Erfolgreiches Recruiting kommt nicht von allein und vor allem nicht mal nebenbei. Das war früher mal. Früher konnten Unternehmen so langsam und so schlecht im Recruiting sein wie sie wollten: Es war ein Arbeitgebermarkt! Es war kein Problem die offenen Positionen zu besetzen, denn es gab genug geduldige, fast schon demütige Bewerber:innen – auch noch nach acht Wochen Wartezeit! Vermutlich kommt daher auch der Spruch „Recruiting kann jeder“.
Aber die Zeiten haben sich massiv geändert und heute müssen Arbeitgebende ihre besten Mitarbeiter:innen im Recruiting einsetzen, um erfolgreich zu sein (hat sich übrigens noch nicht ganz rumgesprochen, vermutlich nur eine Frage der Zeit :)). Und noch wichtiger: Alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen, schnell sein und den Prozess in einem Rutsch sauber durchziehen. Oder wenn man es poetischer mag: „Das Eisen schmieden, solange es heiß ist“.
Recruiting first – dann kommt lange nichts
Obwohl der Arbeitskräftemangel inzwischen überall präsent ist, scheint er in den Köpfen einiger Führungskräfte (Hiring Manager:innen) immer noch nicht richtig angekommen zu sein. Es gibt immer viel zu tun: Das operative Tagesgeschäft, interne Meetings, Kundenmeetings, Mittagspause, Urlaub … irgendwas ist ja immer. Wir haben alle in der Regel mehr auf dem Zettel als Zeit auf der Uhr.
Die Frage ist also, wie wir täglich unsere Prioritäten setzen. Dies geschieht für gewöhnlich nach unseren persönlichen Werten und Bedürfnissen. Ein kurzfristiger Termin mit A-Kundschaft ist in der Regel wichtiger als das wöchentliche Meeting mit dem Team. Das Gespräch mit dem Vorstand wichtiger als das mit einem Teammitglied. Vielleicht ist auch ein Kita-Termin wichtiger als ein Kundentermin. Jede:r von uns setzt bewusst oder unbewusst Prioritäten, das ist normal. Wir sollten uns nur ab und zu fragen (lassen), ob wir unsere Prioritäten anpassen können.
Und meine Frage lautet: Welche Priorität hat Recruiting für Dich?
Ein festes Wertekonstrukt und Routinen sind hilfreich, erst Recht in unserer hektischen Zeit. Sie geben Orientierung und helfen mir, auch unter Druck und in Hektik gute Entscheidungen zu treffen, wenn das mal nötig ist. Wenn Du ein:e Hiring Manager/in bist, der/die akut offene Positionen im Team besetzen muss – dann schlage ich Dir vor, Deine Prioritäten zumindest für diese Phase der Stellenbesetzung klar zu ordnen. Und das oberste Gebot heißt in dieser Phase: Recruiting first! Alles andere muss sich hinten anstellen.
Und das gilt nicht nur für Dich, sondern auch für alle Beteiligten im Recruitingprozess. Also vermutlich dein:e zuständige Recruiter:in, dein Team und vielleicht auch dein:e Chef:in. Wobei bei letzterem schon die Frage gestattet sein muss, was er/sie in dem Prozess zu suchen hat? Aber das ist ein anderes Thema.
Warum ist mir das Thema so wichtig, dass ich darüber einen eigenen Blogartikel schreibe?
Weil ich immer noch erlebe, dass „Recruiting first“ noch viel zu wenig gelebt wird und genau das ein wesentlicher Grund dafür ist, warum Einstellungsprozesse scheitern. Dabei ließe sich das in vielen Fällen vermeiden. Denn Zeit darf kein Faktor sein, der einer erfolgreichen Stellenbesetzung im Weg steht! Dann haben wir falsch priorisiert. Natürlich können wir den Recruitingerfolg nie garantieren, denn glücklicherweise entscheiden Bewerber:innen in Deutschland mit ihrem freien Willen für mein Jobangebot – oder eben für ein anderes. Das werden wir nie ganz verhindern können. Aber wir sollten unseren Anteil am Recruitingerfolg ernst nehmen – und der liegt in schnellen und professionellen Prozessen.
Erfolgreiches Recruiting in drei Tagen
Wir haben gerade ganz frisch eine weitere Verstärkung für unser Team gewinnen können. Der Prozess vom Erstgespräch bis zur Vertragsunterschrift dauerte drei Tage. Es geht also. 🙂 Ja, wir sind kein Konzern! Den Arbeitsvertrag erstelle ich persönlich und es gibt keinen Betriebsrat, der noch angehört werden muss. Und sicherlich hatten wir hier auch etwas Glück, denn die Kandidatin hatte einen halbwegs freien Terminkalender. Aber Glück gehört ja auch manchmal dazu. Es geht mir darum aufzuzeigen, dass der Prozess der Personalauswahl zwischen Hiring Manager:in und Kandidat:in schnell verlaufen kann! Und das ist das, was Hiring Manager:innen beeinflussen können. Also, wie lief das Ganze ab?
Ansprache und Erstgespräch
Am Donnerstag, den 29.07. schrieb ich ein paar Menschen auf unseren Business Netzwerken an und bekam direkt eine positive Rückmeldung mit der Bitte um Terminvorschläge für die nächste Woche. Ich war in der Woche von Montag bis Mittwoch wegen privater Termine in Leipzig, aber mir war klar, dass ich hier nicht lange warten will. Also blockte ich einen Termin für Dienstagmorgen, den 04.07. für einen ersten Teams-Call. Das knapp einstündige Gespräch lief sehr gut und ich schrieb direkt im Anschluss meinem langjährigen Kollegen mit der Bitte, zeitnah ein Zweitgespräch mit der Kandidatin zu terminieren. Gleichzeitig stellte ich meinem Team für Donnerstag, 06.07. zwei Terminblocker für ein Kennenlerngespräch ein – just in case. Außerdem schickte ich der Kandidatin einen Link zu Aivy, unserem Eignungsdiagnostikpartner. Über Aivy hatten wir vorher ein Anforderungsprofil für die Position als Recruiter:in bei uns festgelegt. Kleiner Hinweis: Wenn der Auswahlprozess klar definiert ist, weiß auch jede:r, was zu tun ist. 😉
Zweitgespräch und Aivy
Das Zweitgespräch fand am Mittwochmittag statt und verlief ebenfalls positiv. Glücklicherweise konnte sie einen der beiden vorab geblockten Team-Kennenlern-Termine am nächsten Tag realisieren. Von meinem Team konnte zwar nur die Hälfte dabei sein, aber das muss auch mal reichen. Das Kennenlernen mit dem Team fand wie geplant statt und ich holte mir direkt im Anschluss das positive Feedback von meinem Team. Das von ihr ausgefüllte Aivy Profil hatte ich inzwischen auch bekommen, es passte sehr gut.
Entscheidung und Vertragsunterschrift
Also rief ich die Kandidatin noch am gleichen Tag an, gab ihr unser positives Feedback weiter und fragte nach ihrem Eindruck. Auch der war sehr positiv. Da wir uns schon im Erstgespräch grob über ihre Gehaltsvorstellungen unterhalten hatten, wusste ich, dass ich mit meinem Angebot konkurrenzfähig bin und nannte ihr meine Rahmendaten. Sie gab mir mündlich eine Zusage und eine halbe Stunde später schickte ich ihr den unterschriebenen Arbeitsvertrag per Email, den sie mir innerhalb weniger Minuten ebenfalls unterschrieben zurückschickte. Sie fing am 17.7.23 bei uns an. Vorher habe ich den Rechner noch nicht fertig. 😉 An dieser Stelle begrüße ich sie ganz herzlich in unserem Team!
Recruitingerfolg ist eine Frage von Fokus
Eine Einstellung von Erstansprache bis zur Vertragsunterschrift innerhalb von 5 Werktagen durchzuziehen ist keine Magie. Es ist eine Frage von sauberen Prozessen, klaren Verantwortlichkeiten und Fokus. Zugegeben, man braucht einen halbwegs freien Kallender aller Beteiligten, um zeitnah Termine zu finden. Aber da sind wir dann wieder beim vorherigen Punkt: Wenn Du gerade (verzweifelt) Mitarbeiter:innen suchst, dann räum auch in Deinem Terminkalender dem Recruiting oberste Prio ein. Es muss natürlich nicht immer in drei Tagen laufen, das ist meist gar nicht nötig. Aber für drei Wochen gibt es (außer in wenigen Ausnahmefällen) keinen guten Grund!
Und, wie läuft Euer Auswahl- und Entscheidungsprozess? Schreib gern was dazu in den Kommentaren.
Herzlichen Gruß,
Henrik
Nein, es ist absolut keine Magie – dennoch sehr schnell.
Aber eine Person in einem festen Job, wird das eben nicht ganz so schnell durchziehen, wie ein Student, der aktiv auf der Suche ist. Da gehören ja meist 3 Parteien, wenn nicht mehr dazu. Ich wäre schon froh, wenn wir bei unter 3 Wochen landen. Das reicht in der Regel gut, wenn man am Ball bleibt.
Viele Kandidatinnen – die sich bewerben – hören gar nichts. Deswegen relativiert sich das für mich mit dem Fachkräftemangel. Kann das Wort nicht mehr hören! 🙂 Zudem stehen einige Unternehmen auf der Hiring-Bremse und in Teilen der Welt steigt die Jugendarbeitslosigkeit stark an.
Ist also kein Schwarz/Weiß Thema.
Ja, die drei Tage sind definitiv nicht repräsentativ. Drei Wochen sind da eher realistisch und ja auch noch (sehr) gut. Mir ist nur wichtig zu zeigen: Es geht ganz grundsätzlich! Es sind sehr oft von den Unternehmen (bewusst oder unbewusst) eingebaute Hürden, die den Prozess in die Länge ziehen.
Danke für Ihren Beitrag! Wir machen ebenfalls die Erfahrung, dass die Prioritätensetzungen bei den Unternehmen konträr zur ständigen Beschwerde über Fachkräftemangel sind. Daher haben Personalberatungen gerade einen dankbaren Markt, da die Unternehmen und ihre HR-Abteilungen nicht marktgerecht agieren. Statt auf Schnelligkeit, Menschlichkeit und Entscheidungsfreude zu setzen wird agiert wie von 30 Jahren, als noch reichlich Bewerbungen „einfach so“ hereinplätscherten. Mir ist unerklärlich, wie dieses Verhalten zu Stande kommen kann, wenn man doch als Betrieb jeden Tag mit der Realität in Kontakt ist und die Auswirkungen erlebt. Ich hoffe, es wachen zunehmend mehr Unternehmer und Führungskräfte auf und die HR-Abteilungen bekommen mehr Handlungsspielraum.
Recruiting-Prozesse sollten wirklich Priorität haben, um effizient zu sein. In meiner Erfahrung mit Field Service Management sehe ich oft, dass schnelle und klare Abläufe den Unterschied machen.
Interessant wäre es zu wissen, wie man die verschiedenen Abteilungen dazu bringt, ihre Prioritäten zu synchronisieren. Vielleicht habt ihr dazu ein paar praktische Tipps?
Vielen Dank für den Kommentar Nils. Naja, am Ende geht es um ein gutes Verständnis aller Beteiligten über den gemeinsamen Prozess und die jeweils eigene Rolle und Verantwortung. Im Recruiting ist das ja in der Regel nicht ganz so komplex. Unserer Erfahrung nach ist es am sinnvollsten, wenn alle Kommunikation über eine zentrale Stelle läuft, meistens ist das die/der Recruiter:in. Und dann erfolgt die Abstimmung über alle weiteren Schritte mit dem Fachbereich. Das sollte eigentlichi klappen, wenn alle ihre Rolle kennen 😉