Führung – ein hartes Brot. Wieviel Geld wird für Führungstrainings ausgegeben? Mit welchem Nutzen? Ich weiß es nicht. Zu viel für zu wenig, vermute ich. Warum? Nun, ich glaube, dass Führung eines der schwierigsten Themen der Welt ist. Aber jeder giert danach. Und Führung in unseren bisherigen (und aktuellen) Unternehmensstrukturen und -kulturen hat kaum etwas mit echter (Menschen)Führung zu tun. Sondern mit der Einhaltung von Hierarchien, gelernten Verhaltensweisen und verliehener Macht (ob nun zu Recht oder Unrecht). Führung hat darum auch so selten funktioniert. Weil es keine echte Führung war. Aber mir scheint, wir müssen umdenken. Wir? Wer ist wir? Na, wir alle. Es bahnt sich leise etwas seinen Weg, was vor ein paar Jahren noch kaum möglich war. Aber die zerstörerische Kraft des erzwungenen Wandels wird kaum noch aufzuhalten sein. Wetten?

Führung – in der Vergangenheit ohne Bedeutung

Ich schenke uns die jeden Tag erlebbare Wahrheit, dass es deutlich mehr schlechte als gute Führungskräfte gibt. Falls Sie bisher den Denkfehler gemacht haben (vielleicht aufgrund Ihres jugendlichen Alters), einen Zusammenhang zwischem einem erfolgreichen Unternehmer oder Manager und guter Führung zu vermuten … ich will ganz offen sein: Den Zusammenhang gibt es nicht. Letzte Woche wieder unterhielt ich mich mit einem Doktoranden, der für seine Promotion deutschlandweit mit Geschäftsführern kleiner und großer KMUs im Gespräch ist. Und mit einer erfahrenen Personalerin. Und beide bestätigten mir: Führung spielt für viele Geschäftsführer keine Rolle. Es geht um Produkte, Vertrieb und Profit. Und das ist auch verständlich. Unternehmer werden Unternehmer, weil sie eine tolle Produktidee haben. Und nicht, weil sie schon im Menschen führen wollten. Geschäftsführer werden Geschäftsführer, weil sie vorher sehr gute Vertriebler oder Spezialisten waren – nicht wegen ihrer Führungskompetenz. Und das hat bisher auch funktioniert. So lange ich Strategien entwickeln konnte, die für die nächsten Jahre Bestand haben. Da konnten einige wenige „regieren“ und das Fussvolk setzte um. Aber … das funktioniert immer weniger! Sie wissen schon: Globalisierung, veränderte Märkte, neue Technologien, alles dreht sich immer schneller, „fahren auf Sicht“ wird Standard.

Führung – wird in Zukunft alles anders?

Auf der Zukunft Personal 2014 stellte das „Forum Gute Führung“ den Monitor „Führungskultur im Wandel“ vor. Wie konnte es anders sein, natürlich mit Thomas Sattelberger und (eigentlich) Prof. Dr. Peter Kruse (der aber gesundheitlich verhindert war). In dieser Studie wurden 10 Kernaussagen zu „guter Führung“ (und damit ist nicht das vorbildliche Verhalten im Knast gemeint) vorgestellt. Ich werfe Ihnen mal schlagwortartig ein paar Begriffe in den Raum. „Arbeiten in beweglichen Führungsstrukturen und individueller Zeiteinteilung“, „selbstorganisierte Netzwerke sind favorisiertes Zukunftsmodell“, „Absage an klassische Hierarchien„, „Kooperationsfähigkeit hat Vorrang vor alleiniger Renditefixierung“ (das lassen Sie sich mal auf der Zunge zergehen!) und „Führungskräfte wünschen sich Paradigmenwechsel in der Führungskultur“.

Jetzt wissen Sie und ich: In der Praxis heißt das noch gar nichts. Auch wenn sich die obersten Unternehmenslenker diesen Wandel wünschen (lt. Studie) – die Umsetzung wird für viele Unternehmen ein immenser Kraftakt. Denn die Unternehmen funktionieren in der Regel immer noch klassisch. Und das Mittelmanagement ist in der Sandwichposition und dürfte mit der Umsetzung dieses revolutionären Gedankenguts heillos überfordert sein. „Kooperationsfähigkeit vor Renditeorientierung“?? Ich lache mich schlapp. Im Leben nicht wird das Realtität der meisten Unternehmen werden. Nicht mittelfristig zumindest. Schließlich muss das, für einige wenige Jahre vom Aufsichtsrat oder Inhabern gewählte, Management ja kurzfristig vor allem eines bringen: Profit! Das ist die DNA der meisten Unternehmen. Und doch sehen die Teilnehmer der Studie richtig in die Zukunft. Zur Kooperationsfähigkeit wird der Weg hingehen. Das hat was mit Kondratieff zu tun. Und damit, dass wir ein neues Sozialverhalten lernen müssen. Ich empfehle Ihnen dazu einen siebenminütigen Mitschnitt eines Vortrags von Eric Haendler zur Arbeit der Zukunft. Zu finden bei der übrigens großartigen „Organisation“ GedankenTanken. Und gerade gestern flatterte mir ein wunderbares Buch ins Haus. „Thank God it’s Monday“ von Dark Horse Innovation. Ich konnte bisher nur reinschauen, aber es ist ein Traum! Da wird gelebt, wovon andere auch in 30 Jahren noch träumen werden. Mehr dazu demnächst hier.

Führung – es gibt schon Vorbilder

Wir sind alle realistisch genug um zu wissen: Übermorgen ist die Welt nicht viel besser. Aber es gibt inzwischen immer mehr positive Beispiele, wie Führung heute und in Zukunft gelingen kann. Eine kleine Sammlung davon wird sich z. B. im Projekt „Augenhöhe“ finden. Oder Sie gönnen sich das Vergnügen, den Geschäftsführer von Umantis, Marc Stoffel, mal bei einem Vortrag zu erleben. Umantis? Ja genau, die ehemals kleine Schweizer Softwarebude, die mit ihrer 80/20 Philosophie den Talent Management Software Markt belebt. Ich „kenne“ Marc Stoffel noch, als er und ich einem Kunden von mir die Talent Management Software von Umantis verkaufen wollten. Mittlerweile gehört Umantis zu Haufe und Marc Stoffel ist Geschäftsführer. Aber nicht irgendeiner. Sondern von seinen Mitarbeitern demokratisch gewählt. Genauso wie der Rest des Managements. Ich hatte die Entwicklung der Firma gar nicht so auf dem Schirm, aber bei der Zukunft Personal erzählt er davon. Wie Umantis als Start-up auf 40 Mitarbeiter wuchs und das Team dachte, jetzt müssten klassische Hierarchien eingezogen werden, um das Wachstum zu schaffen. Man holte externe, „richtige“ Manager – und bald funktonierte gar nichts mehr. Also trennte man sich wieder. Und die Gründer machten sich über Alternativen Gedanken. Und erkannten: Wer bitte kann den Markt, die Kundenanforderungen und -bedürfnisse denn besser einschätzen als die Mitarbeiter, die an der Basis arbeiten? Warum sollte das Management diese Mitarbeiter nicht in die Strategieentscheidungen einbeziehen? Und wenn ich den Mitarbeitern solche elementaren Rechte einräumen – warum dürfen sie nicht selber entscheiden, von wem sie geführt werden wollen? Und so kam es, dass die Umantis Mitarbeiter ihre Vorgesetzten selber wählen. Der Wandel war natürlich auch hier nicht unproblematisch. Es zogen auch nicht alle mit, sondern verließen die Firma. Eine Vorgesetzte wurde von den Mitarbeitern nicht bestätigt und musste sich in eine neue Rolle einfinden. Das war hart, aber heute arbeitet sie in einem Job, der viel besser zu ihr passt. Das war ein inspirierender Vortrag, der sicherlich auch damit zu tun hat, dass Marc Stoffel einfach ein absoluter Sympathieträger ist. Einen kleinen Eindruck von ihm und auch von der Entwicklung bei Umantis können Sie sich übrigens hier in diesen kleinen Umantis Experten Videos holen.

Führung und Recruiting – gehören zusammen

Keine Angst, ich komme zum Schluss. Aber ich bin Recruitingcoach und kann Ihnen daher nicht vorenthalten, dass die Veränderungen in Arbeitswelt und Führungskultur elementare Auswirkungen auf das Recruiting haben werden. Der Zukunfsforscher Sven Garbor Janzky hat das auch erkannt und beschreibt in seinem neuen Buch „Das Recruiting-Dilemma“ seine Sicht der Dinge (auch er ist übrigens bei den Umantis Videos dabei). Das Buch liegt bei mir auf dem Schreibtisch. Ich muss nur noch die Zeit haben, es zu lesen. Einen kleinen Auszug der Inhalte finden Sie aber schon im Saatkorn Interview mit Gero Hesse. Und falls Sie einem Zukunftsforscher nicht glauben: Ich vertrete die gleichen Ansichten. Wenn auch nicht so prominent und reißerisch. Da fehlt mir die Bühne und offensichtlich das Verkaufstalent für. Aber das Recruiting in Zukunft über das Netzwerk der Führungskräfte laufen wird, habe ich ja schon öffentlich im 1. HR Blind Battle vertreten. Und geschrieben auch schon, allerdings erscheint der Artikel im HR Consulting Review erst 2015. Aber ich habe eine Idee: Kommen Sie doch einfach am 10. November nach Bonn zu den HCM-Kompasstagen 2014 von Steria Mummert. Da werde ich eine Key Note darüber halten, „warum ein „weiter so“ im Talent Management nicht mehr funktionieren wird“.

Also, viel Spaß beim Lesen, Schauen, Hören – und beste Grüße,

Ihr Henrik Zaborowski