Social Media Recruiting – eine Skepsis darüber wurde nn meinen bisherigen Beiträgen bereits deutlich. Das hat aber weniger mit den eigentlichen Instrumenten zu tun, sondern mit der Tatsache, dass wir „Erziehungsberechtigen“ noch nicht bereit dafür sind. Und das müssen wir ändern.
Um es klar zu sagen: SMR ist ein Trend unserer Zeit, der bleiben wird und dessen Kanäle und Instrumente wir einsetzen müssen. Aber die Instrumente entscheiden nicht über meinen Recruitingerfolg. Sie sind nichts anderes als eine weiterentwickelte Kommunikationsform. Was sich ändern muss, ist das Verständnis von Recruiting in den Köpfen aller Beteiligten.
Social Media Recruiting – ein Schritt zurück
Im Grunde hat SMR das Recruiting mehr zurückgeworfen als vorangebracht. Denn es kam zu früh. Wir haben die Wehen für ein neues Recruitingverständnis nicht ausgehalten. Wir haben nicht noch liebevoll „das Nest“ gebaut, das Kinderzimmer tapeziert, uns nicht auf unsere Elternrolle vorbereitet und unseren bisherigen Lebensstil überdacht. Stattdessen haben wir zur schnellen Lösung, dem Kaiserschnitt, gegriffen. Und raus kam nicht das Baby „modernes Recruitingverständnis“, sondern das Baby „SMR“, das in einer noch nicht bereiten Welt nun unter seinen noch nicht bereiten Eltern leidet. Aber aufwachsen wird es, das ist keine Frage.
Wie konnte es dazu kommen? Nun, das eine waren die technologischen Entwicklungen, die SMR möglich gemacht haben. Entscheidend aber waren die handelnden Personen, die alles weitere vorangetrieben haben. Und der fruchtbare Boden des Arbeitsmarktes. Denn schon während meines Studiums, Mitte/Ende der 90ziger, gab es den Begriff des „War for Talents“. Bis der Neue Markt zusammenbrach und der 11. September kam. Der Rest ist Geschichte. In Umfragen gaben Studenten damals an, sie suchten vor allem einen sicheren Arbeitsplatz. Dann kam der Aufschwung, die Arbeitnehmer wurden wieder selbstbewusster, stellten Forderungen – bis die Bankenkrise und schließlich die Automobilkrise kamen. Alle wurden wieder still. Nur Visionäre nahmen noch den Begriff „Demographischen Wandel“ in den Mund. Dann begann die deutsche Wirtschaft wieder zu brummen und der „War for Talents“ und der Demographische Wandel manifestierten sich salonfähig – und wurden das Schreckgespenst jedes Recruiters. Jetzt waren wir eigentlich auf einem guten Weg. Noch ein paar Jahre ohne große Krise, und wir hätten gemerkt, dass unser über Jahrzehnte etabliertes Recruitingsystem nicht funktioniert. Nicht funktionieren kann. Aber dann kam SMR. Und warf uns um Jahre zurück.
Social Medida Recruiting – überforderte Akteure
Wieso zurückgeworfen? Es läuft doch alles! SMR ist in aller Munde! Ja, richtig, aber bedeutet das irgendwas? Schauen wir doch mal genauer hin. Was erleben wir jetzt gerade? Wir erleben zwei eigentlich gleiche, aber doch extrem unterschiedliche Berufsgruppen, die Gruppe der Personaler und insbesondere Recruiter, die schon immer mehr um Anerkennung gekämpft als sie tatsächlich erhalten haben. Nicht umsonst gibt es seit Jahren die Diskussion um HR als Business Partner. Eine umfassende Ausführung dazu gibt es unter anderem hier.
Die eine Gruppe besteht aus denen, die sich nicht an das Baby SMR herantrauen. Weil es einfach noch zu viel „shitstorm“ produziert, unberechenbar scheint und auch keine „management attention“ hat. Sie warten darauf, dass sich alles etwas abkühlt und das Baby irgendwann erwachsen und umgänglich ist. Sie bekommen keine Anerkennung ihrer Arbeit, haben sich aber damit abgefunden oder hatten noch nie den Anspruch, anerkannt zu werden. Und ihrem Management ist es offensichtlich egal, was hinter diesem „SMR“ steckt.
Die andere Gruppe besteht aus den mutigen, innovativen, um Anerkennung kämpfenden Personalern. Diese erheben das kleine Baby SMR zum Retter ihres Berufsstandes und behandeln es auch so: Hoch gelobt, mit Aufmerksamkeit überschüttet, ohne Reflektion, was es kann und bewirkt. Denn jetzt haben sie die Lösung aller ihrer Recruitingprobleme in der Hand. Endlich haben sie wieder alle Hände voll zu tun um zu twittern, die Facebook Fanpage zu bauen, wichtige blogs und Artikel zu schreiben und für den Vorstand Richtlinien für den Umgang mit Sozialen Netzwerk zu erarbeiten. Sie treffen sich auf eigens eingerichteten Kongressen und in Foren/blogs, bestätigen sich gegenseitig mit immer den gleichen Erfolgsbeispielen und tollen, aber nichtssagenden Zahlenwerken. Interessant ist auch, dass diese Personen weniger aus der operativen Recruitingecke kommen, sondern eher aus dem Personalmarketing oder der Kommunikation. Endlich haben sie das Gefühl, sie könnten wirklich was bewegen, wirklich am Recruitingerfolg ihres Unternehmens Anteil haben. Aber anstatt dass SMR ihnen die Arbeit erleichtert, wird der Druck im Gegenteil noch höher. Denn angeblich ist es jetzt ja nur noch eine Frage der richtigen Anwendung der Social Media Tools, um an die richtigen Bewerber zu kommen. Armer Recruiter. Armer Personaler. Blicken sie doch seit Jahren mit fragendem Blick zur Hand, die sie füttert: „Werden ich und meine Leistung anerkannt? Werde ich gemocht und akzeptiert?“ Ihr vermeintlicher Retter verschafft ihnen zwar wieder etwas Luft zur Rechtfertigung ihrer Tätigkeit, hilft ihnen aber nicht wirklich weiter.
Und das aktuelle Ergebnis ist das, was Henner Knabenreich in seinem blog Personalmarketing2null plastisch beschreibt. Fake Follower, „dabeisein“ weil andere auch dabei sind, Zugriff auf Facebook & Co. nur für spezielle Mitarbeiter, sinnlose Gewinnspiele, ein Management, das Steine in den Weg legt. Am Ende kommt er zu der Erkenntnis (Zitat) „Letztendlich und wenn wir wirklich mal ganz ehrlich zu uns sind, steckt Social Media in deutschen Unternehmen nicht nur nicht in den Kinderschuhen, es hat in den meisten Fällen noch nicht einmal die dringend notwendige Befruchtung stattgefunden!“
Social Media Recruiting – es beginnt im Kopf
Was nützt uns diese Erkenntnis? Wir werden erkennen müssen, dass wir nochmal einen Schritt zurückgehen müssen. Uns von der SMR Fixierung lösen und erst einmal unser Recruitingverständnis hinterfragen müssen.
Was wir brauchen, ist ein „Change“ im Denken und Handeln aller Beteiligten. Glauben wir dem Spruch „Der Fisch stinkt vom Kopf“, dann müssen wir so ehrlich sein, das Top Management und seine Recruitingrolle in Frage zu stellen. Die des mittleren Managements sowieso. Und was ist mit den Recruitern? Brauchen wir die eigentlich noch? Damit habe ich mich in meinem letzten Artikel auseinander gesetzt.
Wie der Change aussehen kann und was das für die Beteiligten bedeutet, das wir Inhalt eines weiteren Artikels.