Recruiting wird international! Sollte man meinen. In einer globalisierten Welt! Doch das Recruiting  internationaler Fach- & Führungskräfte kommt für viele deutsche Mittelständler nicht in Frage. Sie suchen spezielle technische Fähigkeiten, schrecken aber vor den gefühlten „sozialen“ Widrigkeiten zurück, die ein Mitarbeiter aus einer anderen Kultur – und vor allem ohne Deutschkenntnisse – mit sich bringt. Es geht ihnen so wie dem Mann, der den Verkäufer im Musikgeschäft nach dem Lied „Fremde Inder“ fragt. Der Verkäufer schüttelt verwundert den Kopf. „Fremde Inder? Können Sie das mal vorsingen?“ Und der Mann singt die deutsche Version von Frank Sinatra’s „Strangers in the night„: „Fremde InDer Nacht …“ Ein schlechter Witz? Ja, finde ich auch. Die Hemmung vieler deutscher Arbeitgeber im Umgang mit ausländischen Bewerbern sind aber auch nicht lustiger. Was ist da los? Deutschland spießig Vaterland? Aber nun zieht einer los, das Dilemma zu ändern. Hoffentlich erfolgreich. Sie können unterstützen! Also los!

Embrace the immigrant spirit

Unter dem Motto „embrace the immigrant spirit“ macht sich Chris Pyak, Gründer von ImmigrantSpirit, auf den Weg durch Deutschland, um 100 Unternehmen zu finden und zu interviewen, die über ihre positiven Erfahrungen mit internationalen Mitarbeitern berichten. Sehr gute Idee, wie ich finde. Denn seien wir mal ehrlich: Es gibt eigentlich nur zwei Gründe, die gegen die Einstellung internationaler Mitarbeiter in deutschen Unternehmen sprechen: Die Sprache – und nebulöse Hemmungen. Aber ist die Sprache wirklich das Problem? An einigen Stellen durchaus. Ich habe als Personalberater viel für die Beratungsbranche gearbeitet und da kam immer der Spruch: „Wir brauchen bei unseren Kunden in Deutschland Berater, die einwandfrei Deutsch sprechen. Das erwarten unsere Kunden von uns“. Ob das immer noch zeitgemäß ist, ist eine andere Frage. Und dass ich an die deutsche Telefonhotline von erklärungsbedürftigen Produkten keine Mitarbeiter setzen kann, die kein Deutsch sprechen, ist auch klar. Auf der anderen Seite wird ja bekanntlich die Arbeitswelt immer globaler. Ich komme an Englisch nicht mehr vorbei. Auch wenn es manchen weh tut. Sehr schön die Geschichte von Chris, der von einem Unternehmer erzählte, der auf einmal international expandierte, aber dessen Mitarbeiter kaum Englisch sprachen. Während er nun verzweifelt im Ausland nach einem deutschsprachigen Mitarbeiter vor Ort suchte, der die Schnittstelle zwischen ihm und seinen Kunden ist, riefen die ausländischen Kunden immer in Deutschland an. Und die Mitarbeiter gerieten regelmäßig in Panik, weil keiner mit den Kunden sprechen konnte/wollte. Wie viel einfacher wäre es, einen Mitarbeiter mit der Landessprache in Deutschland zu finden, einzuarbeiten und den Job machen zu lassen? Sehr viel einfacher!

Anderes Beispiel: Ich unterstütze zur Zeit als Interim Lösung ein Unternehmen im Recruiting von IT Spezialisten. Das Unternehmen hat vor knapp zwei Jahren angefangen, einen neuen Standort im europäischen Ausland aufzubauen, weil es die nötigen IT Spezialisten in Deutschland nicht mehr in ausreichender Anzahl und in der notwendigen Zeit fand. Was ist seitdem die Arbeitssprache in der IT? Natürlich Englisch! In jedem Meeting, in dem auch nur ein Kollege aus dem Ausland sitzt, wird Englisch gesprochen. Was dazu führt, dass jetzt alle betroffenen Mitarbeiter (wo nötig) Englischkurse bekommen. Und was ganz natürlich dazu führt, dass die bisherige Einstellung in der deutschen Zentrale „Wer hier arbeitet, muss Deutsch können“, langsam abgelegt wird und jetzt auch, je nach Abteilung, Mitarbeiter ohne Deutschkenntnisse eingestellt werden. Was, ganz ehrlich, die Recruitingsituation deutlich vereinfacht.

Der andere Grund für die fehlende Bereitschaft, ausländische Mitarbeiter einzustellen, sind schlicht und ergreifend diffuse Hemmungen. Klar kommen einem andere Kultur manchmal komisch vor. Das geht Ausländern mit uns Deutschen auch nicht anders. Und sicherlich gibt es mehr Reibungspunkte als sonst. Man muss sich mehr auf einander einlassen, die Kommunikation und die Zusammenarbeit ist ein wenig komplizierter. Das bleibt aber auch so, wenn die internationalen Kollegen Deutsch sprechen. Kulturelle Unterschiede gibt es immer. Auch zwischen Hamburgern und Schwaben. Aber das ist ein anderes Thema. Ich habe schon mit vielen Indern, Ägyptern, Russen, Ukrainern, Polen, Iranern etc. gesprochen, die alleine und teils ohne Deutschkenntnisse nach Deutschland gekommen sind, um sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Meistens über den „Umweg“ eines weiteren Studiums, um überhaupt erstmal „anzukommen“. Vor diesen Menschen habe ich allergrößten Respekt. Wer das durchzieht und schafft, der steht im Job auch seinem Mann / seiner Frau, wenn es mal schwierig wird. Der lamentiert nicht ständig rum, sondern ergreift Chancen und bewegt sich. Diese Einstellung suchen deutsche Arbeitgeber doch so sehr, oder?

Also, wenn Sie Lust und Interesse haben, den „immigrant spirit“ zu unterstützen – oder wenn Sie selber in einem Unternehmen arbeiten, das internationale Fach- & Führungskräfte einstellt – dann schauen Sie doch mal hier bei „embrace the immigrant spirit“ vorbei. Es läuft gerade eine crowd funding Aktion, um das Projekt zu finanzieren. Chris Pyak wird sich freuen. Und er ist übrigens auch Profi darin, Ihr Unternehmen auf dem Weg zu mehr Internationalität zu begleiten. Dann können Sie vielleicht bald wie Frank Sinatra singen „I did it my way„.

Herzlichen Gruß,

Ihr Henrik Zaborowski