Was Bewerber wollenWas Bewerber wollen? Also, den Job natürlich, ist klar. Aber bis dahin? In meinem letzten Blogartikel hatte ich ja einen kleinen Einblick gegeben, was Jobsucher wollen. Ein ganz eindeutiges Ergebnis war der Wunsch nach einem persönlichen Ansprechpartner. Aber was ist, wenn der Jobsucher kein Jobsucher mehr, sondern ein Bewerber im Bewerbungsprozess ist? Was ist ihm/ihr dann wichtig bzw. wichtiger? Auch hier hatte ich wieder eine eigene Theorie, die ich im Rahmen der kleinen Umfrage mit Hilfe von softgarden überprüfen durfte. Und die Ergebnisse gibt es jetzt.

Was Bewerber wollen – Schnelligkeit & persönlichen Kontakt

Also, hier jetzt der zweite Teil der kleinen Umfrage in Kooperation mit softgarden, an der in der Zeit vom 18.-21.12.2017 286 Jobsucher (die sich auch tatsächlich aktiv in einem Bewerbungsprozess befinden) teilgenommen haben. Wieder ging es darum, bei 4 Gegensatzpaaren das jeweils wichtigere Item ausgewählt. Am Ende haben wir die Teilnehmer noch gebeten, eine Priorisierung der insgesamt 8 Items vorzunehmen. Diese Priorisierung haben dann noch 234 Teilnehmer vorgenommen. An dieser Stelle herzlichen Dank an alle Teilnehmer!

Um etwas vorzugreifen: Spannend finde ich, dass am Ende des Tages 5 von 8 Items ganz dicht zusammenliegen. Vielleicht waren die Fragen von mir unglücklich gestellt. Das will ich nicht ausschließen. ABER: Diese fünf Items drehen sich alle um zwei Faktoren: Geschwindigkeit und persönlichen Kontakt. Und ich denke, das dürfen wir durchaus ernst nehmen. Aber dazu weiter unten mehr.

Hier jetzt erstmal die Gegensatzpaare im Detail.

Was Bewerber wollen

Tja, hier gibt es einen Patt. Beides scheint gleich wichtig zu sein. Geschwindigkeit UND ein persönlicher Ansprechpartner. Letzterer war ja schon bei der „Jobsucher Umfrage“ enorm wichtig. Aber warten Sie mal bis zum Ende, da wird es nochmal klarer.

Was Bewerber wollen

Auch wenn hier die Einladung zum persönlichen Gespräch ins Unternehmen knapp vor dem Telefonat liegt – ein großer Unterschied ist hier nicht. Und doch zeigt er meines Erachtens ein wenig die „Bewerberseele“. Ich als Recruiter greife erstmal sehr sehr gerne zum Telefon, um einen ersten kleinen Eindruck vom Bewerber zu bekommen und die eine oder andere Frage loszuwerden. Das spart Zeit und beseitigt erste Unsicherheiten. Das ist allerdings auch mein Arbeitsalltag und daher für mich Routine. Aber wie oft ist ein „Controller“ oder „Softwareentwickler“ ein Bewerber und bekommt Anrufe vom Arbeitgeber, bei dem er/sie sich beworben hat? Eher selten, richtig? Und am Telefon sehe ich keine Reaktionen meines Gegenübers, womit viele Menschen sich zumindest bei einem Fremden unwohl fühlen. Von daher tippe ich darauf, dass Bewerbern aus Unsicherheit ungern mit einem Recruiter telefonieren und lieber direkt in ein persönliches Gespräch gehen. Ser Faktor „Aufwand vermeiden“ spielt vermutlich da weniger eine Rolle. Aber nochmal, in Anbetracht der geringen Differenz würde ich Recruitern immer ein Vorabtelefonat empfehlen. Zumindest, wenn noch die eine oder andere Frage offen ist. Nicht „ich glaube, der kann das nicht“ und absagen, sondern zum Telefon greifen und fragen.

Was Bewerber wollen

Tja, bei dieser Frage gibt es „keine Fragen mehr“. Das ist mal ein eindeutiges Ergebnis. Bewerber wollen wissen, um was es in dem Job genau geht (nicht überraschend und war auch absolutes Top Thema bei der Jobsucher Umfrage!!) UND für und mit wem sie arbeiten werden! Die Geschichte und Kultur des Unternehmens interessiert im Vergleich dazu quasi Null. Knaller, oder? Hm, was ist hier los? Ein HR Top Thema von 2017 war/ist doch tatsächlich die Unternehmenskultur. Folgen wir hier nur blind einem Hype? Kann eigentlich nicht sein, wie Stefan Reiser aus dem Projekt mit dem Kulturmatcher bei den Lechwerken hier berichtet. Und sehr fähige Experten wie Jo Dierks mit dem Kulturmatcher und Christoph Athanas mit dem Cultural Fit Evalueator haben sich intensiv und sehr gut mit dem Thema auseinander gesetzt und tolle Lösungen dazu entwickelt.

Der Fehler kann natürlich auch bei mir liegen! Ich hätte vielleicht nicht „konkrete Einblicke in den Job“ und „lerne Vorgesetzten/Kollegen kennen“ nicht koppeln dürfen. Aber für mich gehört das einfach zusammen. Jede Antwort kann nur so gut sein wie die Frage. Sie wissen ja, „42“.

Trotzdem stehe ich dem Thema Unternehmenskultur durchaus skeptisch gegenüber. Warum? Weil es m. E. ab einer gewissen Unternehmensgröße nicht DIE Unternehmenskultur geben kann. Allerdings können Unternehmen definitiv unterschiedlich in ihrer Kultur sein. Keine Frage. Zwischen den Kulturen meiner beiden ehemaligen Arbeitgeber access AG und Promerit AG lagen Welten! Ich halte aber trotzdem die Team- / Abteilungskultur für erheblich relevanter. Zu diesem Thema gibt es auch eine (etwas längere) Podcastfolge von mir mit Dr. Terhalle. Hören Sie doch mal rein bei „Teamkultur als Schlüsselfaktor in der Personalauswahl.

Aber ich schweife ab. Nochmal zur Studie und zur Sicht der Bewerber. Ich möchte das mal so formulieren: Jeder halbwegs vernünftiger Mensch weiß, „entscheidend ist auf dem Platz“. Sprich: Versprochen wird gerne und viel, besonders von HR oder dem Management. Aber ob dieses Versprechen am Ende eingehalten wird, hängt vom direkten Vorgesetzten ab. Und da möchte man sich doch lieber einen persönlichen Eindruck verschaffen, oder? Ich habe schon Einstellungen platzen erlebt, weil der Bewerber noch nicht seinen direkten Vorgesetzten kennengelernt hatte und deswegen das Angebot nicht unterschreiben wollte. Eigentlich völlig verständlich, oder?

Aber jetzt frage ich Sie nochmal was: Was findet in fast jedem Vorstellungsgespräch statt, dass ich als Recruiter und Bewerber erlebt habe? Richtig: Eine ausführliche Beschreibung der Entstehungsgeschichte des Unternehmens!! Das kann bei „alten“ Unternehmen lang sein! Womöglich noch mit einem ausgedruckten Foliensatz, der seit 10 Jahren nicht mehr aktualisiert wurde. Und heutzutage wird auch noch die Unternehmenskultur beschrieben. Mit den Buzzwords, bei denen jeder langjährige Mitarbeiter an der einen oder anderen Stelle die Augen verdreht, weil er aus der Praxis weiß, dass HR sich hier auch was schönredet. Tja, welche Konsequenzen Sie daraus ziehen können, überlass ich Ihnen  😉

Kommen wir jetzt aber zum letzten Gegensatzpaar.

Was Bewerber wollen

Die Frage ist zugegeben etwas „wischiwaschi“, aber lassen Sie mich das mal so interpretieren: Bewerber hätten gerne einen Menschen als Gegenüber, keine „Rolle“! Wie oft erlebe ich Recruiter, die denken, sie müssten im Bewerbungsprozess eine Rolle spielen. Einen auf „seriöser, abgeklärter Recruiter“ machen, mit klugen Fragen und undurchdringlichen Blick. Das kann man machen, bringt Sie aber mit Sicherheit nicht weiter. Dann spielt der Bewerber halt auch seine Rolle. „Erfolgreicher“ und sinnvoller ist es, sich einfach als Mensch zu begegnen. Wie abends beim Bierchen, z. B. Da erfahren Sie viel eher, was Sie wirklich interessiert. Dann dann fühlen Bewerber sich wohl und wertgeschätzt und sind viel eher bereit, offen und ehrlich zu sein, als ein Spielchen zu spielen. Damit meine ich natürlich nicht, dass die Fragen sich auch um „AbendsbeimBierchenThemen“ drehen sollen! Die Fragen müssen schon sinnvoll und zielführend sein (also nicht, „warum haben Sie sich bei uns beworben“ und „wo sehen Sie sich in 5 Jahren“), aber eben in einer offenen, wertschätzenden Atmosphäre. Die macht den Unterschied!

Nun denn, kommen wir zum Schluss. Hier kommen nochmal alle 9 Items, priorisiert nach Wichtigkeit für die Bewerber. Auf die ersten 5 sollten Sie sich also in Zukunft konzentrieren.

Was Bewerber wollen

Hier die Items nochmal ausgeschrieben in der richtigen Reihenfolge:

  1. Der Auswahlprozess geht schnell voran.
  2. Im Interview bekomme ich konkrete Einblicke in den Job und lerne Vorgesetzte/Kollegen kennen.
  3. Ich werde direkt zu einem persönlichen Gespräch vor Ort eingeladen.
  4. Es gibt von Anfang an einen persönlichen Ansprechpartner.
  5. Es kommt zu einem schnellen Kontakt per Telefon für einen ersten Austausch.
  6. Der Auswahlprozess ist eher informell, aber mit starker persönlicher Note der Interviewer.
  7. Im Interview wird mir die Geschichte und Kultur des Unternehmens erläutert.
  8. Der ganze Auswahlprozess läuft sehr professionell, aber eher formell ab.

 

Bewerber wollen menschlichen Kontakt – und den schnell

Tja, es ist ein low brainer, aber ich wiederhole mich gerne:

Was Bewerber wollen ist Pflicht, nicht Kür.

Lassen Sie nicht unnötig Zeit vergehen, seien Sie Mensch und beziehen Sie die Fachkollegen/Chef zügig mit ein.

Viel mehr müssen Sie eigentlich nicht machen. Ganz einfach, oder? Sollte man zumindest meinen 😉 Dann können Sie sich auch viel von dem ganzen hippen SchnickSchnack schenken.

Und zum Schluss hier noch eine umfangreiche Studien mit globalem Bezug, die vor allem für Global Player interessant sein dürfte: Manpower Studie „Was Bewerber wirklich wollen“

Also, dann viel Spaß beim Umsetzen und herzlichen Gruß,

Ihr Henrik Zaborowski