Praxisstunde Eignungsdiagnostik – der Folgeartikel von „Was Recruiting mit Führung zu tun hat„. Wie komme ich auf die Idee, eine Folge über Eignungsdiagnostik zu machen? Wieder durch die Praxis. Denn ich stelle fest: Personalauswahl isst komplex. Und gar nicht so einfach, wie offensichtlich viele denken. Denn viele Hiring Manager wählen so schlicht/platt aus, das es dem Thema nicht gerecht wird. Das muss sich ändern.

(Achtung: Dieser Blogartikel ist wieder eine von einer KI transkribierten und von mir halbwegs überarbeiteten Podcast Folge! Daher sind Stil und Fehleranzahl definitiv anders als bei meinen klassischen Blogartikeln!) Den Link zur Podcastfolge gibt es unten. Wer lesen möchte: Es geht los.

Personalauswahl per Lebenslauf kann nix

In der letzten Podcastfolge / Blog-Artikel erzählte ich die Geschichte von der Führungskraft im Vertrieb, die sagte: „Ja, die beiden Bewerber hauen mich jetzt auf den ersten Blick nicht um, aber ich hab mich mal mit Ihnen beschäftigt. Und ich habe mir das Umfeld angeguckt, indem sie unterwegs sind. Und ich bin zu dem Ergebnis gekommen: Die bringen das Potenzial mit. Die bringen alles an Fach Know How mit, was sie brauchen. Der Rest ist Führung.“ Diese Aussage ist sehr selten. In der Regel höre ich halt häufiger von Führungskräften / Fachbereichen „Ja, nee, der kann das nicht oder da bin ich mir unsicher und die da ist  viel zu ruhig. “ Oder „Ich glaube, die passt hier nicht ins Team“ oder so. Aber es ist immer alles heiteres Beruferaten, das ist selten fundiert begründet, weil auch viele gar nicht so weit kommen, dass sie überhaupt zu solchen Aussagen fähig sind, weil sie z.B. sich gar nicht erst mit den Bewerbern beschäftigen. Sondern sich nur den Lebenslauf angucken und dann steht da irgendwie nix Atemberaubendes drin. Und dann sagen die Führungskräfte: „Ja, der kann das auch nicht“.  Ich sage dann immer – und das ist vielleicht der erste wesentliche Punkt: Ich habe in meinem Leben schon so viele wahnsinnig schlechte Lebensläufe gelesen. Aber daraus darf ich ja nicht den Schluss ziehen, dass diese Menschen in ihrem Job schlecht sind. Die sind halt schlecht im Lebenslaufschreiben. Das hängt in der Regel damit zusammen, dass sie das so selten tun. In meinen Trainings sage ich oft „Je perfekter eine Bewerbung ist, umso kritischer würde ich als Führungskraft draufschauen, weil ich würde mich ja fragen, warum ist diese Bewerbung so perfekt? Bewirbt er/sie sich schon zum 100. Mal oder was?“ Ja, und weil die Menschen, die im Job sind, die gut sind, die permanent angesprochen werden, die sich eigentlich nie bewerben müssen, weil sie immer so auch ihre Jobs kriegen. Die haben in der Regel schlechte Lebensläufe, weil die gar nicht wissen, wie das geht und so. Naja, also das jetzt nicht falsch verstehen. Natürlich gibt’s auch Menschen, die sich nie bewerben und trotzdem dann, wenn sie es müssen, ein super Lebenslauf und ein super Anschreiben und sowas hinkriegen. Aber einfach nur mal als Gedankenstütze. Eine perfekte Bewerbung heißt nicht, da ist jemand im Job gut. Das heißt nur, da kann sich jemand gut bewerben oder hat halt Geld dafür bezahlt oder hat Freunde, die das für ihn gemacht haben oder für sie. So, also das ist schon mal der erste Punkt.

Personalauswahl per Interpretation

Und dann ist noch der zweite Punkt in der Eignungsdiagnostik. Lebensläufe sind geduldig. Und alles, was ich lese, ist Interpretation. Nochmal: Alles was ich lese, ist meine Interpretation dessen, was ich lese. Ich lese, da macht jemand seit 5 Jahren Recruiting und ich denke sofort „Ja, der macht seit fünf Jahren Aktive Sourcing. Weil das mein Synonym für Recruiting ist. Ich mache Recruiting seit seit 20 Jahren und seit rund 17 Jahren Aktive Sourcing. Ich kann das überhaupt nicht trennen. Beides gehört für mich zusammen. Das heißt, ich lese, da macht jemand etwas seit fünf Jahren und ich habe sofort ein Bild, was macht er oder sie. Aber Recruiting ist ja vielschichtig und das können wir jetzt für alle anderen Jobs übertragen. Vielleicht macht ja jemand seit fünf Jahren Bewerbermanagement. Ich suche aber niemand, der Bewerbermanagement macht. Ich suche jemanden z.B. der sehr proaktiv ist und dann halt Active Sourcing macht. Vielleicht macht jemand auch mehrheitlich Gesprächsführung. Ist das das, was ich brauche? Es ist es alles Interpretation, solange derjenige/diejenige das nicht ausführlicher im Lebenslauf darstellt und das machen viele nicht. Da kann ich nur raten. So, ich lese etwas und ich habe sofort ein Bild im Kopf. Das ist ja zum Beispiel auch mit diesen Mustern. Ja, ich lese, da kommt jemand von der Firma XY. Und ich habe ein ganz klares Bild von dieser Firma im Kopf. In dieser Firma herrscht Ellenbogenmentalität. Diese Firma ist extrem prozessgesteuert. Diese Firma ist whatever … Da sitzen nur Idioten. Die können nix. Das ist ein Bild, was ich habe. Das entstanden ist. Aus Hörensagen. Vielleicht auch erleben. Vielleicht stimmt dieses Bild sogar. So, und jetzt kommt aber ein Fehler. Ich sage ja, dieser Mensch ist jetzt seit 3 Jahren bei der Firma X, die extrem ne Ellenbogenmentalität hat. Also ist diese Person genauso und passt bei mir nicht rein. Was ich aber nicht weiß ist: Wie wohl fühlt sich diese Person in dieser Firma mit der Ellenbogenmentalität? Vielleicht wusste diese Person gar nicht, als sie sich beworben hat und als sie den Arbeitsvertrag unterschrieben hat, dass diese Firma eine Ellenbogenmentalität hat. Und was passiert denn dann? Am Anfang ist immer noch Euphorie. Dann, nach ein paar Monaten, spätestens so nach einem Dreiviertel Jahr, stellt er oder sie fest: „Oh Gott, oh, das ist ja schon eine krasse Ellenbogenmentalität“. Dann überlegt sie vielleicht kurz zu wechseln, aber sagt sich dann vielleicht „Wenn ich jetzt wechsel, nach einem Jahr., wie sieht das in meinem Lebenslauf aus?“ Oder der Arbeitsmarkt ist gerade schwierig. Und er sagt sich „Jetzt wechsel ich doch nicht, das sitze ich aus, da beiß ich mich durch.“ Oder es gibt gerade private Themen. „Ich hab nicht die Zeit, ich habe nicht die Zeit für nen Jobwechsel. Das heißt, ich beiß mich hier durch. Durch die Ellenbogenmentalität. Aber eigentlich gehe ich jeden Tag mit Bauchschmerzen in die Firma und eigentlich will ich hier weg. Nur die Gelegenheit passt grad nicht.“

All das wissen wir nicht. Alles, was wir lesen, ist: da ist jemand seit drei Jahren in einem Unternehmen mit Ellenbogenmentalität und wir ziehen den Schluss „Dann tickt er genauso“. Und das ist natürlich völliger Wahnsinn. Das kann sein, das kann sein, muss aber nicht. Also was muss ich machen? Ich muss mit diesen Menschen reden. Und ihn oder sie fragen. Das ist aber auch wieder was, was viele gar nicht erst machen, weil sie sich ja absolut sicher sind, dass sie mit Ihrer Interpretation Recht haben, weil das ist ja nicht ihre Interpretation, sondern das ist ja die Wahrheit, die objektive Wahrheit.

Personalauswahl mit KI: Von der Pest direkt zu Cholera

So, jetzt hatte ich nochmal andere Erlebnisse mit dieser Interpretation und auch der Frage „Mit was für Glaubenssätzen gehe ich in ein Interview oder eben auch in eine Interpretation eines Interviews?“. Wir haben jemanden interviewt. Also wir heißt, eine Kollegin und ich, und haben dieses Interview aufgezeichnet auf Wunsch des Kunden. Und wir beide fanden die Bewerberin super. Es ging sehr stark um Persönlichkeit, es ging sehr stark um „Wie arbeitet die Person? Was ist ihr wichtig? Was treibt sie an? In welchem Setting fühlt sie sich wohl?“ und so. Und wir haben beide gesagt: Super, super, super, super. Der Kunde guckt sich das Interview an und sagt „Nee, die passt hier nicht“. Und dann entstand eine Diskussion. Dann haben sich noch andere das Interview angeguckt und am Ende hatten sich fünf Leute das Video angeguckt und wir hatten vier unterschiedliche Meinungen. Und das fand ich total spannend, denn es waren alles Menschen, die jetzt nicht zum ersten Mal ein Interview führen und eine Personalauswahl machen. Und das hat mir wieder gezeigt, wie komplex Eignungsdiagnostik ist. Und ich meine, wir kommen ja hier alle aus einer Welt, da wurden Menschen ausgewählt anhand eines schönen Fotos und „guck mal, die hat sich aber Mühe geben“ und „Ah, guck mal hier, das Anschreiben“ und so. Und diesen Schwachsinn haben wir dann getauscht, haben die guten Maßnahmen  übersprungen und sind dann gleich bei KI gelandet. Und dann haben wir solche Sachen gefeiert wie z. B. Precire. Da spricht jemand 15 Minuten mit unser KI und dann sagt die, der/die passt oder nicht. Also, man kann ja nur sagen, HR hat in der Vergangenheit von Pest in die Cholera geritten und das auch noch gefeiert. Und alles, was so bodenständig vernünftig ist, haben wir irgendwie ausgelassen. Bis auf natürlich unsere bekannten Eignungsdiagnostiker, allen voran Professor Dr. Kanning, Professor Dr. Hossiep und Kersting und so. Also die, die wir alle kennen oder hoffentlich kennen. Und wenn wir sie noch nicht kennen, dann sollten wir sie googlen. Die sehen das Ganze ein bisschen differenzierter. Und ich muss gestehen, dass ich in der Vergangenheit immer auf der Suche nach dem Heiligen Gral war, was Eignungsdiagnostik angeht. Ich habe immer gedacht, es muss doch DIE Lösung geben. Und es gibt mit Sicherheit auch Menschen, die behaupten „Ja, wenn du das so und so machst, dann kannst du dir hundertprozentig sicher sein“.

Wenn man aber mal die Validität verschiedener eignungsdiagnostischer Methoden und Maßnahmen anguckt, dann ist keine einzige über 50 Prozent. Das heißt, ich habe immer noch im Großen und Ganzen einen Graubereich, wo ich am Ende sagen muss „ich kann mir aber trotzdem immer noch nicht sicher sein.“ Und natürlich kann ich verschiedene Maßnahmen kombinieren. Also ein Eignungsdiagnostiker würde jetzt sagen „Na, ich nehme Intelligenztest, ich nehm Persönlichkeitstest, idealerweise den BIP von Dr. Hossip und ich lasse mir vielleicht noch eine Arbeitsprobe zeigen und ich mache natürlich ein strukturiertes Interview.“ Schon sehr aufwändig. Und trotzdem muss ich dann sagen „Naja, aber ein letzter Unsicherheitsfaktor, der bleibt immer noch“. Und das ist die Realität, die ich jetzt einfach mal ganz ungeschützt in den Raum stelle. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich hier völlig blamiere. Aber ich mache den Job jetzt auch schon eine ganze Weile und ich bleib dabei: Wir werden nie hundertprozentige Gewissheit bekommen. Ob die Bewerberin, ob der Bewerber jetzt wirklich perfekt passt und in Zukunft eine Top Leistung bringt bei mir. Und dann sind wir wieder bei Führung, dann sind wir bei Führung, dass eine Führungskraft dieses Risiko gehen muss, weil jeder Mensch ist ein Risiko. Eine Maschine, die programmiere ich, die stelle ich ein und dann weiß ich, wenn das Öl nicht heiß läuft oder keine Ahnung die Software ein Fehler hat, die macht immer wieder dasselbe ohne Fehler. Bei Menschen funktioniert das nicht. Bei Menschen ändert sich z.B. das Umfeld, das Private oder das Berufliche. Und das hat sofort Einfluss auf die Leistung. So, von daher kaufen uns immer Unsicherheit mit ein. Ja, und wenn ich damit als Führungskraft nicht leben kann, sollte ich mir überlegen, ob ich diesen Job noch machen will oder ob ich nicht noch mal wieder eine Stufe zurückgehe und sage „Ok, Führung ist dann vielleicht doch nichts für mich“. So, aber jetzt nochmal zum zum Interview. Der Kunde sagte „Wir suchen jemanden, der extrem teamorientiert ist“. Es ist die Frage, wie stelle ich fest, ob jemand teamorientiert ist? Da gibt es Menschen, die sagen „Naja, ich gucke mir halt die Hobbys an. Guck mal, FußballerIn oder HandballerIn oder sowas, also Mannschaftssport oder Tanzgruppe oder so, das ist teamorientiert. Da muss das Team funktionieren. Und jemand, der so einen Sport macht, ist teamorientiert. Da würde die Eignungsdiagnostik sehr sicher sagen, dass das alles Zufall ist. Also ich meine, ich kann ja für mich sprechen. Ich habe in meiner Jugend wie blöde Tennis gespielt, also Einzelsport und Volleyball = Teamsport. Ja, was machen wir jetzt damit? Was bin ich jetzt? Teamorientiert oder nicht? Kein Geheimnis. Ich bin nicht teamorientiert. Aber ja, Volleyball hat trotzdem Spaß gemacht. Und wenn jeder seinen Job gut macht, dann, dann kann auch ich ja richtig glänzen und die Erfolge mit der Mannschaft feiern und so was. Also Sport und Hobbys sind kein Indikator.

Personalauswahl ohne Kontext führt in die Irre!

Kunde sagt „Ja, wenn jemand viel über sich selber redet und in der Ich-Form, dann kann so jemand nicht teamorientiert sein“. Und das war jetzt bei dem Bewerber. Da war viel „ich“. Und ich hab gesagt „Ja, Moment, jetzt lass uns doch mal das Setting angucken. Das ist jemand im Vertrieb. Großraumbüro. Alle machen Vertrieb. Telefonvertrieb im Wesentlichen. Und es geht um Schlagzahl. Du musst deine Zahlen bringen, du musst deine Telefonate am Tag bringen oder in der Woche. Du musst deine Termine bringen. Ja. Und das machst du seit vier oder fünf Jahren. Wo findet da Team statt im Jobkontext? Eher nicht. Weil, ich kann ja nicht sagen „Ja, ich hab meine Zahlen nicht gebracht, aber dafür hat Kollegin Müller die für mich gebracht“. Das funktioniert ja nicht. Team spielt hier keine Rolle. Heißt das, dass diese Person von der Mentalität, von der Persönlichkeit her nicht teamorientiert ist? Nein. Dann erzählte dieser Mensch, dass immer wenn Pause ist, kommt das Team, die Kollegen kommen immer zu ihr zum Smalltalk machen. Bei ihr gibt’s auch immer Kuchen. Sagt der Kunde „Ja, warum gibt’s denn da Kuchen? Will sie damit was bezwecken oder sowas?“ Also ja, Skepsis. Das ist ja vielleicht ein Bestechungsversuch oder sowas. Und ich denke „Ja nee, das ist einfach weil, weil die hat einfach Spaß dran, anderen was Gutes zu tun“. So, und da sehen wir es wieder: Der backt jemand Kuchen und sagt „Bei mir ist eigentlich immer am Platz was los“ … das kann ich auf der einen Seite so interpretieren und auf der anderen Seite so. Und was ist denn jetzt richtig? Stand jetzt, ohne weiter nach zu bohren, ohne andere Fragen zu stellen, wissen wir es nicht. Es ist wieder  Interpretation. Ich sage ja immer, man muss sich den Kontext angucken. Ja, auch das mit dieser Unternehmenskultur, mit Ellenbogen und jetzt haben in meinem Denken alle Menschen, die dort arbeiten, eine Ellenbogenmentalität. Nein, ich muss mich ja immer fragen „Warum arbeitet jemand da und fühlt er oder sie sich da wirklich wohl?“ Warum arbeitet diese Person, die aus meiner Sicht sehr teamorientiert ist, in einem Job, wo eigentlich nur Einzelkämpfertum zählt? Das müsste ich mal klären. Dazu muss ich aber andere Fragen stellen und das kann ich entweder natürlich strukturiert machen. Oder so wie ich, halt einfach Quatschen und versucht herauszufinden, wie ist denn diese Historie eigentlich entstanden? Wie bist du denn eigentlich zu diesen Job gekommen? Und dann stelle ich fest, dass der Job eigentlich überhaupt keine Rolle spielte, sondern da war jemand, der wollte in ein bestimmtes Setting rein. Und dieser Job hat das geboten. Da wollte jemand, der Liebe wegen in einem bestimmten Ort und diesen Job, den gab es halt an diesem Ort und da hat die Person gesagt „Ich mach das hier“. Und hat dann vielleicht gemerkt, dass der Job an sich ihr eigentlich gar nicht so entspricht. Aber sie sagt, das ist es mir wert, weil ich bin jetzt hier, zum Beispiel bei meiner großen Liebe. Oder ich verdiene jetzt hier aber 20000 Euro mehr und die brauche ich, weil das Leben ist teuer, oder? Ich will mir einen schicken Urlaub leisten oder mein Kind ist krank und die Behandlung ist teuer. Die muss ich extra bezahlen. Also wir müssen uns den Kontext angucken.

Das heißt, wenn ich sage, Ich suche jemanden teamorientiertes“ und ich lege fest, „wer viel von sich spricht, ist nicht teamorientiert“. Das kann ich machen. Ich muss mich aber dann immer wieder fragen „Wie valide ist das denn? Wie aussagekräftig ist das denn? Gibt es nicht noch andere Indikatoren, die dafür sprechen, ob jemand teamorientiert ist oder nicht?“ Und wahrscheinlich ist das der Fall. Also auch hier merken wir wieder, dass das Leben deutlich komplexer ist, als wir uns das oft zu wünschen. Und auch das ist meine Erfahrung: Fünf Leute sehen dieses Interview und wir haben vier unterschiedliche Meinungen. Und manche hängen sich dann an Punkten auf, woran sie festmachen, ob jemand passt oder nicht passt, wo andere sagen, „das ist völlig unwichtig ist, spielt überhaupt keine Rolle“. Ja, aber jeder hat auch für seine Interpretation eine gute Argumentation. Nur, ist diese Argumentation auch wirklich richtig? Keine Ahnung. So, und jetzt? Jetzt kommt natürlich die Schwierigkeit dazu: Stimmt diese Interpretation der Führungskraft in der letzten Folge, die gesagt hat „Ich sehe das Potenzial und ich stelle die Leute ein, weil ich weiß, mit Führung kriege ich sie da hin.“? Ich kann jetzt noch nicht sagen, ob das stimmt. Das müssen wir uns jetzt im halben oder einem dreiviertel Jahr angucken. Wenn dann jemand super performt oder eben auch nicht, müssten wir uns wieder anschauen: Lag es denn nur an der Führung? Oder war vielleicht der Markt am Boden? Also, die Zahlen stimmen nicht, Vertrieb läuft nicht und dann sagen wir „Ja Mist, hast du dich halt doch vertan. Hast dich überschätzt als Führungskraft. Das war halt doch ne Pfeife.“ Das kann sein. Oder war es nicht vielleicht doch der Markt? Jetzt müssen wir uns wieder den Markt angucken. Ja, wie hat denn der Wettbewerb performt? Wie haben denn die Kollegen performt? Waren die alle deutlich besser? Wenn ja, dann muss ich sagen „Ja, okay, dann ist derjenige vielleicht doch nicht so gut“. Wenn die anderen aber auch nicht deutlich besser waren, dann, dann weiß ich wieder nicht, woran es liegt. Dann war es vielleicht doch eben auch der Markt, oder? Ich kann natürlich sagen „Ja, die anderen waren deutlich besser. Wie heißt das jetzt, dass derjenige seinen Job nicht kann? Oder könnte es sein, dass es andere, unerwartete Faktoren gab, die ihn einfach in seiner Leistung gehemmter wie z.B. private Schwierigkeiten, wurde vom Partner verlassen, große private Krise, ist zu Leistung nicht zu gebrauchen jetzt gerade für drei Monate oder vier oder fünf“.

Leistung und Erfolg sind auch vom Umfeld abhängig

Also ich hab immer immer den Faktor, dass ich mir angucken muss, woran lag es denn jetzt wirklich? Was war denn jetzt wirklich der Punkt? Und das ist wahnsinnig komplex. Also, vielleicht bin ich einfach auch nur zu schlicht gestrickt, aber das glaube ich nicht. Es gibt keine eindeutigen, hundertprozentigen Indikatoren, anhand derer ich sagen kann „Derjenige passt hundertprozentig und diejenigen nicht“. Natürlich gibt es Sachen. Wenn ich einem Softwareentwickler sage, schreib mir mal einen Code und er kriegt nichts hin. Dann muss ich sagen, ja was hast du denn jetzt hier eigentlich gelernt in einer Ausbildung oder in deinem Studium? Anscheinend ja nichts. So, dann könnte ich mich immer noch fragen „Ja, was muss denn jemand mitbringen, um ein guter Entwickler / gute Entwicklerinnen zu sein?“ Analytisches Denken, strukturiertes Arbeiten? Dann könnte ich nochmal wieder abfragen, ob er oder sie das mitbringt. Natürlich gibt es schon relativ eindeutige Signale. Wenn Sie mir sagen „Mach mal nen Projektmanagementplan, dann bin ich in 5 Minuten blank und dann sagen Sie völlig zu Recht „Zaborowski, Du kannst kein Projektmanagement.“ Ja, aber das hätte ich ihnen auch vorher sagen können. Aber in ganz vielen anderen Sachen muss man einfach sagen: Da ist eine Grauzone. Wir werden es nicht hundertprozentig wissen.

Auch, weil auch immer Leistung vom Umfeld abhängt. Das ist ja auch nochmal der Punkt. Also hier die kleine Empfehlung, einfach nochmal wieder in meinen HUMAN PLACE Podcast rein zu hören. Da erzähle ich unheimlich viel über mich. Nicht, dass ich jetzt so wichtig wäre, aber da spreche ich ganz viele dieser Themen an. Ich war ja schon mal selbstständig, das ging ja komplett in die Hose. Ich habe ja wirklich kaum was gerissen und dann, dann bin ich in einen Job wieder rein und fünf Jahre lang lief es wie geschnitten Brot. Umsätze, ohne Ende Stellenbesetzung. Ich konnte irgendwie gar nichts verkehrt machen. Dann den Job gewechselt und komplett wieder in die Grütze gerauscht. Ich war aber immer derselbe. Also ich habe immer mich in meiner pursten Form mit der ganzen Motivation da reingebracht und trotzdem war ich in der einen Stelle super erfolgreich. Und in der anderen Stelle Null. Woran lag’s? Viele sagen jetzt vielleicht, „Zaborowski, du machst dir das Leben aber auch leicht .“ Nee! An den Umständen natürlich, klar an den Umständen. Ich kann das auch ganz klar benennen. Ich weiß, warum es in der einen Stelle so erfolgreich war und bei der anderen nicht so. Und dann ist es halt auch so: Wenn man einmal im Flow drin ist, das kennen wir auch alle, dann kommt zwar irgendwann kommt der Knick, aber bis der kommt, ist da so manchmal dieses Gefühl „Ich kann irgendwie gar nichts verkehrt machen. Jetzt habe ich Glück. Und jetzt hab ich auch noch Schwein dazu.“ Und umgekehrt wissen wir auch, wer so richtig drinsteckt im Mist, bei dem läuft dann auch irgendwie alles schief. Das kennen wir auch. Wir brauchen das gar nicht relativieren. Umstände, das Umfeld spielen in der Frage, welche Leistung bringt jemand, immer eine Rolle! Immer! Lass die Führungskraft wechseln, lass die Kolleginnen und Kollegen wechseln und auf einmal ist jemand deutlich schlechter gelaunt, hat weniger Lust zu arbeiten oder ist hochmotiviert oder wie auch immer.

Schlechte Personalauswahl ist Not & Elend für alle

Also das heißt, ich hab zu einem Zeitpunkt X eine super Eignungsdiagnostik gemacht. Habe gesagt, dieser Mensch ist für diesen Job in diesem Setting perfekt. Und drei oder sechs Monate später oder ein oder zwei Jahre später, ändert sich das Setting oder ändert sich im privaten Umfeld der Person etwas und auf einmal hat das Einfluss auf die Leistung. Und dann ist meine supergeile Eignungsdiagnostik nur noch halb so viel wert, weil sich das Setting verändert hat. So, und ich? Warum hacke ich so drauf rum? Weil ich ganz viel Not und Elend erlebe. Auf der Unternehmensseite, wie da echt heiteres Beruferaten passiert. Und auf der Bewerberinnen- und Bewerberseite erlebe ich genauso viel Not und Elend, weil die Leute sich fragen „Wieso gibt mir eigentlich keiner ne Chance? Wieso werde ich noch nicht mal zum Gespräch eingeladen? Warum hacken die Leute auf diesem einen Punkt in meinem Werdegang rum? Den ich ja auch nicht mehr ändern kann, der, wo es einfach scheiße lief, wo ich mich vergriffen habe, wo mein Chef ein Idiot war. Also wo ich selber sage, den würde ich gerne ungeschehen machen. Kann ich aber nicht. Und warum fragen die Leute jetzt nicht, wie würdest du denn in Zukunft gut arbeiten können?“

Das ist ja auch nochmal das. Also wenn wir jetzt mal die richtigen Problemfälle nehmen. Ich hatte ein Gespräch mit jemandem. Die sagte, „Ich war super erfolgreich als Führungskraft. Und dann musste ich auf einmal in psychologische Betreuung. War weg vom Fenster. Und kam wieder. Und bekomme die Kündigung. Und auf Rückfrage oder im Bitten um ein Gespräch wurde mir mitgeteilt „Naja, also ganz ehrlich, hier im Unternehmen können viele nicht damit umgehen, dass du, ich sage jetzt mal, in der Klapse warst. Weil ganz viele Menschen denken „Ja, die oder der wird ja nie wieder gesund“. Und das ist es ja. Ja, ich nagel Menschen fest auf ihre Vergangenheit. Und ich gebe Ihnen keine Chance, mit mir gemeinsam zu schauen, was könnte denn in Zukunft sein? Das ist jetzt ein krasses Beispiel, aber wir können das ja auch mit anderen Beispielen machen. Da hat jemand in drei Jahren zweimal gewechselt. Und dann fange ich natürlich als Führungskraft an, mich zu fragen „Was ist denn da los? Kann der nix? Ist das eine Pfeife? Will er nicht arbeiten? Ist das ein Querulant oder sowas?“. Das kann ja auch sein. Ich will das überhaupt nicht negieren. Ich kann aber auch umgekehrt sagen „Ja, aber jetzt lass uns doch mal gemeinsam reden und herausfinden, was war denn da los? Ach so, du kamst mit deiner Führungskraft nicht klar? Ja, wie war denn die Führungskraft?“ Und dann kann ich mich ja als Führungskraft fragen „Bin ich genauso oder bin ich vielleicht anders?“ „Ja, was für ein Umfeld brauchst du denn, um dich wohl zu fühlen und gute Leistung zu bringen?“ Und dann kann ich mich fragen „Biete ich als Unternehmen oder als Führungskraft dieses Umfeld?“ Und dann sind wir wieder beim Thema Führung. Und dann muss ich sagen „Alles klar. Ich gehe jetzt das Risiko. Wir haben das geklärt. Du sagst mir, in diesem Setting bringst du deine beste Leistung. Ich kann dir dieses Setting bieten als Führungskraft. Also lasst es uns versuchen. Aber das ist meine Aufgabe als Führungskraft.“ Und natürlich kann das in die Hose gehen, überhaupt keine Frage. Aber, ich kann auch jemanden einstellen, der seit 10 Jahren im Job ist, ohne Krisen. Und der zu mir kommt und bei mir komplett in die Grütze geht. Oder ich feststelle, er oder sie kann eigentlich überhaupt nix. Da sind wir auch wieder bei Interpretationen. Da ist jemand seit 10 Jahren bei seinem Arbeitgeber. Da kann ich auch sagen, „Mann, muss das eine Pfeife sein. Wenn der was könnte, hätte der schon längst woanders mal einen Job gekriegt, wäre schon längst mal abgeworben worden.“ Ich kann aber auch sagen „Mann, ist das eine treue Seele und konstant. Und der, der ist teamorientiert und loyal, der will was zusammen mit seinem Arbeitgeber bewegen“. Das kann auch sein, aber erstmal ist das meine Interpretation. Ich kann aber auch genauso gut sagen „Boah, muss die Führungskraft eine Pfeife gewesen sein. Der kann ja nichts. Wieso ist das eigentlich nie jemandem aufgefallen?“ Also, die gleiche Situation oder ein und dieselbe Situation kann ich auf 3, 4, 5 verschiedene Arten und Weisen interpretieren. Und jeder, der dann interpretiert, denkt „Ja, aber meine Sichtweise ist ja die Richtige.“ Aber das muss überhaupt nicht der Fall sein. Das Leben ist komplex.

Personalauswahl – Lebensweisheit kann helfen!

Ich glaube, damit komme ich jetzt auch langsam zum Schluss. Das ist auch das, was ich in meinen meinen Trainings für die für Führungskräfte immer sage „Ich hab euch jetzt erzählt, dass ihr eigentlich ziemlich wenig wisst. Ich hab euch eure Sicherheit genommen. Ja, euren blinden Glauben, weer dreimal gewechselt hat, der kann nix, Oder wer da oder da studiert hat, der ist super. Das habe ich bewiesen, dass das nur Glaubenssätze sind, dass das nicht automatisch richtig ist. Und dann guckt mich die Führungskräfte an und sagen „was mach ich jetzt damit? Soll ich jetzt irgendwen einstellen?“ Nein, das sage ich gar nicht. Ich möchte aber dieses Wissen im Hinterkopf haben. Ich möchte, dass jede Führungskraft und das gilt auch für alle RecruiterInnen im Hinterkopf haben; Alles, was ich lese und die Schlüsse, die ich daraus ziehe, sind meine Interpretation. Und ich muß mir wirklich, wirklich, wirklich Gedanken machen, wie ich herausfinde, was jemand kann und was er nicht kann. Und das kann ich nicht mit „Führen Sie mich mal durch Ihren Lebenslauf, was sind Ihre Stärken und Schwächen und wo sehen Sie sich in 5 Jahren“ abfackeln. Das ist Blödsinn!

Und das ist ja auch nochmal so ein Punkt, der mir jetzt gerade einfällt. Ich hatte jetzt auch nochmal so ein Aha-Erlebnis. Will ich gar nicht näher darauf eingehen. Es ist auch überhaupt kein Vorwurf, aber wir müssen uns bitte auch über eine Sache im Klaren sein: Je jünger und unerfahrener jemand ist oder je länger jemand mehr oder weniger erfolgreich ist, umso weniger Ahnung hat er oder sie vom echten Leben. Dann lese ich als 25 jähriger Student ein Lebenslauf mit zwei Brüchen und jetzt sechs Monate arbeitslos und denk mir, „Was ist das für eine Pfeife?“ Und ich lese als 48 jähriger diesen Lebenslauf und vor meinem inneren Auge laufen die Situation und die Gefühle ab, die dieser Mensch wahrscheinlich hatte in diesen Momenten, wo diese Brüche waren, weil ich sie selber kenne. Und ich gehe viel neugieriger und offener in ein Gespräch mit dieser Person als sehr wahrscheinlich der 25-Jährige, der nämlich sagt „so eine Pfeife können wir hier nicht gebrauchen“. Und genau so Führungskräfte, die seit 15 Jahren in einem und denselben Unternehmen sind und da so konstant ihre Leistung gebracht haben, warum auch immer. Ganz ehrlich, Menschen werden auch befördert, nicht weil sie so gut sind. Sondern weil sie weg müssen. Irgendwo, wo sie weniger Schaden verursachen. Menschen werden auch befördert, weil sie seit 10 Jahren im Unternehmen sind und jetzt auch mal dran sind. Menschen werden auch befördert, weil sie sich Netzwerk aufgebaut haben, wo sie sich gegenseitig unterstützen und sagen „Hey Meier hier, du willst doch den Abteilungsleiterjob, ne? Ich mach jetzt mal den Fürsprecher für dich, aber das nächste Mal, wenn ich jetzt dran bin, dann machst du das umgekehrt auch für mich.“ Deswegen entstehen auch Karrieren. Das hat nicht immer was mit Leistung zu tun.

Aber leider ist es dann doch so, dass viele dieser Führungskräfte eben keine Ahnung haben, dass auch Brüche passieren und diese Brüche nicht zwingend was mit der Leistung der betreffenden Person zu tun haben. Von daher würde ich heute sagen, als jemand, der selber schon häufiger gescheitert ist und häufiger aber auch erfolgreich war und und weiß, dass auch privat das Leben nicht immer glatt laufen kann: „Personalauswahl und Führung sollten eigentlich nur Menschen machen, die schon echt etwas erlebt haben“. So, das ist jetzt natürlich eine einseitige Aussage und auch das ist ganz klar: Es gibt exzellente junge Menschen, die super Führungskräfte sind, weil sie einfach das richtige Verständnis haben, weil sie emphatisch sind. Und es gibt auch viele Menschen, die erfahren sind und schon immer schlecht als Führungskraft waren und auch nie besser werden. Also, Alter und Erfahrung ist jetzt auch keine Garantie für gute Führung. Aber nur so von der Tendenz würde ich sagen, als Führungskraft und als Menschen, die mit Personalauswahl betraut sind, sollte ich ein bisschen das Leben kennen und nicht die Kaminkarriere in einem Unternehmen gemacht haben oder halt noch nie irgendwie was gerissen. Aber es auch nochmal ein anderes Thema.

Ok. Das war Praxisstunde Eignungsdiagnostik. Einfach mal so ein bisschen aus dem Bauch und aus der Hüfte und aus dem Leben erzählt. Ich hoffe, Sie konnten ein bisschen was damit anfangen. Und ansonsten herzliche Empfehlung, Kanning, Kersting, Hossip sind für mich die drei, an denen wir uns auf jeden Fall orientieren sollten. Davon gibt’s auch jede Menge im Internet, auf YouTube. Neben den dreien gibt noch andere. Also nicht falsch verstehen, wenn ich sie jetzt nicht nenne. Aber das sind so für mich die, an denen ich mich orientiere und wo man auch noch jede Menge lernen kann. In diesem Sinne, ganz herzlich Empfehlung, einfach mal nach den dreien zu suchen und sich zu belesen oder Youtube-Videos anzuschauen oder sonst irgendwas.

Und ansonsten einfach im nächsten Auswahlgespräch immer im Hinterkopf zu haben: Es ist alles Interpretation. Bin ich mir wirklich sicher, dass ich die Dinge richtig sehe? Wie kann ich nochmal herausfinden, wie kann ich nochmal anders fragen und nochmal einen anderen Blick auf das Ganze zu bekommen?

Viel Spaß beim Umsetzen.

Ihr Henrik Zaborowski

Und hier das Ganze als Podcastfolge zum Hören:

auf meiner Homepage

bei Apple Podcast