Ein wenig über den Tellerrand geblickt, hier ein kleiner, bunter, nicht immer ganz ernst gemeinter Ausblick auf die Arbeitswelt der Zukunft. Inspiriert durch den 1. Tag des „Der Personalkongress 2012“ in Göttingen.
Prof. Jäger von der Hochschule RheinMain belegt empirisch, dass Studenten immer noch am meisten über Online Jobbörsen nach Jobs suchen. Nicht mehr über Printanzeigen. Ich bin irritiert, um nicht zu sagen perplex! Printanzeigen gehören für mich schon lange zur Steinzeit. Da gehe ich noch mit. Aber auch Online Stellenanzeigen existieren für mich eigentlich nur noch in der Peripherie des Recruitings. Ein Fehler? Offensichtlich! Die Fakten sprechen für Anzeigen. Wir einigen uns darauf, dass es auf die Zielgruppe und das Unternehmen ankommt. Schön. Trotzdem, der Zweifel nagt … Muss ich meine Recruitingstrategie überdenken?
Außerdem betont Prof. Jäger die Notwendigkeit von Enterprise 2.0, also der internen Verwendung von Social Media im Unternehmen zur Vernetzung der Mitarbeiter untereinander. Und er weist auf die Veränderung des Führungsverständnisses hin (Stichwort Open Leadership). Ein spannender Rundumschlag über die sich verändernde Arbeitswelt.
Der nächste „Schlag“ in die Magengrube (nach dem ich gerade die bittere Pille Online Stellenanzeigen mit einem gebrühten Kaffee mit Milch runtergespült habe) kommt dann im kurzen Gespräch mit Prof. Jäger in der Kaffeepause. Ich habe die Studie von Hays gelesen, nach der Wissensarbeiter sich vernetzen wollen und müssen. Es gilt, Informationen und Wissen auszutauschen. Nach 15 Jahren Forschungsarbeit zum Thema Wissensmanagement ist Prof. Jäger überzeugt: Das funktioniert nicht! Kaum jemand ist bereit, Wissen zu teilen und aktiv zu streuen. Wie kann das sein? Ich dachte, jetzt, mit dem Social Web … sind wir nicht alle gerne vernetzt? Wollen wir denn nicht den Austausch? Jein. Es kommt offensichtlich auf den Kontext an. Ein Erklärungsversuch: Warum wird so viel auf Facebook gepostet? Zur Selbstdarstellung und Zeitvertreib, mehr nicht! Ich stelle mir gerade vor, ich würde zig Rückmeldungen auf meine blogartikel bekommen und müsste Wissen austauschen. Wie das wohl wäre? Schön? Oder schaurig? (vielleicht bin ich ja ein Kommunikations-Nerd? Der aus seinem dunklen Kellerzimmer mit Klappfenster der Welt ungefragt seine Ansichten mitteilen will, ohne korrigiert zu werden? Hilfe!!!)
Aber nochmal zum posten. Wer aber arbeitet, der arbeitet. Und hat keine Zeit zum „posten zum Zeitvertreib“. Und teilt auch nicht Wissen ohne zu wissen, was er davon hat. Das hat kein Prio. Das könnte stimmen. Wenn ich mir die posts im Social Web so anschaue, dann ist das meiste davon nur „zur Kenntnisnahme“, maximal noch zum „liken“, das meiste aber einfach „zum ignorieren“. Aber durch wie viele posts wird ein interaktiver Wissensaustausch angeregt? Das dürfte die Ausnahme sein, oder?
Spätestens bei der Key Note vom Zukunftsforscher Erik Händeler zum Thema „Die Geschichte der Zukunft“ ist meine Verzweiflung komplett. Er weist nämlich nachvollziehbar darauf hin, dass wir in der Zukunft Mehrwert nur noch durch eine engere Zusammenarbeit schaffen werden. Wir müssen uns vernetzen. Weil jeder ein Spezialwissen hat, dass im Team gebraucht wird. Daraus folgt: Wir brauchen ein „genormtes Sozialverhalten“. Alte Verhaltensweisen á la „Du bist mir in die Parade gefahren, jetzt boykottier ich dich“ oder „Du Mitarbeiter, ich Chef, also sei still“ werden nicht mehr funktionieren können, wenn wir erfolgreich sein wollen. Ich darf auf den anderen sauer sein und ihm das auch sagen, aber davon nicht meine Zusammenarbeit beeinflussen lassen. Dieses Sozialverhalten in den Unternehmen zu implementieren könnte übrigens HR übernehmen. Erik Händeler steht ab sofort bei mir auf der Liste der Redner, die ich immer wieder gerne hören würde! Top, der Mann.
Was machen wir jetzt? Eigentlich müssen wir uns vernetzen, andererseits will das offenbar keiner!!! Hm, ich könnte eine Beratungsleistung daraus bauen und viel Geld verdienen! Das ist doch mal eine innovative Idee … Und ich weiß auch schon, wie ich es nenne: „Nachhaltige Transformation zwischenmenschlichem Sozialverhaltens“. Womit ich auch gleich auf den Megatrend Nachhaltigkeit setze und nichts mehr schief gehen kann. Prof. Fischer von der Hochschule Pforzheim war so nett, uns aufzuklären, was Nachhaltigkeit (nicht) ist. Und das heute auf alles der Nachhaltigkeitstempel kommt. Meine Frage dazu: Kommt hier die Ablösung der jahrhundertelangen Wahrheit „Sex sells“? Gilt demnächst vor allem „Nachhaltigkeit sells“? Sehr kurzweilig. Bei der Gelegenheit: Er sucht noch Unternehmen für eine Studie zum Thema „Nachhaltigkeit im Personalwesen“. Ein sehr renommiertes Unternehmen hat er schon – und drei Jahre Zeit. Viel Erfolg dabei, ich bin auf die Ergebnisse gespannt.
Zum Schluss noch vielen Dank an Prof. Nachtwei, der in sehr charmanter und kurzweiliger Art über die Treffsicherheit von Potentialanalyseinstrumenten referierte. Treffsicherheit im Bezug auf den späteren Erfolg im Job. Wissenschaftsnahe Personaler haben die Reihenfolge vermutet: Eignungstest, Arbeitsproben und strukturierte Interviews haben die höchste Trefferquote. ACs stehen nur im Mittelfeld, werden aber von den erfahrenen Personalern als das beste Analysetool eingestuft. Wenn man sich jetzt noch das Preis-/Leistungsverhältnis von ACs anschaut … Naja, die Berater wollen ja auch leben. Mein Sitznachbar, HR Director bei einem großen Mittelständler, raunte mir den AC Preis pro Kandidaten von einer der Top Executive Search Beratungen zu. Nein, Sie wollen ihn nicht wissen. Es gibt genug zu beweinen auf dieser Welt. Schön war dann der Austausch, wie der spätere Erfolg im Job überhaupt gemessen wird. Nämlich nicht wirklich valide. Wir bewegen uns also alle auf dünnem Eis. Dann vielleicht doch die Würfel entscheiden lassen?
Fazit? Alles in allem ein sehr kurzweiliger, informativer und anregender Tag. Ich habe viele gute Gespräche geführt und nette Menschen getroffen. Ein paar qualitative Ausreißer nach unten bei den Vorträgen gab es natürlich auch. Aber das war bei der Menge auch zu erwarten. Machte nix, es gab ja genug Alternativen. Lob und Respekt für die tolle Veranstaltung von meiner Seite an Thomas Eggert und sein Team von TDS.