Ganz kurz: Ich war überwältigt, wie mein Artikel über die Brüche als neue Geraden durch die HR Netzgemeinde gewandert ist. Vielen Dank an dieser Stelle für alle Empfehlungen und RTs (vor allem auch auf Twitter).

Es gab auch etliche Feedback auf anderen Kanälen, meistens kürzere. Eine ziemlich lange, inhaltlich komplexe Rückmeldung über Xing möchte ich Ihnen (nach Absprache mit der Autorin anonym) nicht vorenthalten. Ich darf vielleicht soviel sagen, dass die Autorin Absolventin eines anspruchsvollen Studiums an einer durchaus angesehenen Uni ist.

„Hallo Herr Zaborowski,
gestern habe ich zufällig passend Ihren interessanten Beitrag über die fehlgeleitete Personalwirtschaft gelesen. In einer Situation, in der man an einem Punkt angekommen ist und nur noch frustriert mit dem Kopf schüttelt, kann ich es mir in diesem Fall nicht verkneifen dieser Diskussion etwas beizutragen.
Mit Ihrer Meinung sprechen Sie, aber auch Thomas Sattelberger und Benedikt Herles in ihren jeweiligen Beiträgen in der Ausgabe des Handelsblatt vom vergangenen Wochenende, mir und nicht wenigen KommilitonInnen aus der Seele. In diesem Sinne möchte ich mich bereits im Voraus bedanken für jene Worte, die uns wieder ein wenig Mut zusprechen, dass noch nicht jegliche Hoffnung verloren scheint.

Besonders interessant scheint die Problematik der von Sattelberger angesprochenen „außerordentlich stereotypen Selektionskultur“, die ein Hindernis für die zukünftige Wirtschaft Deutschlands darstellt, da dies zu einem homogenen Management führen kann und Innovationen leichter unterdrückt werden. Der daraus resultierende Irrsinn zeigt sich laut Sattelberger darin, „dass überehrgeizige Eltern, die alles tun, damit ihre Kinder im richtigen Stadtteil auf private Schulen kommen, und ihnen dann eine elitäre Business-School finanzieren“.

Ein wichtiger Aspekt scheint in der derzeitigen Diskussion jedoch oftmals vergessen zu werden. Die vorherrschende Personalmentalität und deren absurden Anforderungen geben einem normalen (ich möchte keinesfalls sagen durchschnittlichen) Menschen, der beispielsweise auf dem Land groß geworden ist, die dort einzige örtliche Schule besucht hat und aufgrund finanzieller Gegebenheiten seinen Abschluss nicht an einer Business-School, sondern nur an einer öffentlichen Universität ohne großen Namen absolviert hat, im Grunde kaum eine Chance. Das sind Menschen, die ihren eigenen Weg gehen durften und deren Eltern ihnen die Freiheit gelassen haben sich selbst zu entfalten, Erfahrungen mit Hilfe des Lebens zu sammeln und ein eigenes Profil zu entwickeln. Menschen, die sich nicht in ein vorgegebenes Schema pressen lassen.

Ein nicht minder großes Problem für die zukünftige (Personal)Entwicklung der deutschen Wirtschaft stellt meines Erachtens auch das Bildungssystem selbst dar. Hier wird man mit Formeln und Theorien überhäuft, die mit der Realität kaum verknüpft werden können, ein Bezug zur Praxis besteht kaum und das Auswendiglernen von überdimensionalen Foliensätzen dient einzig und allein dem Erreichen der geforderten Leistungspunkte. Vor diesem Hintergrund erscheint es kaum mehr verwunderlich, dass eine vorherrschende Meinung besteht, Studenten einer Business-School würden eine bessere Ausbildung genießen, und dass dies inzwischen zu einem ausschließenden Kriterium in der Personalauswahl geworden ist.

Diese sogenannte elitäre Ausbildung besteht in meinen Augen jedoch insbesondere auf Basis weitreichender finanzieller Mittel und der daraus entstehenden Netzwerke, die dem oben genannten normalen Menschen meist verwehrt bleiben. Damit möchte ich keinesfalls aussagen, dass ein Student an einer Business-School nichts leistet, sondern vielmehr dass Studenten namensloser Universitäten eben auch sehr viel leisten, manchmal sogar ein wenig mehr leisten müssen, um ihre Ziele zu erreichen, und dabei auch mindestens genauso intelligent sind. Und dennoch wird hier sehr stark differenziert. Beinahe ein wenig aufbauend erscheint es hier, dass Sattelberger sich im weiteren Verlauf des Interviews dafür ausspricht, dass an Business-Schools auch nur wenig Sinnvolles gelehrt wird.

Abschließen möchte ich das Ganze, womit im Grunde auch alles beginnt: das Abitur. Dieses ist inzwischen zu einem Kriterium geworden, mit dem ein komplettes Leben steht oder fällt. Uns wurde damals gesagt, das Abitur brauchen wir nur, um an der Universität studieren zu dürfen. Heute erfahren wir, das Abitur brauchen wir, um überhaupt die Chance auf ein wenig Karriere haben zu dürfen. Dass Abiturnoten, die sich in meinem Fall auf einen Zeitraum von vor 7-9 Jahren beziehen, eine realistische Auskunft über Persönlichkeit und Interessen von heute geben können, bezweifle ich stark. Hier bin ich auch schon sehr gespannt auf Ihren angekündigten Beitrag (Abitur)Noten betreffend.

Manchmal, wenn man gerade mal wieder eine weitere Absage erhalten hat, lässt man sich für einen kurzen Moment von der Voreingenommenheit der Personalmaschinerie verunsichern. Man macht sich Gedanken, ob es damals nicht vielleicht doch besser gewesen wäre, sich nicht gegen die Methoden so mancher Lehrer aufgelehnt zu haben, um stattdessen stur und fleißig sehr gute Noten zu erstreben. Man ärgert sich, dass einem die elitäre Ausbildung verwehrt geblieben ist und dass nicht bereits in der Grundschule entsprechende Vorkehrungen für die im Kindergarten entschiedene Karriere festgelegt wurden.
Und dennoch, ich bin stolz darauf, was ich aus eigener Kraft erreicht habe. Der Weg, den ich gegangen bin, hat aus mir gemacht, wer ich heute bin. Hätte ich die Wahl, ich würde es ganz genauso wieder machen. Diesen Weg werde ich auch weitergehen und bin mir sicher auf diesem meine Ziele zu erreichen. Trotz schlechtem Abitur und einer fehlenden elitären Ausbildung.

Vielen Dank und beste Grüße,“

Also, ich freue mich gerne auf weitere Kommentare – ansonsten bis zum nächsten Artikel zum Thema „Noten als Auswahlinstrument“. Ich hoffe, ich komme bald dazu.

Beste Grüße – Ihr Henrik Zaborowski