„Bewerbung“ ist ein schreckliches Thema für einen Artikel, finde ich. Personalauswahl ist auch nicht besser. Ist doch alles schon gesagt. Das meiste nutzt nur nichts, wenn es nicht angewendet wird. Wie mein Kommunikationsprof zu sagen pflegte: „Getretener Quark wird breit, nicht stark„. Recht hat er. Doch gerade wurde ich wieder auf echten Schwachsinn als Bewerbungstipp (wie ich finde) aufmerksam gemacht. So etwas scheint nie auszusterben. Aber, es gibt auch durchaus diskussionswürdige Gedanken. Hoffe, Sie sehen das ähnlich.

Bewerbungen – und die Bedeutung der Schriftart

Ha, warten Sie! Bevor Sie jetzt denken „Die Bedeutung der Schriftart in einer Bewerbung? Hä? Zaborowski, nimm mich nicht auf den Arm“, geben Sie mir ein paar Sekunden. Denn ja, die Schriftart einer Bewerbung hat eine große Bedeutung. Das hat zumindest der Focus publiziert. Nachzulesen und -hören in diesem Artikel. Wenn Sie z. B. „Times New Roman“ verwenden, vermitteln Sie laut der Experten den Eindruck, dass Sie sich keine richtigen Gedanken über die Schriftart gemacht haben. Times New Roman ist nämlich langweilig und altmodisch! Ha! Und jetzt kommen Sie! Jetzt kennen Sie den Grund für Ihre Absagen. Mann, mann, mann. Das hätte einem doch mal gesagt werden müssen, oder? Sie sollen sich doch nicht überlegen, ob Sie zu dem Job passen. Wer macht denn noch sowas? Nein, auf die Schriftart kommt es an. Dann klappt’s auch mit der Zusage.

Ganz ehrlich: Das fällt, verbunden mit dieser Bewerbungsratgeberreihe der ZEIT, in die Kategorie „Ohne Worte„. Unfassbar. Mag ja sein, dass eine Studie herausgefunden hat, dass Betrachter manche Schriftarten besser oder schlechter finden. Hey, eine Studie! Die gibt es wie Sand am Meer. Aber ist das relevant? Bitte? Nein, verdammte Axt. Schriftart … ich fass es nicht. Liebe „Experten“, wenn ihr sonst keine Probleme habt. So, und jetzt löse ich auf, warum die Schriftart doch von Bedeutung ist. Liebe Entscheider und Unternehmenslenker: Wenn irgendeiner Eurer Führungskräfte oder Personaler jemals sagt, „die Bewerbung hat aber eine altmodische Schrift, die sortieren wir aus„, über dessen Eignung in seinem Job sollten Sie mal gründlich nachdenken.

Bewerbungen – schreiben Sie doch was Sie wollen

Da halte ich es schon eher mit Svenja Hofert und ihrem Artikel auf Spiegel.de „Bewerbung XXL: Schreiben Sie doch,was Sie wollen„. Zugegeben, ich bin nicht ganz unbefangen. Immerhin hat sie mich um meine Meinung gebeten. Und tatsächlich bin ich mir nicht sicher, ob ich ihren Aussagen 100% zustimmen kann. Ein zweiseitiges Anschreiben im amerikanischen Stil ist dann auch nichts, was ich unbedingt empfehle in Deutschland. Naja, ich empfehle ja eigentlich eh den Dreizeiler. Was wiederum Gilbert Dietrich, Philosoph und HR’ler, ganz anders sieht. Für ihn kommt das Anschreiben in der Bedeutung weit vor dem Lebenslauf. Naja, bei ihm kommt der Lebenslauf aber auch eh weiter hinten in der Rangfolge. Was er damit meint, erklärt er ein wenig in meinem Interview mit ihm, dass wir im Rahmen der GE Garages „Future of Work“ in Berlin aufgenommen haben.

Personalauswahl – ohne Hirn und/oder mit Roboter

Zu guter Letzt möchte ich Sie auf das neue Thema vom „4. Blind HR Battle“ von Stefan Scheller hinweisen. „Algorithmen können menschliche Recruiter ersetzen„. „Ja“, sagt Jan Kirchner von der Wollmilchsau. „Nein“ sagt Michael Witt von Voith. Ich bin klar auf der Seite von Michael, allerdings … ganz ehrlich: Wenn ich mir die Entwicklung der Technologie so anschaue … warum sollte der Computer nicht bald besser sein? Wenn ich mich mit dem IT’ler Christian Schrader von feelgood@work unterhalte … da werden manche Zukunftsszenarien gar nicht mehr so abwegig. Und ich meine, der menschliche Recruiter ist in der Regel ja auch nicht wirklich gut. Zumindest in der erlebten Praxis. Dass unsere Personalauswahl nichts taugt …. diese Meinung vertrete ich nach wie vor. Da passiert vieles, was unter die Kategorie „einfach mal nicht weitergedacht“ fällt. Interessant ist, dass lt. Dr. Rüdiger Hossiep (einem der Eignungsdiagnostik-Päbste in Deutschland, Sie kennen mit Sicherheit alle „sein“ BIP) Deutschland auf einem der letzten Plätzen bei der Nutzung von eignungsdiagnostischen Instrumenten in der Personalauswahl liegt. Und auch er, wie ich, feststellt, dass in Deutschland in sehr hohem Maß der Zufall über Erfolg im Job entscheidet. Das hat viele Gründe, einer davon ist aber auch, dass die Personalauswahl anhand der bekannten Kriterien (Noten, Abschlüsse, vergangene Erfolge etc.) vor allem eine sehr unsichere, zufällige Nummer ist.

Ein klasse Redner übrigens, wie ich finde. Trockene Art, Wahrheiten auf den Punkt zu bringen. Hier hat er ein gutes Interview zum Thema „Psychopathen in der Wirtschaft“ gegeben. Reinschauen lohnt sich.

So, ich hatte mir schon für 2015 vorgenommen, kürzere Artikel zu schreiben. Diesmal ist es mir gelungen. Hoffe, das ist ok für Sie. Dann bleibt nur noch zu sagen: Diskutieren Sie doch mit, beim 4. Blind HR Battle. Wer trifft die besseren Auswahlentscheidungen? Der Mensch oder der Roboter?

Herzlichen Gruß,

Ihr Henrik Zaborowski