Komisch, dass über die klassischen, uralten HR Themen so viel geschrieben wird. Und es so viele Beratungen gibt, die mir helfen wollen, die richtigen Mitarbeiter noch besser zu finden und auszuwählen, meine HR Prozesse zu optimieren oder die Mitarbeitermotivation zu steigern. Und die Nachfrage so hoch ist. Die Personalwirtschaft hat den „Kompass HR Beratung 2012“ herausgebracht (http://www.personalwirtschaft.de/media/Personalwirtschaft_neu_161209/Startseite/PDFs/Kompass-HR-Beratung-2012-offen.pdf).
Sehr interessant zu lesen, was hoch im Kurs steht: Die Optimierung der Prozesse mittels IT-Systeme und die Entwicklung von Talent Management Programmen zur Bindung und Förderung der Mitarbeiter. Dort wird viel gemacht. Hoher Bedarf besteht auch bei dem Thema Leadership und Managementkompetenz. Aber hier wird deutlich weniger umgesetzt. Ich glaube ich weiß, woran das liegt. Aber das ist ein Thema für einen anderen blog.
Für alles gibt es also angeblich eine Lösung. Stimmt das? Bleiben wir doch mal exemplarisch beim Recruiting. Die Sachlage ist einfach: Es gibt eine klar umschriebene Stelle (mit einem mehr oder weniger eindeutigen Anforderungsprofil), es gibt einen Bewerbermarkt, der heute besser erreicht werden kann als jemals zuvor und es gibt in diesem Bewerbermarkt immer eine Anzahl X an Menschen, die konkret einen neuen Job suchen oder zumindest offen sind, sich mal darüber Gedanken zu machen. Da sollte doch immer etwas gehen. Trotzdem läuft anscheinend so viel schief. Warum?
Weil der Erfolg im Recruiting, anders als in den meisten anderen Fachbereichen, vor allem von Menschen und dem Zufall bestimmt wird. Und damit steht die größte Fehlerquelle (der Mensch) auf dem wackeligsten Fundament (dem Zufall) – und das macht das Recruiting kompliziert.
Sie sehen das anders? Sie denken, dass vor allem ein sauberer Prozess den Recruitingerfolg sichert? Der kann viel bewirken, das ist richtig. Auch Geld, ein gutes Image oder ein toller Standort können hilfreich sein. Aber wer bestimmt denn den Prozess und beeinflusst ihn in die eine oder andere Richtung? Wer entscheidet über die Höhe des Recruitingbudgets, über das Gehalt der offenen Stelle und den Standort? Wer prägt das Image? Der Mensch. Womit wir wieder bei der größten Fehlerquelle sind.
Alle Beratungen und Dienstleister haben ihre Berechtigung. Sie alle können helfen, ohne Frage.
Aber wenn Sie Ihr Recruiting wirklich optimieren wollen, dann müssen Sie viel früher und viel individueller ansetzen: Bei den beteiligten Menschen, ihrem „Recruiting-Weltbild“ und ihrer Interaktion. Denn die meisten Fehler werden von den Menschen verursacht. Viele unbewusst, manche mutwillig. Fehler aus Unwissenheit, individueller Prägung und Weltanschauung, Erfahrungen aus der Vergangenheit, Gedankenlosigkeit, Unternehmenskultur und –politik, Ignoranz, Überheblichkeit, Geiz, Unachtsamkeit, Naivität – und sicher auch aufgrund schlechter Prozesse.
Wenn Sie Ihr Recruiting optimieren wollen, müssen Sie sich eigentlich „nur“ mit zwei Begriffen befassen: Entscheidung und Kommunikation. Der Rest ist Zufall – und den haben Sie eh nicht in der Hand. Aber wenn Sie richtig entscheiden und richtig kommunizieren (und das immer wieder interaktiv während des Prozesses), dann ist es das Gesetz der Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ihre offene Stelle besetzen.
Liest sich einfach? Ist es aber nicht, wie die Praxis zeigt. Denn Entscheidungen im Recruiting unterliegen immer einer hohen Unsicherheit. Weil wir das (un)bewusst wissen, entscheiden wir hier so ungern. Und das Kommunikation nicht einfach ist, naja, das haben wir alle schon im Kindergarten kapiert.
Es geht aber trotzdem. Natürlich. Sie müssen an die Menschen ran. Nicht umsonst finden wir die Recruitingabteilung im HR. Ob sie da hingehört, das ist ein Thema für einen anderen Artikel.