier, weil wir so ein nettes und offenes Telefonat geführt haben. Die Position ist grundsätzlich nicht uninteressant, aber haut mich auch noch nicht vom Hocker“. Aber er war da! Das zählte. Denn nur, wenn Sie sich auf etwas einlassen und prüfen, was Sie noch nicht genau einschätzen können, können Sie später auch eine vernünftige Entscheidung treffen. Nach dem Gespräch war er deutlich interessierter.
  • Dieser Bewerber wurde dann zum Gespräch eingeladen. Die beiden Unternehmensvertreter saßen im Anzug und Krawatte da, ich im Anzug ohne Krawatte (und dem 2. Hemdknopf offen, wie ich später feststellte) – und der Bewerber kam im Pulli. Ich zuckte innerlich zusammen. Musste das sein? Und er machte auch einen ganz entspannten Eindruck. Nicht den, „ich will diesen Job haben“ Eindruck, den Unternehmensvertreter doch immer von den Bewerbern erwarten. Psychologisch nicht optimal. Der Personalleiter stellte dann auch später offen die Frage in den Raum: „Zaborowski, will der den Job überhaupt?“. Ich kenne genug Personaler und Hiring Manager, die hier den Prozess beendet hätten. Zwar völlig zu Unrecht, denn Motivation hat nichts damit zu tun, ob jemand den Job kann. Motivation können Sie durch ergänzende Informationen wecken. Fehlende Fähigkeiten nicht. Trotzdem ist dieses „der ist nicht hochmotiviert, den will ich nicht“ eine Standardreaktion. Bei diesem Kunden nicht. Und dafür bin ich ihm sehr dankbar 😉
  • Dieser Bewerber saß dann also nicht nur etwas sehr entspannt im Gespräch, er traute sich auch was. Etwas sehr wichtiges und kluges, aber auch etwas, was nach Hinten losgehen kann (war ihm ja egal, er war ja entspannt ;-)). Er stellte Fragen zu der Position. Und zwar kritische! Er sagte etwa „Also, ich muss doch nochmal nachfragen. Wieso ist (ein konkretes Problem in der IT) eigentlich so? Das kann doch eigentlich nicht sein. Da muss es doch noch andere Gründe für geben, die Sie mir nicht nennen oder die Sie nicht kennen.“ Er sprach einen aus seiner Sicht offensichtlichen Fehler / ein Versäumnis des Managements glasklar an. Und bohrte auch nochmal nach. Und trat damit dem Management auf diese Füße! Und zeigte Versagen auf. Etwas, was niemand gerne hört, oder? Erst recht nicht von einem gelangweilten Bewerber! Aber was tat er damit auch? Er legte den Finger in die richtige Wunde. Und zeigte damit, dass er aufgrund seiner Erfahrung ein sehr gutes Gespür oder Wissen hat, warum etwas wie läuft. Und zeigte damit auch, dass er das tieferliegende Problem direkt erkannt hat und dem entsprechend auch schnell angehen würde. Und damit qualifizierte er sich natürlich als Top Kandidat für die Position. Mir war das völlig klar! Den Unternehmensvertretern auch. Alles was sie tun mussten war, sich nicht angegriffen zu fühlen. Und dafür waren sie reflektiert genug. Danke! Denn auch das kenne ich ganz ganz anders. Der Bewerber war mit den offenen Antworten übrigens sehr zufrieden – und auf einmal hochmotiviert! Sie sehen: Motivation ist eine Frage der Zeit und der Informationen. Erwarten Sie also kein hochmotiviertes Anschreiben, wenn Sie nur eine dröge Stellenanzeige als erste Info bieten …
  • Ein letzter Punkt: Wir hatten vier Bewerber zum ersten Gespräch. Am Ende blieben aber nur zwei über, weil zwei von den viern von sich aus absagten. Was passiert normalerweise in so einem Fall? „Lieber Recruiter, ich kann doch so eine wichtige Position nicht nur aus zwei Kandidaten besetzen! Ich brauche nochmal mindestens zwei für eine weitere Auswahl!“ Ein Klassiker! Der das Projekt weiter verzögert und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass einer der ersten Kandidaten wieder abspringt. So dreht sich die Spirale immer weiter. Ich nenne das Entscheidungsunfähigkeit. Leider relativ weit verbreitet, man sollte es nicht meinen. Hier aber nicht: Wir hatten zwei Top Bewerber in der zweiten Runde, warum sollte es nicht einer davon werden? Genau! Und so geschah es am Ende auch.

Ich muss zum Ende kommen. Ich wette, diese Beispiele kennen Sie alle aus eigener Erfahrung. Wenn diese Momente eintreten und Sie haben einen Fachbereich, der bei seinen persönlichen Befindlichkeiten bleibt – dann können Sie sich als Recruiter dumm und dämlich arbeiten! Da bewegen Sie nicht viel. Da können Sie Ihren Job so gut machen wie Sie wollen. Wenn die beiden anderen Parteien, Fachbereich und Bewerber, nicht mitspielen, machen Sie nichts mehr. Sie müssen mitspielen, dann funktioniert es auch. Das konnte ich auch in meinen ersten erfolgreichen Interim Projekt eindrucksvoll erfahren („Skandal – Führungskraft schlägt HR„).

Einstellung – manches offenbart sich erst mit der Zeit

Zum Schluss ein letztes Beispiel um Ihnen zu zeigen: Sie sind nicht allein auf der Welt mit schwierigen Fachbereichen! Es geht fast allen Recruitern so. Und was können Sie dann tun?

Ich hatte ein Projekt, in dem ich IT Spezialisten sourcen sollte. Es ging darum, „Indianer“ zu finden, die weiter „Indianer“ sein sollten – nur bei einem anderen Stamm, sozusagen. Und diese Indianer waren/sind am Markt heiß begehrt. Ich hatte ein ausführliches Briefing, ich wusste genau, was gesucht wird weil ich solche Profile schon häufig gesucht habe – und legte los. Es war mühsam, wie erwartet. Aber es ging. Ich bekam einen Spezialisten nach dem anderen zu einem Telefonat mit mir. Und zu einer „Bewerbung“. Wir beide waren uns einig, dass es passt. HR fand das auch. Nur der Fachbereich nicht. Es hagelte eine Absage nach der nächsten. Mit den aus meiner Sicht gruseligsten Begründungen. Da waren Sie wieder, meine drei Probleme: Glaube, Vermutungen, persönliches Befindlichkeiten. So sah ich das zumindest. Ich sah mir das eine Weile an, dann wurde ich sehr deutlich und bat um ein Gespräch mit dem Fachbereich. Wir führten dieses Gespräch offen und klar, aber auch professionell. Ich konnte ihn nicht umstimmen. Aber ich verstand etwas, was ich vorher nicht wusste: Seine Geschäfts- und damit auch Recruitingphilosophie. Die Kandidaten, die ich präsentierte, waren fachlich alle geeignet. Aber der Manager hatte noch ganz andere Anforderungen, die er nur nicht klar kommunizierte. Und die mit der eigentliche Eignung für den Job auch gar nichts zu tun hatten! Aber für die Eignung in seinem Bereich, in seinen Projekten – zumindest aus seiner Sicht. Und da war sie wieder, die persönliche Einstellung! Die nicht kommuniziert wird, sondern häufig eben schmerzhaft erlebt werden muss. Erst als ich das verstanden, ihm die Konsequenzen vor Augen gemalt und mir sein „go“ geholt hatte, konnte ich wirklich effizient arbeiten. Das machte den Job nicht leichter, aber jetzt hatte ich seine Erwartungen gemanaged. Was deutlich besser ist, als sich mit unausgesprochenen und falschen Schuldzuweisungen aneinander abzuarbeiten.

 

Sie haben demnächst ein paar Tage frei. Gönnen Sie sich die Zeit, um sich den Vortrag oben von Dr. Kanning anzusehen. Und lassen Sie mich zusammenfassen:

Hinterfragen Sie Ihre Glaubensüberzeugungen und die vom Fachbereich (was ein Bewerber zu tun hat, wie er/sie zu sein hat) regelmässig. Viele Überzeugungen stimmen nicht. Die Welt ist bunt, nicht schwarz/weiß. Wer Ihnen etwas anderes erzählt, hat keine Ahnung. Oder ist ein Populist. Hinterfragen Sie sich immer mal wieder. Das muss ich auch. Manchmal gelingt es mir, manchmal nicht. Wir sollten standhaft Blödsinn offen anzusprechen. Aber nicht zu stolz sein, eigene Fehler einzugestehen. Etwas mehr Demut würde unserer Welt gut tun. Lassen Sie uns beide doch damit anfangen. Schließlich ist bald Weihnachten.

Weihnachten ist der Moment, wo der allmächtige Gott so niedrig und klein wurde, um als uneheliches Flüchtlingskind in einem Stall zur Welt zu kommen. Um uns zu begegnen. Die Botschaft aber, die dieses Kind brachte, war und ist mächtig und stark:

„Denn ein Kind ist geboren, der künftige König ist uns geschenkt! Und das sind die Ehrennamen, die ihm gegeben werden: umsichtiger Herrscher, mächtiger Held, ewiger Vater, Friedensfürst. Seine Macht wird weit reichen und dauerhafter Frieden wird einkehren. Er wird auf dem Thron Davids regieren und seine Herrschaft wird für immer Bestand haben, weil er sich an die Rechtsordnungen Gottes hält. Der HERR, der Herrscher der Welt, hat es so beschlossen und wird es tun.“ (Jesaja 9, 5-7)

Freuen Sie sich an Weihnachten. Vielleicht auch mit diesem wunderbaren Stück des großartigen Hanjo Gäbler.

 

In diesem Sinne – eine gesegnete Weihnachtszeit, alles Gute für 2017 – und wir lesen uns dann im neuen Jahr wieder!

Herzlichen Gruß,

Ihr Henrik Zaborowski