Ich kann es nicht beweisen, aber irgendwie drängt sich mir der Eindruck auf, dass wir im Recruiting und Employer Branding nicht mehr ohne Sinn auskommen. Arbeitgeber müssen ihre Kultur kennen und erlebbar machen, die Jobs sollen sinnvoll und zu einem großen Ganzen beitragen und Führungskräfte sollen Lernbegleiter und Förderer sein. Die ganze Arbeitswelt scheint nach dem Sinn der Arbeit zu fragen. Das ist zumindest die Meinung, mir aus vielen Artikeln und Postings entgegen gerufen wird. Wer die Frage nach dem „Wozu gibt es dieses Unternehmen und welchen Sinn hat mein Job?“ nicht beantworten kann, dessen Existenzgrundlage ist stark gefährdet. Mein Problem ist: Mir wurde diese Frage noch nie gestellt. Was soll mir das jetzt sagen?
Wer fragt nach dem Sinn der Arbeit?
Ich mache mich ungern unbeliebt, aber ich akzeptiere auch nicht gerne widerspruchslos Aussagen, die sich zwar toll verbreiten lassen, die ich aus meinem Arbeitsalltag aber nicht bestätigen kann. Gut, da könnte ich jetzt vieles aufzählen. Spontan fällt mir da die Diskussion mit Marina Zayats über die (Nicht-)Notwendigkeit von Personal Branding ein (demnächst dazu mehr in ihrem neuen Podcast). Oder auch die Aussage von Tijen Onaran mit ihrem Buch „Nur wer sichtbar ist, findet auch statt„. Ich denke, ich verstehe das Anliegen und ich weiß auch, dass wir in unseren heutigen Welt plakativ überziehen müssen, um wahrgenommen zu werden … und trotzdem ist der Titel so einseitig und in seiner Absolutheit so falsch, dass ich das Thema in meinem letzten HUMAN PLACE Podcast „Haben und Schein“ verarbeitet habe.
Aber ich komme mal zum Recruiting, denn da kenne ich mich halbwegs aus. Und möchte jetzt wirklich mal die Frage stellen: Wer fragt eigentlich hier angeblich ständig nach Sinn in der Arbeit? Wer??? Ich kenne niemanden!!!! Mein Team und ich habe dieses Jahr bisher mit über 200 ArbeitnehmerInnen gesprochen, die wir im Rahmen unserer Projekte als Sourcing Dienstleister ansprechen. Das waren/sind fast ausschließlich AkademikerInnen, sehr viele mit IT Hintergrund, die sich nach wie vor die Jobs aussuchen können. Aktuell vielleicht etwas weniger als noch vor Corona, aber es geht ihnen immer noch ziemlich gut. Von diesen 200 Menschen hat uns noch niemand pro-aktiv nach dem Sinn des Unternehmens oder des Jobs gefragt. NIEMAND! Und das war 2019, 2018, 2017 und so weiter übrigens auch nicht anders. Ich wurde in 20 Jahren Recruitingtätigkeit vielleicht zweimal von einem Bewerber nach dem Sinn gefragt!!! Dabei ist diese Zielgruppe der „wir können uns den Job aussuchen“ ArbeitnehmerInnen doch geradezu prädestiniert, nach dem „mehr“ im Job zu fragen! Wenn die Grundbedürfnisse gutes Gehalt, sicherer Arbeitsplatz, spannende Aufgaben gegeben sind – dann kann ich doch jetzt endlich auch mal nach dem Sinn fragen. Allein … es fragt mich niemand!!! Und da frage ich mich doch zu Recht: Wer fragt hier bitteschön (angeblich) nach dem Sinn??
Jetzt bin ich ja durchaus halbwegs reflektiert und hinterfrage meine Erfahrungen. Es gibt ja mehrere Möglichkeiten.
- Das Thema kommt erst langsam auf und dann vor allem bei der Generation Z. Kein Wunder also, dass du noch nie mit der Frage konfrontiert wurdest. Mit der jungen Generation hast du bisher zu wenig zu tun.
Hm, das stimmt aber so nicht. Ich suche seit drei Jahren kontinuierlich AbsolventInnen für Einstiegspositionen. Bis jetzt hat sich diese Generation bei mir vor allem durch (vor Corona) unfassbare astronomische Gehaltsvorstellungen ausgezeichnet. Aber nicht durch die Frage nach dem Sinn des Jobs oder des Arbeitgebers. - In Umfragen (ich hab jetzt keine zur Hand, aber es gibt sie) sagen die Teilnehmer regelmässig, dass ihnen der Sinn des Jobs und die Nachhaltigkeit und Kultur des Unternehmens sehr wichtig sind. Also muss das ja stimmen.
Aha, ja klar. Umfragen sind ja so wahnsinnig relevant. Schließlich werde ich anschließend vom durchführenden Unternehmen beim Wort genommen und abgemahnt, wenn ich einen sinnlosen Job annehme. Nein, eben nicht. Eine Antwort in einer Umfrage tut mir nicht weh! Da kann ich auch sagen, wir sollten alle weniger Fleisch essen und anschließend an der nächsten Straßenecke mir die Currywurst reinziehen. Umfragen und Studien über Fragen zu einer besseren (Arbeits-)Welt sind so sinnvoll wie Lametta überm Tannenbaum: Schick, aber ohne Folgen! Da kann ich doch alles behaupten. Und mach es dann auch gerne. Aber wie heißt es so schön: Wichtig ist aufm Platz! Und da gelten meiner Erfahrung nach halt immer noch ganz andere Regeln. - Du hast es halt mit der falschen Zielgruppe zu tun. Die Menschen, mit denen du sprichst, sind alle karrieregeil und wollen nur das eine: Viel Geld und Erfolg!
Tja, da könnte direkt was dran sein. Aber … Moment. Jetzt wird es spannend. Dafür verlasse ich mal diese Aufzählung.
Sinn im Job für die, die nicht weiterwissen?
Jetzt muss ich aufpassen, denn jetzt bewege ich mich auf dünnem Eis. Aber ich taste mich mal vor mit meiner eigenen Erfahrung. Als ich 2002 als Junior Personalberater in der Wirtschaftskrise nichts bewegen konnte, mit mir selbst und meinem Job unzufrieden, aber auch nicht wusste, was ich sonst machen soll … da habe ich gekündigt und gesagt: Ich will was mit Sinn machen!!! Und brachte damit meine ganze Hilflosigkeit auf den Punkt. Wenn alles andere Scheiße ist und ich für mich keine Antworten haben, wie ich die Situation ändern kann, dann ist die Suche nach dem Sinn die letzte Krücke (und auch das letzte Märchen), die mich weiter träumen lässt, anstatt mich der Realität zu stellen. Und die Realität war: Dich und deine Qualitäten braucht gerade niemand. Der Arbeitsmarkt gibt nix für dich her. Aber die Brötchen verdienen musst du trotzdem.
So, das war meine persönliche Erfahrung. Ich habe dann hart für meinen Übermut bezahlen müssen, denn als alleinverdienender Familienvater geht es erstmal darum, Geld nach Hause zu bringen. Und nicht den Sinn im Job zu finden. Die Frage nach dem Sinn hab ich nicht mehr gestellt! Desillusioniert? Mag sei, aber mehr dazu weiter unten. Denn jetzt hole ich die nächste Keule raus und will ganz ehrlich sein: Ich führe ab und zu tatsächlich mit Menschen Gespräche über sinnvolle Arbeit. Menschen, die einen sinnvollen Job machen wollen – und ihn nicht finden! Und was sind das für Menschen? Eher die Idealisten. Die Feingeister, die zu ehrlich sind für diese Welt, zu feinfühlig oder sensibel. Die sich ein Stück selbst im Weg stehen, weil sie nicht verstehen können, wie Unternehmen oder Manager nur nach dem Profit fragen. Die, die unser kapitalistisches Wirtschaftssystem einfach zum Kotzen finden (aber das noch nicht so ausdrücken würden). Und die haben einfach ein Problem! Denn selbst eigentlich sinnvolle Jobs wie Pflege sind inzwischen so durchgetaktet und entmenschlicht, dass der eigentliche Sinn dahinter kaum noch stattfinden kann.
Und dann gibt es natürlich noch die ganz anderen, die Pragmatiker. Die, die wirklich etwas bewegen. Die die Welt zum Positiven verändern wollen und das auch tun. Alexander Kraemer ist für mich da ein ganz leuchtendes Beispiel. Dieser CSR Enthusiast war schon so, als ich ihn als jungen Absolventen das erste Mal kennenlernte. Und er ist es die ganzen Jahre geblieben. Es gibt viele Menschen, die sich sozial engagieren, ein Unternehmen mit einer nachhaltigen Geschäftsidee gründen und etwas auf die Beine stellen. Diese Menschen zeichnen sich vor allem durch Pragmatismus aus. Interessanterweise sind gefühlt die meisten davon selbständig oder machen das in ihrer Freizeit. Vielleicht, weil es in den meisten Unternehmen kaum sinnvolle Arbeit gibt???
Ja, aber wäre es nicht schön, wenn …
Jetzt können Sie mir vorwerfen, es mir zu einfach zu machen. Sie können mit Fatalismus vorwerfen! „Die Welt ist halt doof, das hab ich akzeptiert und lebe seither ganz gut damit“ könnte meine Grundhaltung sein. Damit mache ich es mir natürlich einfach. Aber mit dieser Einstellung verändern wir doch nichts, so geht das also nicht. Richtig! Und um auch das hier ganz deutlich zu machen: Wir brauchen mehr Initiativen, mehr Ideen, wie wir unsere Welt nachhaltiger und besser für Mensch, Tier und Umwelt gestalten können. Ob es nun der Fair Trade Kaffee ist, eine neue Ressourcen schonende Technologie, vegane Nahrungsmittel oder bessere Arbeitsbedingungen im auf Letzte maximierten Klinikbetrieb sind – all das ist sinnvoll und danach sollten wir streben.
ABER wir sollten auch der Tatsache ins Auge sehen, dass es nicht viele sinnvolle Jobs in unserer Arbeitswelt gibt (außer, Sie reden die sich schön)! Unsere Gesellschaft und Arbeitswelt baut eben darauf auf, dass wir nicht nach Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung streben, sondern nach Wachstum durch Konsum! Es gibt so viel sinnloses Zeug, das aber massenhaft Arbeitsplätze schafft. Viel zu große SUVs oder schnelle Autos für die Stadt, E-Roller in der Innenstadt (wo es einen super Nahverkehr gibt!), Coffee to go mit entsprechendem Müll (wo ich doch zu Hause, im Büro, im Restaurant jederzeit einen Kaffee bekomme), Weiße Ware, die nach 4 Jahren kaputt geht, während die Miele von Oma 20 Jahre gehalten hat, Einfamilienhäuser in denen keine Familien, sondern wohlhabende Singles leben (weil sie es sich leisten können), innerdeutsche und -europäische Flüge (vor Corona) zu einem Spottpreis, damit wir mal eben zum Shoppen oder Meeting 500 km weit fliegen und Abends wieder zu Hause sind … soll ich weitermachen? All das ist purer Luxus – der Arbeitsplätze schafft. Und darauf baut unsere Gesellschaft auf. Erich Fromm hat schon 1979 in seinem „Haben oder Sein“ unserer Industriegesellschaft ein vernichtendes Urteil ausgestellt. Um ihn mal zu zitieren:
Die Industriegesellschaft erzeugt viele nutzvolle Dinge und im gleichen Ausmaß viele nutzlose Menschen. Der Mensch ist nur noch ein Zahnrad in der Produktionsmaschinerie; er wird zu einem Ding und hört auf, ein Mensch zu sein.
Wenn also jetzt die sensiblen unter uns nach dem Sinn in einem Job oder besser: nach einem Job mit Sinn fragen, dann sind sie nur die Ehrlichen, die den ganzen Wahnsinn unserer Wirtschaft bloß stellen. Nur, das hilft ihnen aktuell wenig weiter. Wir brauchen noch ein paar Jahrzehnte, befürchte ich, bis es vor allem sinnvolle und nicht sinnlose Jobs gibt.
Sinn der Arbeit – oder was zählt wirklich?
Und damit komme ich zu einem Schluss, der Ihnen vielleicht nicht schmecken wird. Sicher, es wird Gottseidank immer Menschen geben, die nicht mit der Masse schwimmen. Und sie werden die Welt zum Teil verändern und hoffentlich uns andere mitziehen. Und vielleicht können wir sie ein wenig unterstützen. Aber wir dürfen auch eines nicht vergessen: Zu erst einmal brauchen die Menschen Jobs, um ihr Leben zu finanzieren!!! Ein Job ist eine absolute Notwendigkeit. Auch, weil es dem Menschen einen Wert in unserer Gesellschaft verleiht. Ich arbeite also in der Regel nicht, weil ich was sinnvolles tun will, sondern erst einmal, weil ich Kohle brauche! Und wenn Sie mich fragen, was den hunderten (tausenden???) von Bewerbern in meinem Recruiterleben vor allem wichtig war, dann ist es:
- Eine Tätigkeit, die ich so gut beherrsche, dass ich mich darin wohl fühle und trotzdem immer noch was Neues lernen kann
- Eine Aufgabenstellung, die mich herausfordert und anspruchsvoll ist
- Ein Umfeld (Führungskraft/KollegInnen), in dem ich geschätzt und respektiert werde
- Ein Gehalt, mit dem ich gefühlt gut leben kann ohne ständig Angst haben zu müssen, nicht damit auszukommen
- Ein Standort, den ich gut erreichen kann (oder heute: Wo ich auch Home Office machen kann)
- und jetzt komme lange nichts
- und am Ende kommen so Dinge wie Aufstiegsmöglichkeiten, Benefits, Image des Unternehmens, Sinn des Unternehmenszwecks etc.
Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was mich zu diesem Artikel getrieben hat. Er ist eigentlich sinnlos. Denn warum lasse ich uns nicht alle in der schönen Illusionen, dass es auf den Sinn ankommt? Dann strengen sich vielleicht auch irgendwann die Unternehmenslenker an und suchen einen Sinn. Die Frage bleibt, ob sie einen sinnvollen Sinn finden werden …
Aber vielleicht ist das mein Teil zu einer besseren Welt? Einfach mal aussprechen, was vermutlich viele denken, aber was nicht zum Mainstream passt. Ich weiß es nicht. Darum lassen Sie mich Ihnen einen letzten Gedanken mitgeben: Wäre es nicht viel schöner, erstmal grundsätzlich einen Sinn für mein eigenes Leben zu suchen? Außerhalb von der Arbeit? Vielleicht fangen wir damit an. Das mit den sinnvollen Jobs für die Massen, das dauert ja noch ein wenig ;-).
Herzlichen Gruß,
Ihr Henrik Zaborowski
Hallo Henrik,
Viele Errungenschaften der Vergangenheit hätte man (und hat man sicher auch) als naiv bezeichnet. Wenn jedoch so ziemlich jeder die hier empfohlene Nüchternheit an den Tag gelegt hätte, würde sich nichts ändern. Und wie bei allem gibt es zahllose Gegenbeispiele, was aber die Existenz dessen nicht negiert. Sinn ist für mich an dieser Stelle zu einseitig betrachtet. Sinn im Sinne einer Wohltat, etwas für die Gesellschaft tuend oder so.
Für mich ist Sinnhaftigkeit im Job oder worin auch immer zu vielschichtig, als dass es die hier genannten Beispiel abdecken könnten. Jeder hat eine adere Definition davon und somit kann das Streben danach auch fruchten. Auch kann sich der Sinn über die Zeit ändern. Für den jungen Menschen, wahlweise auch den jungen Familienvater kann der Sinn im Job sein, Geld zu verdienen und irgendwann wird man dann Speaker, Podcaster usw., weil es ihn mit Sinn erfüllt, weil es Spaß macht. 😉 Der herausfordernde und anspruchsvolle Job kann ebenso Sinngebend sein, gleichsam das wertschätzende Umfeld.
Ich denke, dass es so für die meisten Töpfe auch einen Deckel gibt. Nur das Zusammenfinden ist, wie immer das Problem. Dass es den Sinn im Job nicht gibt, dem möchte ich doch widersprechen.
VG
Nico
Moin Nico,
vielen Dank für diesen vielschichtigen Kommentar. Ja, es läuft wohl darauf hinaus (das zeigen auch die Linkedin Kommentare), dass Sinn absolut individuell ist. Und vermutlich ist das auch der Punkt, weswegen „sinnvolle Jobs und Unternehmenszweck“ im Employer Branding nicht das Nonplusultra sind. Denn es gibt nicht DEN Sinn. Darum werden auch weiterhin Unternehmen MitarbeiterInnen finden, ohne einen wahnsinnig epischen Sinn als Arbeitgeber vor sich herzutragen 😉
Herzlichen Gruß,
Henrik
Lieber Henrik, Sinn im Job oder Sinn im Leben? Sinn im Job und Sinn im Leben? Merkwürdiger Weise habe ich mir diese Frage nie gestellt und sie wurde mir bisher nicht gestellt. Oder habe ich sie falsch gestellt? Ist Sinn nicht auch das, was das Individuum glücklich macht, weil es das liebt was es tut, wie es lebt und was es macht? Ist das nicht auch ein Sinn? Ich teile hier viele deiner Ansichten. Wenn ich mich nun reflektiere und Sinn mit Freude, Glück und Leidenschaft gleichsetze, dann mache ich seit über 10 Jahren einen Job mit Sinn, denn ich bringe Menschen in einen neuen Job. Dieser Job, der das Leben, den Wohlstand, den Urlaub oder was auch immer bezahlt und im Idealfall glücklich macht. Und ich bin 2fache Mutter , das macht Sinn und glücklich und ich kombiniere das mit dem Job und dem sozialen Leben. Somit ist die Frage nach dem Sinn beantwortet, wenn man sich selber hinterfragt und reflektiert. Bin ich zufrieden in dem was ich tue und wie ich lebe?
Und der Buchtitel von Tijen muss ja so gewählt sein, zwecks Verkauf. Sichtbarkeit und stattfinden schließt weniger Sichtbarkeit und stattfinden nicht automatisch aus. Auch hier die Selbstreflektion was will ich? Macht es mich glücklich, wenn ich gesehen und wahrgenommen werde? Mache ich es als Individuum davon abhängig, dass ich dann erst stattfinde oder ist mir Sichtbarkeit egal und ich finde dennoch statt. Beides gut – es können nicht alle in der 1. Reihe stehen. Schöne Gedanken die ich einfach kommentieren musste.
Liebe Friederike,
was für ein wunderschöner Kommentar, vielen Dank dafür. Ja, so wie Du Sinn beschreibst, finde ich mich auch komplett wieder. Und auch das mit der Sichtbarkeit ist eine ganz individuelle Sache, auf jeden Fall.
Ich hab auch echt überlegt, ob ich das Buch bzw. den Titel überhaupt erwähne. Denn grundsätzlich teile ich ja das Anliegen, wichtige Themen sicht- und hörbar zu machen. Und dadurch Diversity gefördert wird … wer kann da was gegen haben?? Tatsächlich bleibe ich aber auch nach langem Überlegen dabei, dass der Titel einfach falsch ist. Oder wie jemand bei HUMAN PLACE kommentierte: Unmenschlich. Und das stimmt. Schöner (und immer noch plakativer genug) wäre z. B. „Aufmerksamkeit durch mehr Sichtbarkeit“ oder „Wer sichtbar ist, kann mehr erreichen“ oder so. Aber mit der Aussage finden halt all die stillen Menschen, die ihr Leben leben, nicht statt. Und das ist weder richtig noch ist es menschlich. Und es gibt so viele Menschen „da draußen“, die so eine Aussage in die Verzweiflung treibt weil sie denken, jetzt werden sie vom Leben und der Gesellschaft abgehängt. Und das geht für mich gar nicht. Ist halt nicht jede/r so fest in sich wie Du 🙂
Ganz lieben Gruß zurück,
Henrik
Ja, Henrik, es liegt immer alles im Auge des Betrachters und wenn man die Kommentare liest, merkt man, wie jeder für sich deine Zeilen interpretiert. Aber wichtig, dass du das angesprochen hast. Es regt zum nachdenken an! Viele Grüße und ein schönes Wochenende, Friederike
Ich beurteile mal aus meiner Bewerbersicht und nicht als Neuling, sondern schon des älteren Semesters (42 Jahre alt):
Eine Tätigkeit, die ich so gut beherrsche, dass ich mich darin wohl fühle und trotzdem immer noch was Neues lernen kann
– also wenn ich so denken würde – nur etwas Neues kennen zulernen, dann würde mich nach einem halben Jahre schon langweilen. Also bei mir müsste der Input für Neues schon größer sein.
Mein noch aktueller Job beweist es: Ich habe Bürokaufmann gelernt und bin im IT Support gelandet. Für mich eine völlig neue Welt, habe sehr viel Neues gelernt und bin auch sehr viel in Kontakt direkt mit Kunden gekommen.
Eine Aufgabenstellung, die mich herausfordert und anspruchsvoll ist
– und abwechslungsreich. Die nächsten Jahre immer das Gleiche zu machen, ist doch langweilig und fordert mich dann nicht mehr heraus. Da ist es aber die Aufgabe eines Chefs oder eines Abteilungsleiters, das Potential, welches sich entwickelt, weiter zu fördern, sonst ist der Mitarbeiter (oder ich in diesem Falle) weg.
Ein Umfeld (Führungskraft/KollegInnen), in dem ich geschätzt und respektiert werde
– auf jeden Fall
Ein Gehalt, mit dem ich gefühlt gut leben kann ohne ständig Angst haben zu müssen, nicht damit auszukommen
– auch wichtig. Wenn es Benefits gibt, die mich bei dem Unternehmen vergünstigt einkaufen lässt, dann gut. Als Beispiel nehme ich Städte / Universitäten in Belgien, die eine Latte von Vergünstigungen angeboten hatten, die mir nützlich sind (kostenlose Fahrradreparatur, Fahrradparkplatz, 75 % der Übernahme der Krankenhauskosten, Essensgutscheine etc..), dann kann ich auch etwas weniger verdienen. Aber so etwas gibt es in Deutschland nicht so viel und dann nur bei den großen Konzernen.
Ein Standort, den ich gut erreichen kann (oder heute: Wo ich auch Home Office machen kann)
– Home Office ist ganz wichtig (natürlich jeden Tag, aber wenn man es braucht (für Handwerker zum Beispiel oder wenn man eine Möbellieferung kommt). Ich arbeite seit März im Home Office, welches vorher undenkbar war. Es ist die beste Zeit. Ich habe keine Lust mehr 1 Stunde und mehr zur Arbeit zu fahren.
und jetzt komme lange nichts
und am Ende kommen so Dinge wie Aufstiegsmöglichkeiten, Benefits, Image des Unternehmens, Sinn des Unternehmenszwecks etc.
– Sinn des Unternehmenszwecks: Die Automobilbranche wäre für mich ganz schlecht, außer mit einem hippen Elektroauto mit Solardach (für die Stromerzeugung) könnte man mich noch gewinnen, aber nicht für ein Dieselfahrzeug oder Benziner.
– Image des Unternehmens: Also wenn ich Google Maps bei den Rezensionen steht, dass 200 Leute kommentiert hat und es das Unternehmen hat nur zwei Sterne, dann mache ich doch einen Bogen herum. Wenn ich 200 öffentliche Kundenbeschwerden dann mache ich als Bewerber einen Bogen um das Unternehmen.
Moin Sven,
naja, nicht jede/r möchte ständig was Neues machen. Es gibt viele Menschen, die freuen sich, wenn alles beim alten bleibt. Und die, die ständig was Neues wollen, sind auch für Arbeitgeber anstrengend. Denen muss ich ja ständig was Neues bieten und das geht in der Praxis eher selten. Außer Du bist in einem Konzern, wo Job Rotation Standard ist und jeder mal was Neues macht. Das findet dann aber auch nicht für alle Positionen statt.