Chatbots in Stellenanzeigen? Tja, das ist doch mal was, oder? Chatbots auf Karriereseiten gibt es ja schon ein paar. Da kann man doch auch gleich das Anschreiben abschaffen. Sage ich ja schon lange. Henkel jetzt auch. Zumindest offiziell. Die Praxis muss man sich dann nochmal genauer anschauen. Was ist los in der deutschen Recruitingwelt? Wir werden es sehen. Und Sie können auch gerne mitdiskutieren 😉 So, wie am Wochenende schon viele andere.

Chatbots im Recruiting

Chatbots? Das sind doch diese kleinen possierlichen Tierchen, mit diesen komischen Fühler auf dem Kopf, oder? Richtig. Die laufen aber hinter dem Bildschirm. Nach außen sieht es dann z. B. so aus wie bei Siroop, dem Vorzeige Startup aus der Schweiz.

Chatbot Siroop

Wozu gibt es Chatbots überhaupt? Das ist eine berechtigte Frage. Böse Zungen (wie ich) behaupten, weil Chatbots den Unternehmen die schicke Möglichkeit geben, weiterhin nicht mit den Bewerbern zu reden („ruf mich nicht an“), sondern die lästige Kommunikation jetzt über einen funky Chatbot abzufackeln und damit auch noch als fortschrittlich und „candidate experience zentriert“ zu gelten. Diese Behauptung ist natürlich sehr böse und auch ein wenig einseitig. Ich weiß, dass Judith Oldekop von Siroop gerne mit Bewerbern telefoniert. Hatte gerade eine Facebook Konversation mit ihr dazu (mehr dazu weiter unten). Chatbots werden auf Karriereseiten gerne dazu genutzt, den Besuchern Antworten zu geben, die früher (naja, bei fast allen Unternehmen auch heute noch / oder eben auch gar nicht) als normaler Text auf der Seite standen.

Chatbots in Stellenanzeigen

Henner Knabenreich hatte gerade vor kurzem schon ein paar Einblicke in die grundsätzliche Entwicklung bzw. den Status Quo von Chatbots im Recruiting gegeben. Aber jetzt habe ich das große Vergnügen, von Chatbots direkt in Stellenanzeigen zu berichten. Entwickelt von recruitingbot.de, dahinter steckt Mark Rüdesheim, der Macher von Stellenpakete.de. Hier mal ein paar Sreenshots von der Stellenanzeige mit integriertem Chatbot.

Stellenanzeige Chatbots

Nach Klick auf den roten „Jetzt per Chat bewerben“ öffnet sich das erste Fenster, in das der Bewerber etwas eintippen kann.

Stellenanzeige Chatbot

Und dann gehen die Fragen los. Acht Stück ingesamt. Die Fragen sind ganz individuell vom Unternehmen wählbar. Natürlich alles auch mobil optimiert. Am Ende bestätigt der Bewerber noch die Datenschutzbestimmung und das war es. Dann ist das Unternehmen am Zug. Und macht hoffentlich was draus. Probieren Sie es hier doch gleich mal selber aus. Macht Spaß und wenn es sinnvolle Fragen sind, macht es auch Sinn 😉

Chatbots in Stellenanzeigen – wozu eigentlich?

Wozu kann so ein Chatbot in Stellenanzeigen nun gut sein?

Direkt in einer Stellenanzeige macht das, anders als auf einer Karriereseite, m. E. großen Sinn. Folgende Überlegungen:

  1. Grund: Viele Unternehmen haben immer noch gruselige Bewerbermangagementsysteme, bei denen der Bewerber sich erst aufwändig registrieren muss (mit Passwort) und/oder dann diverse Formulare ausfüllen muss. Schlimmstenfalls noch nicht mal mobil optimiert. Ich mache nochmal kurz darauf aufmerksam, dass im Durchschnitt 50% der Bewerbungsaktionen, in den der Bewerber sich registrieren muss, abgebrochen werden! Ob Sie sich das noch leisten können, weiß ich nicht. Oder der Bewerber darf/muss sich per email mit allen Unterlagen bewerben. Was aber, wenn er mobil surft und die Unterlagen nicht zur Hand hat? Dann vergißt er das Thema schnell wieder. Mit dem Chatbot wird genau das verhindert, denn der Bewerber/Interessent kann sofort und in kurzer Zeit ohne große Vorbereitungen die wesentlichen Infos übermitteln: Name, Kontaktdaten und die Antworten auf die konkreten Fragen. Größter Vorteil: Das Unternehmen „hat schonmal was“ vom Bewerber! Und sieht dann entweder direkt aus den Antworten, ob es den Bewerber weiter kennenlernen will. Oder der Recruiter schaut halt mal das Profil bei XING/Linkedin an. Und kann dann direkt auf den Bewerber zugehen. Klar, da habe ich noch kein CV, keine Zeugnisse, kein Anschreiben … aber brauche ich m. E. auch nicht. Im Gegenteil. Das bringt uns zu den möglichen Zielgruppen dieser Chatbot Stellenanzeige.
  2. Zielgruppe: Ich würde diese Funktion auf keinen Fall für Stellen einsetzen, bei denen Sie mit vielen Bewerbungen rechnen und z. B. Zeugnisnoten oder lückenlose Werdegang als Auswahlkritieren heranziehen wollen (warum auch immer). Aber definitiv für Spezialistenstellen oder Positionen, in denen ich die wesentlichen Qualifikationen mit wenigen Fragen abklären kann – und formelle Kriterien eher zweitrangig sind. Dazu gehören für mich alle IT Spezialisten, aber auch Berufe in der Pflege oder in allgemeinen Dienstleistungs- (Servicekraft, Call Center) oder Vertriebspositionen. Also überall, wo Sie sich über einen Bewerber bzw. Bewerberin „mehr“ freuen.
  3. Einsatzmöglichkeiten: Sie können die „Chatbot Stellenanzeige“ unterschiedlich verwenden. Einmal schalten Sie eine ganz normale Anzeige in den klassischen Jobbörsen und wenn jemand auf „jetzt bewerben“ klickt, landet er auf der „Chatbot Stellenanzeige“ und beantwortet die Fragen. Sie können aber auch die Chatbot Stellenanzeige direkt nehmen und z. B. über Facebook oder Google Ads bewerben lassen. Vermutlich geht das auch bei Indeed? Dann sparen Sie sich die Kosten für die Standardanzeige. Wir haben die Sozialen Netzwerke ja z. B. bei BearingPoint genutzt, um Interessenten auf die eigens gebaute Microsite zu lenken, wo sie sich dann über eine schlanke Möglichkeit bewerben können. Jetzt haben Sie keine ganze Microsite, sondern „nur“ eine Stellenanzeige. Ist hinsichtlich der Informationen limitierter, aber einfacher und bei sparsamen Gebrauch vermutlich auch günstiger, als eine ganze Microsite zu bauen 😉

Das waren zumindest meine spontanen Idee dazu, nachdem Mark mir die Stellenanzeige das erste Mal gezeigt hat. Alles andere müssen Sie ihn selbst fragen, ich bin nur der Überbringer der guten Nachricht, nicht sein Vertriebsmitarbeiter 😉

Henkel schafft das Anschreiben ab

Jetzt denkt so mancher Personaler vermutlich (meine Leser natürlich nicht ;.)) „Ähm, wie jetzt? Bewerbung ohne Anschreiben, CV und Zeugnisse? Das geht ja mal gar nicht.“ Doch, geht. Sage ich schon lange. Ob nun in „Der Lebenslauf als Star, ist das denn wahr?“ oder als ich 2013 schon eine Grabrede für die Bewerbungsshow schrieb. Jetzt habe ich mich sehr gefreut, als niemand geringeres als der Weltkonzern Henkel auf BusinessInsider.de verkündetet, dass er die Anschreiben abschafft. Das wird in erster Linie vor allem schöne PR sein, aber ich will hier gar nichts unterstellen. Denn der Grund, den Henkel für die Abschaffung angibt, ist so bestechend logisch und klar, dass ich nur wieder auf meinen Artikel zur Beerdigung der Bewerbungsshow verweisen kann, um zu erklären, warum noch niemand darauf gekommen ist. Achtung, hier die Erklärung:

Dahinter steckt eine überzeugende Strategie: Henkel hat sich auf die Fahne geschrieben, auf Bewerbungen sehr schnell zu reagieren. Das heißt, sie greifen zum Hörer, sobald sie einen interessanten Lebenslauf erhalten.

„In der Regel bekommt man durch einen persönlichen Kontakt mehr Informationen als durch ein Anschreiben“, erklärt Kieven. So wird auch schnell deutlich, mit was für einem Menschen man es zu tun hat. In dem telefonischen Erstgespräch wird dem Kandidaten die Stelle noch einmal erklärt und ihm werden eventuell Fragen gestellt, die in seiner Bewerbung nicht beantwortet wurden.

Hossa, darauf Champagner! Diese Erkenntnis war doch gar nicht so schwer, oder?

Endlich hat HR erkannt: „Da stecken tatsächlich Menschen hinter einer Bewerbung und direkte Kommunikation kann Mißverständnisse verhindern und Unklarheiten beseitigen.“ Vielleicht bin ich doch intelligenter als ich immer denke, dass ich da schon vor Jahren von selbst drauf gekommen bin? Ich freue mich wirklich wirklich für Henkel und hoffe sehr, dass HR diese Entscheidung auch in die Niederungen der Fachabteilungen gelebt bekommt. Da habe ich so meine Zweifel … „Wo ist denn hier das Anschreiben?“ 😉

Beim Anschreiben scheiden sich die Geister

Bei aller meiner Freude musste ich aber auch feststellen, dass von mir definitiv geschätzte HR’ler doch großen Wert auf das Anschreiben legen. Es entwickelte sich nämlich großes Interesse und eine kleine Diskussion auf Facebook. Über 95 likes, 18 mal geteilt und so viele Kommentare hatte ich als „Nicht-Facebooker“ noch nie. Der Artikel bzw. das Thema scheint echt einen Nerv zu treffen. Wenn Sie Lust haben, mitzudiskutieren, nur zu. Ich selber werde aber nicht auf alles reagieren. Ich muss ja auch noch mal arbeiten. So wie Sie.

So, inzwischen ist der Artikel wieder lang geworden. Aber auch mit bunten Bildern. Enden möchte ich mit zwei Dingen. Einmal einem wunderbaren Kompliment, das ich die Tage über XING von einer Personalerin bekommen habe, die vor zwei Jahren (?) in meinem spontanen Workshop bei den Social Recruiting Days in Berlin dabei war. Sie schrieb mir (etwas gekürzt):

Hallo Herr Zaborowski,

auch wenn es schon eine ganze Ecke her ist, aber nochmal herzlichen Dank für die ersten SRD. Sie haben mich als Recruiter umdenken lassen. Heute hatte ich den ersten Bewerber zu einem Gespräch, der auf dem Papier überhaupt nicht passt! (Anmerkung von HZ: Sie hat den Arbeitgeber gewechselt und durfte das nun endlich) Ich habe aber an Ihre Worte gedacht und ihm eine Chance gegeben, weil ich mir dachte „vielleicht ergibt alles einen Sinn wenn er sich vorstellt“. Ich würde zwar nicht behaupten, dass er mein Top-Kandidat ist, aber wahrscheinlich kommt er in die engere Auswahl.

Hätte ich damals nicht an Ihren Workshop teilgenommen, wäre ich heute vermutlich eine der arroganten Recruiter die Menschen nur nach dem Papier bewerten.(Hervorhebung durch HZ)

Sie sehen also, es funktioniert 😉 Und wenn Sie immer noch unsicher sind, ob der Zaborowski nicht einfach nur ein wirrer Typ ist, der sich nicht anpassen kann und will und einfach nur gegen den „Bewerbungs Status Quo“ ohne vernünftige Argumente ist … dann schauen Sie in meinen Vortrag bei dem HR Innovation Day 2017 rein. Die meisten Zuschauer sagen: Es lohnt sich.

Also, ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche! Ohne Anschreiben, dafür mit Chatbots 🙂

Herzlichen Gruß,

Ihr Henrik Zaborowski