WollmilchsauRecruiting – das zweitältesten Gewerbe der Welt. Viel wird darüber geschrieben. Auch hier. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Entscheiden, Kommunizieren, Glück! Sie können es aber auch ganz einfach sagen: It’s all about people.

Recruiting – Wenn die Wollmichsau gerade Urlaub macht

Der Harvard Business Manager hat innerhalb weniger Wochen zwei hochinteressante und sich sehr gut ergänzende Artikel veröffentlicht. Was die Sache richtig spannend macht.

Michael Schrage schreibt in seinem Artikel „Das Ende des Mittelmaßes“ überzeugend darüber, warum es sich lohnt, nur die besten Mitarbeiter auszuwählen und diese den besten Führungskräften zu zuteilen. Mittelmäßige Mitarbeiter sind mittelfristig mittelmäßige Investments. Und ich kann diese Feststellung aus der Praxis unserer Managementberatung bestätigen. Schon das eine oder andere Mal haben wir Projektteams mit 20-25 Beratern vom Wettbewerb in einem notleidenden Projekt „abgelöst“ und dasselbe Projekt dann mit fünf Beratern erfolgreich umgesetzt. Die Qualität der Berater war einfach eine andere. Zugegeben, für solche Fälle setzen auch wir dann auf unsere absoluten Top Leute. Aber es lohnt sich und es zeigt: Top Mitarbeiter bringen eine deutlich bessere Leistung, gerade in Krisensituationen (und da kommt es ja dann erst richtig drauf an), als einfach „nur“ gute Mitarbeiter.

Und die Vergangenheit beweist auch immer wieder: Aus einer Notsituation einen nicht optimal passenden Mitarbeiter einzustellen, hilft am Ende beiden Seiten nicht. Langfristig fliegt einem das um die Ohren. Ich weiß noch, wie ich mich 2001 mit einem Partner einer Wirtschaftsprüfung unterhielt und er mir klagte, dass er 1999-2000 Mitarbeiter eingestellt hat, die eigentlich die Einstellungskriterien nicht erfüllten. Aber es war einfach so viel zu tun. Als der Boom dann vorbei war, „saß“ er auf einem Mitarbeiterbestand, der zu mittelmäßig war, um auch in Krisenzeiten damit arbeiten zu können.

Recruiting – Willkommen im Chaos menschlicher Entscheidungsfindung

Auf der anderen Seite schreibe ich ja hier über Recruiting. Und wir lesen täglich, wie schwer es (angeblich?) ist, die richtigen Mitarbeiter zu finden. Ein Grund für diese Problematik ist das Warten von HR und Hiring Manager auf „Mr/Mrs. Perfekt“. Diese Ansicht vertritt zumindest Lance Haun in seinem Artikel „Warum sie nicht den idealen Kandidaten suchen sollten“. Und er hat sicherlich Recht. Es gibt noch viele andere Gründe, die in dem Artikel „Personalprobleme der Unternehmen sind hausgemacht“  sehr gut zusammengefasst sind. Tatsache ist: Eigentlich können Unternehmen es sich nicht leisten, zu lange zu warten. Die Opportunitätskosten sind zu hoch. Haun empfiehlt, lieber intern Druck erzeugen, um eine Entscheidung herbeizuführen. Was wäre, wenn eine Stelle einfach verschwindet, wenn sie nach 60 Tagen nicht besetzt ist? Würden sich die Beteiligten dann bewegen? Sehr wahrscheinlich. Sie würden den Arbeitsmarkt realistischer analysieren, die direkten Recruitingkosten würden an Bedeutung verlieren, das Anforderungsprofil würde sehr wahrscheinlich hinterfragt werden. Muss es wirklich die eierlegende Wollmichsau sein? Oder geht es nicht doch ne Nummer kleiner? Und die Unternehmen würden anfangen, wirklich aktiv zu rekrutieren und echte Profis dafür ins Rennen zu schicken. Womit wir beim richtigen Umgang mit professionellen Personalberatern und dem intern ausgeführten Active Sourcing wären. Da gibt es auch noch sehr viel Optimierungspotential, wie ich in meinen Artikel „Personalberatung – Vom Graurücken zum Glücksritter“ und „Active Sourcing Irrtümer“ aufgezeigt habe.

Recruiting – am Ende entscheidet immer ein Mensch

Wenn wir Recruiting richtig betrachten, stellen wir fest, der Erfolg ist keine Frage des richtigen Recruitingsystems, einer schönen Facebook Fanpage, eines idealen Bewerbungsprozesses, des perfekten Interviews, einer bekannten Marke oder oder oder. Das alles kann helfen oder auch nicht. Je nach Qualität. Tatsächlich ist der Recruitingerfolg aber vor allem eine Frage der richtigen Menschen. Menschen entscheiden, ob sie bereit sind, Geld für das Recruiting auszugeben. Menschen müssen den Arbeitsmarkt analysieren und darauf reagieren. Indem sie mehr Gehalt zahlen, die Anforderungen der Realität anpassen oder einfach mal schnell Interviewtermine machen und diese auch einhalten. Menschen machen die „Schnitzer im Recruiting“, die eigentlich nicht passieren sollten. Selbst HR’ler, die eigentlichen Profis im Recruiting, machen vieles nicht optimal, wie Sandra Gausmann auf ihrem blog „Blickwinkel – Wenn Personaler zu Bewerbern werden“ eindrucksvoll und humorvoll wieder einmal zeigt. Es hängt an Menschen, wenn Bewerber sich nicht gut behandelt fühlen – oder wenn sie sich wohl fühlen. Menschen agieren eben mit Menschen. Und nicht mit Ideen, Systemen oder Fanpages. Und lassen Sie es mich auf den Punkt bringen: Ein Hiring Manager gibt deswegen kein Feedback zu einer Bewerbung, weil er kein Interesse hat. Oder sich nicht entscheiden kann. Und aus der Entscheidungsschwäche heraus lieber gar nichts macht. Es könnte ja sein, dass noch der perfekte Bewerber vorbei schneit. Muss ich halt nur warten. Solange sage ich den anderen aber nicht ab. Blödsinn, aber sooo menschlich. Entscheidungskompetenz ist einer der wahren Erfolgsfaktoren im Recruiting.

Recruiting – es wird nie perfekt werden

Zahlreiche Artikel und ganze Bücher beschäftigen sich damit, wie ein idealer Bewerbungsprozess aussieht. Vergessen Sie es. Den gab es noch nie, wie ich in meinem Artikel über die One-Click Bewerbung ausgeführt habe. Solange Menschen ins Recruiting eingebunden sind, wird es nie einen idealen Bewerbungsprozess geben. Oder anders: Wird auch ein idealer Bewerbungsprozess kein Erfolgsgarant sein. Dafür ist der Mensch zu komplex und mit sich selbst oft nicht im Reinen. Er muss unter höchster Unsicherheit entscheiden, Hiring Manager und Bewerber. Die Optionen sind zu vielfältig. Dieser Unsicherheit müssen wir Rechnung tragen. In einem solchen Zustand treffen Menschen die seltsamsten Entscheidungen. Ich könnte Ihnen Geschichten erzählen … Aber trotzdem sollten wir uns damit nicht abfinden. Menschen sind lernfähig. Und viele halbwegs intelligent. Wir können also daran arbeiten. Oder wie sehen Sie das?

Ihr Henrik Zaborowski