Es gibt viele gute Gründe für den Einsatz von Active Sourcing im Recruiting. Ein paar sind offensichtlich. Aber es gibt einen Anwendungsfall, der aus meiner Sicht alles schlägt. Und bei dem Sourcing richtig richtig Spaß macht. Das komische ist: Er war mir bisher gar nicht sooo bewusst. Mal schauen, wie es Ihnen geht.

Häufigster Grund fürs Active Sourcing

Sie kennen diese Situation: Sie haben eine SpezialistInnenposition zu besetzen und bekommen wie erwartet nicht genug Bewerbungen über die Stellenanzeige. Gleichzeitig wissen Sie, dass diese SpezialistInnen so gefragt sind, dass sie von Ihnen direkt angesprochen werden müssen, damit Sie überhaupt jemanden bekommen. In meiner Vorstellung sind das die Menschen, die wöchentlich 10+ Nachrichten mit Jobangeboten bekommen und ich als Sourcer muss es irgendwie schaffen, dass sie meine Nachricht lesen und darauf reagieren. Aus diesem Denken heraus habe ich ja auch meinen Onlinekurs „Erfolgreiche Kandidatenansprache im Active Sourcing“ erstellt. Klar definierte, enge Zielgruppe, die es nicht mehr nötig hat, sich aktiv zu bewerben. Das ist m. E. DER klassische Anwendungsfall für Active Sourcing.

ABER: Es gibt noch einen anderen Fall, bei dem das Problem nicht der Mangel an bestimmten SpezialistInnen ist – sondern die Unmöglichkeit gezielter Kommunikation durch Stellenanzeigen. Ich erkläre mal, was ich meine.

Gezielte Kommunikation durch Sourcing

In meinem letzten Blogartikel schrieb ich darüber, dass Active Sourcing ungefragte Kommunikation ist und daher ihre Tücken hat. Erst Recht, wenn SpezialistInnen mit Standardtexten für unpassende Jobs angeschrieben werden. Das werde ich hier nicht nochmal ausführen. Sondern jetzt die positive Seite des Sourcing herausstellen.
Es gibt nämlich Jobs, die sind schwer in Worte zu fassen. Oft sind das keine klar definierten Spezialistenjobs, sondern Jobs, deren Titel ganz unterschiedlich besetzt sind. Nehmen wir mal die „Assistenz der GF“. Hier kann der/die Absolvent/in der Eliteuni gemeint sein, der/die zwei Jahre lang für den Vorstand Strategieprojekte bearbeitet, um anschließend intern in eine Führungsposition zu wechseln. Oder eben die Assistenz im Sinne des Sekretariats, der/die Termine koordiniert, Telefonanrufe entgegennimmt und den Büroalltag des Managements organisiert. Oder der „Kundenberater (m/w)“. Ist das jemand, der/die Kundenanfragen entgegennimmt und die Kunden fachlich berät? Oder der/die vor allem im Außendienst als Verkäufer draussen ist und beratend verkaufen soll? Oder der Titel „Projektmanager (m/w)“. Auch hier gibt es teils große, teils kleine Unterschiede, die erklärungsbedürftig sind. Oder die Jobtitel „Berater“ oder „Analyst“. Da können Sie sich gleich die Kugel geben, das kann alles sein.
Neben diesen Allerweltstiteljobs gibt es dann noch Jobs, die eher Allrounderjobs oder Schnittstellenjobs sind. Ich erlebe das häufig in der IT in Großunternehmen. Da gibt es hunderte von IT Systemen, viele davon Individualentwicklungen oder Nischenprodukte, die aber von jemanden betreut und weiterentwickelt werden müssen. In der Regel gilt: Egal wer neu auf diesen Job kommt, er/sie muss sich intensiv in diese Systeme einarbeiten und das Spezialwissen nach und nach über die Erfahrung aneignen. Das lässt sich ja auch alles super in der Stellenanzeige darlegen. Die Frage ist jetzt aber: Wie lautet der Stellentitel? Unter Berücksichtigung der Auffindbarkeit in Jobbörsen, verbunden mit dem Wunsch, dass diese Anzeige von meiner Zielgruppe auch wirklich gelesen wird?
Wenn ich schreibe „Anwendungsbetreuer Individualentwicklung der Software, die blaue Bälle aus dem Bällebad sortiert“, dann wird das kaum jemanden ansprechen. Denn die meisten haben noch nie mit so einer SW gearbeitet und denken daher, sie können den Job nicht und lesen daher auch nicht weiter (abgesehen davon würde niemand nach so einem Titel suchen). Wenn ich einfach nur schreibe „Anwendungsbetreuer“, findet sich die Anzeige gleich im Meer von hundert Anwendungsbetreueranzeigen wieder und der/die Leser/in denkt „Ja, wofür denn? So ein Scheiß, da lese ich nicht weiter“.
Wir haben also ein glasklares Kommunikationsproblem bei Stellenanzeigen! Und die Lösung liegt sehr häufig nicht darin, die selbe Anzeige einfach immer wieder zu schalten. Sondern mich zu fragen, ob ich diesen Job über einen Stellenanzeige in einer Jobbörse überhaupt kommunizieren kann!  Ein super Beispiel für dieses Szenario hatte ich in einem Sourcingprojekt. Gesucht wurde ein „Berater (m/w) Gastronomiesysteme“. Jetzt denken Sie vermutlich sofort an Menschen, die bei einem Anbieter von IT Systemen für die Gastronomie arbeiten. Oder die bei einem Dienstleister / einer IT Beratung arbeiten, die solche Systeme implementiert. Das ist auch richtig. Das wäre auch das Idealprofil. Solche Menschen gibt es auch, aber natürlich nicht wie Sand am Meer.
Es gab aber noch eine zweite Lösung: Jemand, der IT-affin ist und Bock auf Gastronomie hat! Idealerweise schon in der Gastronomie als Servicekraft oder so gearbeitet hat und daher die Herausforderungen von der Fachseite / der Bedienerseite her kennt. Die gesuchten grundlegenden Fähigkeiten waren: gute Kommunikation, IT-Affinität, gute Organisation, präsentationssicher – und Bock auf die Gastronomie. Der Rest kommt mit der Zeit. Mit diesem Anforderungsprofil haben Sie die Anzahl der infragekommenden Personen natürlich sofort vervielfacht. ABER: Würde so jemand in den Jobbörsen nach einem Job als „Berater Gastronomiesysteme“ suchen? Sehr unwahrscheinlich, oder?
Und hier kommt Active Sourcing ins Spiel. Denn im Sourcing können Sie super nach Profilen suchen, die „irgendwas“ mit IT gemacht haben und schonmal in der Gastronomie tätig waren, z. B. als Nebenjob. Und diese Menschen können Sie jetzt anschreiben und ihnen erklären, dass es hier um einen Job geht, für den sie noch nie vorher als IT Berater in der Gastronomie gearbeitet haben müssen, sondern in den sie sich einarbeiten können.  So kam ich z. B. mit einem Berater in Kontakt, der in der Zeiterfassungsbranche tätig war, aber in seiner Freizeit Jäger war. Und wie sich herausstellte nicht nur Jäger, er hatte vor seinem aktuellen Job lange Zeit eine eigene Fleischerei inkl. Gastronomie. Das passte perfekt. Oder den Wirtschaftsinformatiker mit zwei Jahren Erfahrung in einer ganz anderen Branche, der aber als Student gekellnert hatte. Und sich nebenbei auch noch um die IT des Restaurants gekümmert hat. Würden sich diese Menschen (aus ganz anderen Branchen) auf eine Stelle als „Berater Gastronomiesysteme“ bewerben? Eher selten. Aber wenn ich als Sourcer sie gezielt anspreche und ihnen den Job und die Anforderungen erkläre, dann sagen sie sehr wahrscheinlich „Ach so, na dann. Das klingt wirklich interessant“.

Active Sourcing nicht nur für den Härtefall

Wenn Ihr Fachbereich / Hiring Manager also demnächst mit einer offenen Position zu Ihnen kommt und sagt, „eigentlich muss der/die Neue nur X können, den Rest müssen wir ihm/ihr eh beibringen“, dann tüfteln Sie nicht wochenlang an der Formulierung der Stellenanzeige und dem Titel rum, damit der Job auch irgendwie von der Zielgruppe gefunden werden kann. Sondern nutzen Sie Active Sourcing und sprechen Sie gezielt die Menschen an, die den Job vermutlich können. Active Sourcing ist nicht immer nur die Lösung für die Suche nach der/die SpezialistIn. Sondern kann auch bei ganz „normalen“ Jobs weiterhelfen ;-). Probieren Sie es doch mal aus.
Viel Spaß und herzlichen Gruß,
Ihr Henrik Zaborowski