Nachhaltigkeit ist in aller Munde, scheint es. Stimmt aber nicht. Es ist vor allem in bestimmten Gesellschaftsgruppen in aller Munde und wird dort gepusht. Eine Mehrheit der Gesellschaft wünscht sich einigen Umfragen nach zwar mehr Nachhaltigkeit, ob das Thema aber das eigene Leben beeinflusst, steht auf einem ganz anderen Blatt. Immerhin kommt eine Studie von Burda im Jahr 2022 zu folgender Aussage:
Klimaschutz steht für 86 Prozent der Befragten an vorderster Stelle, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht und 82 Prozent sagen, dass jede und jeder eine persönliche Verantwortung für den Klima- und Umweltschutz trage.
Und:
Die Befragten haben hohe Erwartungen an Marken. Insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Krisen sind 76 Prozent der Meinung, dass die soziale und gesellschaftliche Haltung von Unternehmen wichtiger sein sollte als das Streben nach Profiten. Diejenigen, die sich in Krisenzeiten unangemessen verhalten, würden bei 71 Prozent der Menschen an Ansehen verlieren. Auch wenn Unternehmen aktuell mit vielfältigen Herausforderungen zu kämpfen haben, darf das umweltpolitische Engagement während solcher Krisen nicht nachlassen – 72 Prozent wünschen sich sogar noch mehr soziales und umweltpolitisches Engagement von Marken.
Gleichzeitig zeigt der Umgang oder die Meinung zu Aktionen der „Letzten Generation“, dass die meisten Menschen in Deutschland wenig Verständnis für die „Klimakleber“ haben. Eine nicht repräsentative Studie des NDR von Anfang 2023 mit knapp 13.000 Befragten (hier komplett zum Download) zeigt eine – ich würde fast formulieren – gespaltende Gesellschaftspersönlichkeit. Denn obwohl über 70% der Befragten der Meinung sind, die klimapolitischen Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Klimaerwärmung reichen nicht aus
finden ebenfalls über 70% der Befragten, dass die Aktionen der Letzten Generation (überhaupt) nicht angemessen sind.
Und jetzt stellt sich doch die große Frage: Liebe Leute, wie soll die Veränderung denn kommen, wenn die Politik zu wenig macht? Dann bleibt ja nur noch jede/r Einzelne, etwas zu verändern. Wenn ich mir aber mein ganz privates Umfeld und auch die Unternehmenslandschaft so anschaue, dann sehe ich noch wenig Bereitschaft zur persönlichen Veränderung. Das ist natürlich nur subjektiv. Aber viele persönliche Gespräche erwecken bei mir den Eindruck, dass die meisten von uns noch nicht verstanden haben, wie radikal wir unser Leben ändern müssen! Was aber nicht bedeutet, dass wir ins Mittelalter zurückfallen müssen, wie Kritiker*innen gerne spöttisch behaupten. Das Verständnis, was Nachhaltigkeit in der Tiefe und Breite bedeutet, ist bisher nicht in der Breite angekommen. Ein paar Bäume pflanzen oder auf Plastiktüten verzichten rettet uns nicht. Die größten Treiber der Klimaerwärmung sind laut der EU:
Die Verbrennung fossiler Brennstoffe, die Abholzung von Wäldern und die Viehzucht beeinflussen zunehmend das Klima und die Temperatur auf der Erde.
So erhöht sich die Menge der in der Atmosphäre natürlich vorkommenden Treibhausgase enorm, was den Treibhauseffekt und die Erderwärmung verstärkt.
Oder anders ausgedrückt: Konsum, Mobilität und Massentierhaltung sind drei große Hebel. Damit müssten wir an unsere private Lebensweise ran: Weniger Lebensmittel / Textilien / Gebrauchsgegenstände kaufen (und anschließend wegwerfen), weniger fliegen / reisen, weniger Individualverkehr, deutlich weniger Fleischkonsum.
Und ich würde sagen, das ist der Grund, warum die Mehrheit der Gesellschaft zwar für eine bessere Klimapolitik, aber gegen die Proteste der Letzten Generation ist: Wir müssten unser eigenes Leben verändern.
Der „Nachhaltigkeitspuk“ ist nicht bald vorbei! Sondern der Konsumspuk!
Denn er endet automatisch bei einer immer größeren Klimaerwärmung!
Aber leider verstehen das immer noch die wenigsten. Etwas ernsthaft verändern? Wir doch nicht! Denn leider springen vermeintlich seriöse Politiker aus z. B. CSU und FDP gerne auf den Populismuszug auf und bereiten Stammtischparolen den Teppich aus, wenn sie von „Klimaterroristen“ sprechen. Dann ist auch eine ernsthafte Diskussion gar nicht mehr nötig. Aber da machen wir es uns viel zu einfach. Wir sollten uns wirklich alle fragen, ob diese jungen, mehrheitlich akademisch ausgebildeten Menschen, die teilweise nicht nur ihre Ausbildung schmeissen um Zeit für den Aktivismus zu haben, sondern auch ihre körperliche und emotionale Unversehrtheit und sogar Gefängnisstrafen riskieren und gleichzeitig Unterstützung durch die Wissenschaft bekommen – ob die wirklich wirklich so Unrecht mit ihren Forderungen haben?! Oder ob wir als Rest es uns einfach nur zu bequem machen (wollen)?!
Zu dieser Frage habe ich in zwei Podcastfolgen eingesprochen (leider etwas holperig). Einmal „Nachhaltiger Konsum im Zeitalter von Duschgel und Coffee to go“ und darauf aufbauend die Folge „Die Letzte Generation – der Kampf ums Klima„. Den Podcast gibt es natürlich auch auf Apple Podcast und Spotify.
Viel Spaß beim Hören – und Diskutieren
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