Vielen Arbeitgebern fällt es immer schwerer, im Recruiting erfolgreich zu sein und ihre Stellen zu besetzen. Ja, das hängt definitiv mit dem Arbeitsmarkt zusammen, keine Frage. Sehr sogar. ABER: Es gibt noch einen anderen, ganz wesentlichen Faktor, an dem heute erfolgreiches Reruiting scheitert: Und das ist der Wille der handelnden Personen, die Stellen auch wirklich zu besetzen! Glaubst Du nicht? Na, schauen wir mal 😉
Rahmenfaktoren entscheiden das Recruiting
Ich habe mich in meiner kleinen Podcast Reihe „Recruiting und das Krümelmonstersyndrom“ schon mit dem Phänomen beschäftigt, dass viele Führungskräfte zwar offiziell anerkennen, dass wir einen Fachkräftemangel haben und sie sich mit ihren Vorstellungen bewegen müssen – aber es dann am Ende doch nicht tun. Es ist schon irgendwie faszinierend, wie souverän die Realität ausgeblendet wird. Es ist ja nicht so, dass nur die eigene Recruitingabteilung einfach zu dämlich oder faul oder sonst was ist und es deswegen keine BewerberInnen gibt. Sondern es ist in (fast) allen Unternehmen so! Flächendeckend! Egal für welche Jobs! Es ist eine Realität, die wir als Dienstleister jeden Tag erleben. Das schöne ist: Wir erleben auch, wie Recruiting erfolgreich sein kann. Und die großen Hebel sind ganz einfach benannt:
- Je besser der Standort zu erreichen ist bzw. je großzügiger die Home Office Regelung (am besten 100% remote), um so einfacher wird es, weil die Menge an potentiellen Kandidat*Innen automatisch größer wird. Wer seine Mitarbeiter*Innen nur zweimal im Monat im Büro sehen möchte, kann auch jemanden einstellen, der /die 500 km entfernt wohnt. Wer 3 Tage Präsenz pro Woche im Büro erwartet, hat nur noch einen Radius von (je nach Region) maximal 50 km.
- Je marktgerechter das Gehalt ist, um so einfacher wird es im Reruiting.
- Je schneller Recruiting und Fachbereiche sind, also den Interviewprozess zügig vorantreiben und sich Mühe geben, um so einfacher wird es im Recruiting
- Je realistischer und fundierter die Personalauswahl ist und auch mit Bewerber*Innen gesprochen wird, die laut Lebenslauf nicht der perfect match sind, um so einfacher wird es im Recruiting
- Je mehr sich die Führungskraft für die Menschen hinter dem Lebenslauf interessieren, für ihre Ziele, Wünsche und Werte, um so einfacher wird es im Recruiting
- Je wertschöpfender, sinnvoller und nachhaltiger der Job bzw. das Unternehmen ist, um so einfacher wird es im Recruiting (wobei der Punkt für mich weit unten auf der Prio Liste steht)
Es fehlt der Wille zum Recruitingerfolg
Alle diese Rahmenbedingungen sind anpassbar! Nichts davon ist ein Beton gegossen. Es gibt kein Naturgesetz, dass z. B.
- Vorstellungsgespräche erst 4 Wochen nach Bewerbungseingang stattfinden können! Das geht auch schneller. Genau so wie der ganze weitere Prozess, der in vielen Unternehmen immer noch dahinplätschert wie ein lustloser, schlecht zugedrehter Wasserhahn am Rande des Universums, der den Tropfen scheinbar nur unter Schmerzen herausquetscht, um sich dann 5 Minuten erholen zu müssen. In solchen Momenten frage ich mich immer wieder: Liebe Unternehmen, WOLLT ihr wirklich einstellen??? Oder wisst ihr das selber nicht so genau?
- in vielen Unternehmen 100% remote Arbeit nicht möglich ist. Die Corona Pandemie hat es uns gezeigt. Kein Arbeitgeber wollte 100% remote. Die meisten hielten es für nicht machbar. Dann mussten sie auf einmal – und es ging! Warum rudern so viele Arbeitgeber jetzt wieder zurück? Auch hier gibt es kein Naturgesetz, dass uns dazu zwingt. Ja, es ist nicht immer perfekt. Und manche Mitarbeiter wollen auch kein 100% remote. Aber niemand hinter mich daran, es anzubieten!
- Arbeitgeber dazu zwingt, schlecht zu bezahlen. Ja, natürlich hat jedes Unternehmen sein Gehaltsgefüge. Aber wenn meine Vertragsangebote nicht angenommen werden, weil ich 15% oder mehr unter Marktwert zahle, dann muss ich eh irgendwann die Gehälter anpassen. Denn sonst laufen mir auch die bestehenden Mitarbeiter davon. Ein Kunde von mir, zugegeben ein kleines Unternehmen mit 30 MitarbeiterInnen, hat gerade die Gehälter um 30% erhöht, um neue MitarbeiterInnen einzustellen zu können. Die Neuen wollten nämlich alle deutlich mehr. Klar, in dem Fall muss ich es mir auch leisten können. Aber dann gilt auch hier: Will ich die höchste Rendite? Oder will ich auch in Zukunft MitarbeiterInnen einstellen?
- Führungskräfte zwingt, unmotiviert und unvorbereitet Vorstellungsgespräche zu führen, erst nach zwei Wochen Feedback zu geben und dann immer noch nicht zu wissen, ob der Kandidat jetzt passt oder nicht.
- Führungskräfte zwingt, auf den perfect match zu warten. Anstatt jemanden einzustellen, der/die mit etwas Training und Unterstützung in ein paar Monaten den Job beherrscht, als hätte er/sie nie was anderes gemacht.
Wenn ich mir die Recruitingpraxis der meisten Unternehmen anschaue, dann scheint es diese Naturgesetze tatsächlich zu geben! Wissenschaftlich bewiesen sind sie aber nicht. Ich habe auch in der Schule oder Studium nie von ihnen gehört. Sie scheinen mir eher einem fiebrigen Traum entsprungen zu sein, entflohen aus dem monotonen, dämmrigen Schlaf der ewig Gestrigen, deren schwere Schritte über den plattgetretenen Boden jahrzehntelang getrampelter Pfade der Gewohnheit schlurfen. Wabernd vernebeln sie die Sinne der Schlurfenden und hüllen sie in einen Mantel stumpfen Eigensinns.
Der Witz ist: Es gibt ja Unternehmen, die es besser können! Und wenn Du mich fragst, warum in dem selben Unternehmen die eine Abteilung erfolgreich im Recruiting ist und die andere nicht, dann ist meine Antwort: Es liegt immer an den Führungskräften! Immer! Denn die, die wirklich einstellen wollen, die finden eine Lösung! Zumindest suchen sie fieberhaft eine! Manchmal sind natürlich auch ihnen die Hände gebunden, weil es Top Management (oder BR) Vorgaben gibt, die ihren Gestaltungsspielraum massiv einschränken. Dann ist hier das Top Management gefragt, die Umstände zu ändern, Die können das. Sie müssen es nur wollen!
Versteht mich nicht falsch: Ich bin kein Fan von „Du musst nur wollen, dann schaffst Du alles“! Das stimmt nämlich nicht. Aber wenn schon das Wollen nicht da ist, dann ist da auch keine Chance für eine Lösung! Ohne Wollen geht es nicht! Das Leben ist kein Ponyhof. Es ist nicht egal, was ich mache, welche Prioritäten ich setze! Einen Tod muss ich sterben! Pest oder Cholera! Sekt oder Selters!
Wir werden in Zukunft unsere offenen Positionen nur besetzen, wenn wir uns 100% aufs Recruiting fokussieren! Und es nicht nebenbei laufen lassen, neben vielem anderen. Wenn Du Dich verlieben oder ein bestimmtes Produkt kaufen oder einen langersehnten Urlaub planen willst, dann fokussierst Du Dich doch auch darauf!
Wir legen unseren Fokus auf das, was uns wichtig ist. Wer diesen Fokus als Führungskraft heute und in Zukunft nicht auf Recruiting und Führung legt, sollte seinen Job überdenken. Vielleicht hat er/sie etwas noch nicht verstanden? Oder will sich nicht bewegen! Dann sollten wir aber auch so ehrlich sein und das sagen. Und andere ran lassen, die es wirklich wollen.
Oder?
Herzlichen Gruß,
Dein Henrik Zaborowski
Veraltete Recruiting-Prozesse tragen zum Fachkräftemangel bei. https://www.xing.com/news/insiders/articles/knappheit-auf-hochster-ebene-fachkraftemangel-im-topmanagement-5074865 +++ 10 reasons your company’s HR can’t fill jobs https://www.asktheheadhunter.com/12961/10-reasons-hr-cant-fill-jobs +++ Why We Hate HR https://www.fastcompany.com/53319/why-we-hate-hr
So ist das! Es war aber vor 10 Jahren schon so, wenn wir ehrlich sind. Die Situation hat sich noch ein wenig verschärft, je nach Rolle und Standort.
Es muss aber der Unternehmer wollen, nicht der externe Berater oder HR. Ich habe mich oft gefragt: Wollen die wirklich einstellen? 🙂
Zurzeit bewerbe ich mich und kann nur sagen: „Ja, so ist das.“ Es geht bei mir um eine Führungsfunktion auf Expertenniveau in einem Bereich, der nicht ganz so dick besetzt ist. Bewerbungen erfolgen ausschließlich bei großen, international tätigen Konzernen.
Hier eine lose Aneinanderreihung des „best of“ der letzten Monate:
– Obwohl klar aus den Unterlagen hervorgeht, dass man in ungekündigter Beschäftigung steht, wird man grundsätzlich um 10 Uhr morgens angerufen. Ich weiß, da hat der Personaler gerade seinen ersten Kaffee intus, die erste Besprechung hinter sich, der Mangel an Taktgefühl ist doch immer wieder erschreckend.
– Homeoffice ist furchtbar schwierig. Die Gesichter immer furchtbar lang, wenn man dann absagt. Kann man eigentlich nur mit den Schultern zucken.
– Wie Sie sehr richtig schreiben: KEIN UMDENKEN! Unternehmen sucht seit 2 Jahren? Egal! Wird halt eine Zeitungsannonce geschalten, dann wird sich der Traumprinz:essin schon finden. (wahre Begebenheit & nein, hat sich nicht gefunden)
– Vorstellungsgespräche, insbesondere Erstgespräche, finden ausschließlich in Präsenz statt. Immer. Keine Ausnahme. Präsenz. Corona, kein Corona, egal, Präsenz.
– Ich weiß in der Zwischenzeit, dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit nach spätestens drei Wochen Bewerbungsprozess die Bewerbung bereuen werde.
Vielen Dank für den Kommentar, „ein Bewerber“ :-).
Sehr schade, dass Sie die gleichen Erfahrungen machen. Die ausnahmslose Präsenz wundert mich aber echt! Das ist zum Glück bei eigentlich allen meinen Kunden nicht mehr so. Da läuft zumindest das Erstgespräch über Teams. Aber Konzerne ticken da sicherlich auch nochmal spezieller …
Also, dann weiter gute Nerven und mehr Erfolg als bisher!! Ich weiß nicht, ob ich passende Kontakte für Sie habe. Im Zweifel einfach mal kurz melden und schildern, was Sie suchen.
Herzlichen Gruß,
Henrik Zaborowski
Hallo Henrik.
Einige der ausgeschriebenen Stellen sind zum Teil gar nicht Vakant oder man sucht so neben her! Darüber spricht kein Mensch.
Zudem gibt es kleinere Unternehmen – vor allem im Tech Bereich – die haben Stellen auf Ihrer Website befinden sich aber bereits in der Abwicklung – sprich Insolvenz!
Hier läuft also einiges was man mit KI und HR-Studien nicht erfassen kann.
Schönen Tag!
Moin Realist,
ja, da hast Du Recht 🙂 Die Welt ist ganz schön wild, da draußen.
Herzlichen Gruß,
Henrik
Wir haben in Deutschland einen gigantischen Niedriglohnsektor – dort will, darf oder kann niemand einen Tag länger arbeiten für mehr Geld?
Die Leute arbeiten ja bereits bei Ihren Arbeitgebern. Mir wird das immer alles viel zu einseitig diskutiert und alles unter dem Schlagwort: Mangel. Wir müssen mal etwas weiter und kritischer Denken im HR und in der Presse.
Wer will. Wer kann und wer darf arbeiten? Diese 3 Punkte muss man sich mal ganzheitlich und ehrlich anschauen.
Politik. Gewerkschaften. Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
absolut richtig. Und Mangel ist auch richtig. Wer z. B. eine Senior Java Backend Entwickler in Pusemuckel sucht, merkt das sehr schnell. Da nützt dann auch der Niedriglohnsektor nichts.