Sourcing ist keine Raketenwissenschaft, hat aber seine nicht zu unterschätzenden Tücken. Die Techniken lassen sich lernen. Zum Beispiel in Sourcing Trainings von Barbara Braehmer. Was aber genauso wichtig ist, ist das mindset, wie ich in meinem letzen Artikel „DER Schlüssel für erfolgreiches Recruiting“ schrieb. Und welche Bedeutung das mindset in der Praxis des Sourcing und der Personalauswahl hat, möchte ich Ihnen an einem „echten Fall“ aus meinem Sourcing Alltag schildern. Glücklicherweise mit Happy End. Und am Ende können Sie sogar noch einen kleinen „Sourcing Wissenstest“ machen. Also, bereit?

Erster Eindruck? Echt jetzt?

Letztes Jahr bin ich fast selber in eine Falle gelaufen, vor der ich Sie, meine treuen Leser, immer warne (übrigens noch ein spätes „Gesegnetes neues Jahr“!! Das ist tatsächlich mein erster Blogartikel 2016 …). Es war ein heißer Sommertag und ich hatte schon diverse Suchstrings durch, um passende Kandidaten für einen Auftrag zu finden (es ging um einen Job im Vertrieb, Details müssen Sie sich weiter unten selber erarbeiten, aber jetzt erst einmal weiterlesen). Die Trefferübersicht auf XING las sich diesmal gut, Mitarbeiter von einschlägigen Wettbewerbern meines Kunden waren dabei und ich scrollte also routiniert und professionell (wie ich dachte) die Trefferliste durch. Dabei fiel mein Blick kurz auf die Trefferanzeige eines grundsätzlich sehr interessanten Profils. Allerdings mit diesem Bild.

Ich stoppte kurz und verwarf das Profil dann sehr schnell mit dem Gedanken „was ist das denn für ein komischer Vogel?“. Keine Minute später ging meldete sich mein schlechtes Sourcer Gewissen und ich ging nochmal zurück um mir das ganze Profi anzusehen. Denn, worauf weise ich bei jeder passenden Gelegenheit hin? Dass ein Bild keine Aussagekraft über die Eignung eines Menschen für einen Job hat! Und das musste ich mir selber diesmal auch sagen. Und tatsächlich, abgesehen vom Bild passte dieser „Kandidat“ nämlich sehr gut zum Anforderungsprofil meines Kunden. Also schrieb ich ihn an und schilderte kurz sowohl den Job als auch den Arbeitgeber. Und bekam kurze Zeit später schon eine Rückmeldung. Allerdings keine sehr euphorische. Ihm sei der Job und das Umfeld noch nicht so richtig klar und soooo spannend lese es sich jetzt nicht. (hm, und ich dachte, ich wäre der große Kommunikator …) Allerdings war der Kandidat tatsächlich gerade konkret „auf dem Sprung“ und deswegen gesprächsbereit. Also verabredeten wir uns zu einem Telefonat. Zum Glück.

Wie trotz Fehlern doch noch etwas Gutes entsteht

Hatte ich schon erwähnt, dass Recruiting nichts anderes als Kommunikation und Entscheidungen ist? Bestimmt. Und die große Kunst als Recruiter und Sourcer ist es, in die Kommunikation, den gemeinsamen Dialog, zu kommen. Denn nur im Austausch können Sie Ihre Vermutungen verifizieren – oder sich eines Besseren belehren lassen. In unserem Telefonat stellte sich durch Fragen und Antworten schnell heraus, dass a) der Job eigentlich sogar sehr interessant für den Kandidaten ist und b) er umgekehrt sehr gut zu meinem Kunden passt. Auch (oder gerade?) mit seiner Persönlichkeit. Die nämlich tatsächlich nicht so ganz „mainstream angepasst“ ist. Sonst gäbe es wohl auch kaum dieses Foto.

Der nächste Schritt war das persönliche Gespräch beim Kunden. Und auch hier muss ich wieder sagen: Das ist nochmal gut gegangen. Denn es gab zwei Momente im Gespräch, in denen der Bewerber keine glückliche Figur machte. Und die Euphorie beim Kunden etwas dämpfte. Einer davon war der Moment, als klar wurde, dass er das Leistungsportfolio des Kunden noch nicht richtig verstanden hatte. Ein faux pas, oder? Denn was erzählen uns doch alle Bewerbungsratgeber? „Informieren Sie sich über das Unternehmen und seine Produkte“. Grundsätzlich auch richtig. Aber kann ich allen Ernstes von einem Bewerber (der ja in der Regel im Job ist und ja auch noch nicht mal wirklich weiß, ob er für mich arbeiten möchte) erwarten, dass er/sie ALLES gelesen und verstanden haben muss, was mein Unternehmen so macht? Nicht wirklich, oder? Schließlich gibt es auch seitens des Arbeitgebers eine gewissen Bringschuld. Naja, das ist meine Meinung. Offen gesagt kenne ich genug Fachbereiche und auch Personaler, die den Prozess an dieser Stelle abgebrochen und sich im Recht gefühlt hätten. Dankenswerterweise nicht dieser Kunde. Der hat auch ein gesundes Selbstverständnis und nimmt sich selbst nicht zu wichtig. Ansonsten passte der Bewerber nämlich tatsächlich sehr gut. Also kam es zu einem Zweitgespräch (in dem das Thema übrigens nochmal abgeklopft wurde!) und schließlich zur Einstellung. Und inzwischen zur überstandenen Probezeit und Zufriedenheit auf beiden Seiten.

Warum unsere Personalauswahl so schwierig ist

Und jetzt frage ich Sie: Wie oft haben wir schon jemanden nicht angesprochen oder ihm direkt abgesagt, der eigentlich super auf den Job gepasst hätte? Wir wissen es nicht. Aber meine Erfahrung sagt mir: Das dürften ziemlich oft passieren! Aber wir haben ja nicht die Zeit oder die Lust oder das mindset oder ganz praktisch auch gar nicht die Möglichkeit, mit ALLEN eventuell passenden Menschen über den Job zu sprechen. Wir sortieren blitzschnell aus. Meistens anhand völlig unsinniger Kriterien, die im wesentlichen Vermutungen sind. In diesem Fall konnten wir das verhindern. Warum? Weil alle Beteiligten nicht auf ihren ersten Eindruck gehört haben, sondern über ihren Schatten gesprungen sind, um dem Gegenüber eine faire Chance durch einen gemeinsamen Austausch zu geben. Und das funktioniert, wenn wir uns die Zeit dafür nehmen (können). Deswegen behaupte ich ja auch, dass das Recruiting der Zukunft aufwändiger, menschlicher, aber eben auch erfolgreicher wird.

Ich sollte im November 2015 bei den HR Excellence Days in Augsburg genau dazu einen Vortrag halten. Über das Recruiting der Zukunft und natürlich sollte da die Digitalisierung eine Rolle spielen. Aber ich habe mich aber dann spontan dazu entschieden, den Fokus rein auf die Personalauswahl zu legen und die Digitalisierung wegzulassen. Heraus gekommen ist dieser Vortrag. Etwa ab Minute 9 geht es mit der Personalauswahl los. Wenn Sie die Folien dazu interessieren, die finden Sie auf slideshare „Das Recruiting der Zukunft“.

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Mehr Informationen

 

Sourcing ist Technik & Mindset – und erlernbar

Sie wissen wie ich: Erfolgreiches Sourcing ist eben nicht nur eine Frage der Technik. Die Technik ist die Grundlage (und ändert sich ständig!) und die können Sie übrigens lernen! Zum Beispiel in einem Training über die „Active Sourcing Basics“ am 12. Februar in Bonn, bei Barbara Braehmer (da werde ich auch dabei sein. Was ist mit Ihnen?) Aber neben der Technik ist Sourcing tatsächlich immer eine Gratwanderung aus Wissen, Erfahrung und Vermuten. Und ich denke, das liegt in der Natur der Sache. Natürlich können Sie teilweise aus  Profilangaben herauslesen, ob jemand evtl. „auf dem Sprung“ ist oder auf den Job passt. Aber Sie wissen es noch nicht wirklich. Und daher müssen Sie sich entscheiden, ob Sie im Zweifel JEDEN anschreiben (was Spam wäre und ich Ihnen nicht empfehle) oder ob Sie so selektiv sind, dass Sie den einen oder anderen auslassen, der es am Ende geworden wäre.  Und es ist ja nicht so, dass XING oder Linkedin die Lösung aller Sourcingprojekte sind! Ich habe, wie Sie wahrscheinlich auch, festgestellt, dass die wenigsten XING Nutzer eine Ahnung haben, welche Einstellungen sie auf XING gewählt haben. Von einem aktuellen Profil ganz zu schweigen. Und dass ich von XING immer emails bekomme mit der Frage, „warum werden Sie von headhuntern nicht häufiger gefunden“, zeigt mir, dass XING das Problem auch kennt (und natürlich seine ProJobs Mitgliedschaft verkaufen will). Da gibt es Mitglieder, die als Status „aktiv auf Jobsuche“ sind, aber die Nachrichtenfunktion blockiert haben (???) oder in ihrem Profil stehen haben: „Suche keinen neuen Job“. Oder vor einem halben Jahr gewechselt und den Status nicht angeglichen haben. Andere haben „kein Interesse an Jobangeboten“, schicken Ihnen aber auf einmal eine Nachricht, dass sie wechseln möchten. Naja, wem schreibe ich das, Sie kennen das.

Was ist das Fazit? Tauschen Sie sich mit anderen Sourcern aus. Das ist neben dem eigentlichen „Tun“ immer noch die beste (und netteste) Möglichkeit, Neues zu lernen und seine skills zu verbessern. Einen mini „sourcing hack“ können Sie jetzt übrigens noch ausprobieren. Finden Sie doch mal heraus, wer der nette Typ auf dem Bild oben ist. Da gibt es einen relativ einfachen Trick. Und wer es braucht, kann noch die Stichworte „Sales“ und „Recruiting“ im Hinterkopf behalten.

Schreiben Sie Ihr Vorgehen doch einfach im Kommentar. Vielleicht kennen Sie ja noch einen anderen Trick als ich? Dann lerne ich auch wieder was. Würde mich freuen.

Also, dann sehen wir uns vielleicht am 12.2 in Bonn beim Sourcing Training? Und wenn nicht, lesen wir im Zweifel hier wieder voneinander. Bis zum nächsten Blogeintrag vergeht hoffentlich nicht wieder ganz so viel Zeit ….

Herzlichen Gruß,

Ihr Henrik Zaborowski